Die Täter kamen nachts um 1.10 Uhr. Bevor sie zuschlugen, übersprühten sie die Überwachungskameras mit schwarzer Farbe. Es sollte keine Bilder geben von dem, was sie vorhatten: einen Anschlag auf die Döner-Produktionsfirma Gurbet AG in Dulliken SO. Erst sprayten sie Parolen an die Fassade, dann beschädigten sie die parkierten Lieferwagen, schlugen die Scheiben der Fabrik ein und warfen Buttersäure ins Innere.
Zwei Wochen ist der Anschlag nun her. Die Öffentlichkeit hat davon nichts mitbekommen. Klar ist bis jetzt: Der Angriff galt dem Inhaber der Firma, Suat Sahin. Der türkische Geschäftsmann ist Chef des Unternehmerverbandes World Turkish Business Council in der Schweiz – und glühender Erdogan-Anhänger.
Sahin pflegt enge Verbindungen zum Machtapparat von Ankara und hetzt schon mal gegen Kritiker des türkischen Autokraten. Nach dem gescheiterten Putschversuch in der Türkei von 2016 schrieb er auf Facebook: «Wir werden gemeinsam die Höhlen der Gülen-Bewegung und Putschsympathisanten stürmen.»
Der Anschlag auf die Firma des Erdogan-Getreuen ist nur der jüngste in einer ganzen Reihe von Attacken. In den letzten sechs Monaten schlugen Unbekannte mehr als ein halbes Dutzend Mal zu.
Bombenroboter in Rümlang
Mitte April beschädigten Erdogan-Gegner das Auto eines türkischen Nationalisten in Basel.
Anfang Mai musste ein Bombenroboter in Rümlang ZH einen Sprengsatz im Briefkasten der Türkischen Gemeinschaft Schweiz (TGS) entschärfen. Der Verband steht der Regierungspartei AKP nahe.
Bereits Ende Jahr griffen drei Vermummte das Privathaus des TGS-Präsidenten Serif Yildiz an. Sie schleuderten mit Farbe gefüllte Gläser gegen die Fassade, sprayten Drohungen an die Wände und zerstachen die Reifen seines Autos.
Yilmaz sagt: «Wir haben es hier mit sehr gut geplanten Anschlägen zu tun.» Die Sicherheitsbehörden müssten alles tun, um die Täter zur Rechenschaft zu ziehen. Polizeien und Staatsanwaltschaften mehrerer Kantone ermitteln zurzeit auf Hochtouren.
Die Spuren führen ins Milieu militanter Sympathisanten der kurdischen Arbeiterpartei PKK. An den meisten Tatorten sprayten die Angreifer Parolen an die Wände. «Biji PKK» prangte an der Fassade der Dönerfirma in Dulliken, Kurdisch für: «Es lebe die PKK.» Und am Haus von Serif Yildiz hinterliessen die Täter drei meterhohe rote Buchstaben: APO – der Kampfname des inhaftierten PKK-Führers Abdullah Öcalan.
Gegen Erdogans Angriffskriege
Nach den Angriffen tauchten im Internet anonyme Bekennerschreiben auf. Sie richteten sich gegen den türkischen Staat und seine Vertreter, gegen Erdogans Angriffskriege auf die Kurden und gegen die Verfolgung von Kritikern.
Im Frühjahr veröffentlichten autonome Gruppen auf einschlägigen Webseiten ein Communiqué. Sie schrieben: «Wir rufen zur internationalistischen Offensive #fight4revolution, als militanten Beitrag zu #smashturkishfascism auf!» Und sie drohten den «Komplizen des türkischen Faschismus»: «Wir werden ihnen zeigen, dass sie nirgends sicher sind!»
Der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) beobachtet die Aktivitäten der PKK in der Schweiz seit langem. Diese beschränkten sich in den letzten Jahren vor allem auf Geldsammlungen und die Rekrutierung neuer Kader. Zu den Anschlägen der letzten Monate will sich der NDB nicht äussern.
Ob tatsächlich kurdischstämmige PKK-Mitglieder hinter den Attacken stecken, ist unklar. Möglich ist auch, dass es sich um Sympathisanten aus der radikalen Linken handelt. Die linke Szene spannt immer wieder mit kurdischen Aktivistinnen und Aktivisten zusammen.
Insbesondere die kurdische Autonomiezone Rojava in Syrien dient vielen Linken aus der Schweiz als Vorbild einer gleichberechtigten Gesellschaft. Einzelne reisten gar vor Ort und schlossen sich dem bewaffneten Kampf gegen den Islamischen Staat (IS) an.