Mit dem Herbstsemester soll es losgehen: Dann verteilt die Universität Zürich (UZH) im Rahmen eines dreijährigen Pilotprojekts erstmals Geld an ihre besten Masterstudierenden. Offizieller Name des Versuchs: «Exzellenzstipendium».
Aufhorchen lässt die Höhe der Beiträge: 20 Bachelorabsolventen erhalten jeweils 10'000 Franken pro Semester – bei einem zweijährigen Masterstudium sind es 40'000 Franken. Für eine Studentin Anfang 20 beispielsweise ist das eine stattliche Summe.
Die Gelder sollen laut UZH «einen substanziellen Teil der Lebenshaltungskosten decken». Ziel der Massnahme, die mit dem verschärften Wettbewerb um akademische Talente zusammenhängen dürfte: Immatrikulierte Spitzenleute sollen sich voll auf ihr Studium konzentrieren können. Willkommener Nebeneffekt: Topstudierende bleiben der grössten Schweizer Hochschule erhalten, die Abwanderung ins Ausland wird gebremst.
Auch das Timing der Aktion ist kein Zufall: Der Ausschluss der Schweiz aus dem europäischen Forschungsprogramm Horizon, der auf das Aus für ein Rahmenabkommen mit der EU folgte, hat den Forschungsstandort Schweiz erheblich unter Druck gesetzt.
Die finanzielle Situation der Studierenden spielt bei der Auswahl keine Rolle. Was zählt, ist ausschliesslich deren Leistung. Die UZH betont gegenüber SonntagsBlick, dass die Exzellenzstipendien als Ergänzung zum bisherigen Unterstützungsangebot gedacht sind und die sozialen Stipendien für finanziell schwache Studierende nicht darunter leiden werden.
Man hofft auf hauseigene Nachwusforscher
Die Notwendigkeit dieses Belohnungssystems ist allerdings umstritten. Die UZH geniesst international nach wie vor einen sehr guten Ruf. Auf Nachfrage bestätigt man sogar einen positiven Trend: Seit einiger Zeit kommen mehr Masterstudenten nach Zürich, als abwandern. Von der Lancierung der Exzellenzstipendien erhofft man sich nun vor allem eine höhere Zahl leistungsstarker Nachwuchsforschender aus den hauseigenen Bachelorstudiengängen.
Wer sich für das neue Stipendium bewerben will, braucht überdurchschnittlich gute Noten und muss – wie die Hochschule auf ihrer Homepage mitteilt – plausibel belegen können, dass er oder sie den Ehrgeiz und das Potenzial hat, Aussergewöhnliches zu leisten. Ausserdem werden ein Empfehlungsschreiben, der Lebenslauf und ein persönlicher Fragebogen bei der Evaluation der Bewerber berücksichtigt. Aus dem Pool der Qualifizierten werden die Glücklichen dann per Los bestimmt. Diese Methode habe sich laut Vizerektorin Gabriele Siegert in den vergangenen Jahren gut bewährt.
Durchschnittliche Studierende haben das Nachsehen
SonntagsBlick hat einige Studierende aus der Bachelor- und Masterstufe nach ihrer Meinung gefragt und auch kritische Antworten erhalten. Vor allem die Höhe des Betrags wird hinterfragt – und darauf hingewiesen, dass Studierende aus schwierigen finanziellen Verhältnissen wegen Nebenjobs und fehlender Nachhilfemöglichkeiten oftmals keine Bestnoten erreichen können. So kommen sie auch nicht für ein Exzellenzstipendium infrage – was die Ungleichheit an der UZH verstärken könnte.
Laut Medienstelle der Universität Zürich gilt das Pilotprojekt als erfolgreich, wenn das Vorgehen bei den Fakultäten auf Akzeptanz stösst und durch Fundraising genügend Mittel für eine definitive Einführung generiert werden.
Das sagen Studierende
Benjamin Kasperski: «Die finanzielle Unterstützung für Studierende finde ich grundsätzlich gut. In diesem Fall ist sie für mich nicht relevant, da meine Noten leider nicht exzellent sind und ich somit nicht von diesem Angebot profitieren kann.
10'000 Franken pro Semester und Person unterstützen eine sehr kleine Gruppe von Studierenden, ein sehr hoher Betrag, es ist eine Exzellenzförderung. Ich befürchte, dass Menschen von der Förderung profitieren, die sie nicht unbedingt brauchen, während die, die sie nötig haben, zu wenig vorkommen.
Wenn man das Geld anders aufteilt, profitieren mehr Studierende. Darum hoffe ich, dass solche Stipendien ausgeweitet werden können und es auch andere Förderangebote für engagierte Studierende ohne Topnoten gibt.»
Julia Obrist: «Die Einführung der Exzellenzstipendien finde ich tendenziell eine gute Idee, da sie einen Anreiz zu Bestleistungen schafft. Es ist eine Win-win-Situation. Die Auserwählten bekommen eine massive finanzielle Hilfe und die Uni behält ihre Topstudierenden vor Ort. Den Betrag von 10'000 Franken finde ich aber schon sehr hoch, vor allem da er nicht die Leistung an sich verbessert, sondern nur die Lebenshaltungskosten decken soll.
Solange andere Studierende durch die neue Förderung nicht benachteiligt werden, finde ich es aber vertretbar. Ob es überhaupt eine finanzielle Motivation braucht, ist für jede Person unterschiedlich. Manche vollbringen aussergewöhnliche Leistungen aufgrund ihrer intrinsischen Motivation, manche brauchen aber auch einen materiellen Ansporn.
Eine andere Idee wäre, exzellente Studierende, statt mit Geld, mit einem zugesicherten Platz in renommierten Forschungsprojekten für einen Master an der Universität Zürich zu motivieren.»
Angela Fenice: «Ich denke, dass die Exzellenzstipendien die Ungleichheit zwischen den Studierenden verstärken werden. Viele finanziell schwächere Studenten müssen neben dem Studium arbeiten und -können sich keine Nachhilfe leisten, um Bestnoten zu erreichen. Dadurch werden sie auch weniger Exzellenzstipendien erhalten, obwohl sie genauso begabt wären. Darum finde ich die Selektion der Stipendiaten unfair.
Natürlich sind die 10'000 Franken ein grosser Anreiz dafür, den Master an der Universität Zürich zu absolvieren – aber die meisten Studierenden mit Bestnoten sind sowieso nicht auf das Geld angewiesen und lassen sich dadurch nicht beeinflussen. Stipendien sind für mich primär eine Hilfestellung für begabte junge Menschen, welche ihr Studium ohne finanzielle Unterstützung nicht vollenden können. Ich fände es besser, aussergewöhnliche Leistungen mit Preisen zu belohnen und Arbeitsstellen oder Praktika für exzellente Bachelorabsolventen anzubieten.»