Sparschäler, Knoblauchpresse und Co. sind Objekte für immer
Diese Schweizer Alltagsklassiker sind Kult

Stewi ist bald Geschichte. Generationen sind mit der Wäschespinne aufgewachsen. Wir zeigen, welche anderen Schweizer Kultgegenstände bis heute überlebt haben.
Publiziert: 01.07.2023 um 18:31 Uhr
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Ob es die Stewi-Spinne noch lange gibt, wird sich zeigen.
Foto: zvg
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Rebecca WyssRedaktorin Gesellschaft

Bald ist die Firma Stewi nicht mehr. Ende Jahr ist Schluss. Generationen in der Schweiz sind mit der Wäschespinne aufgewachsen. Ob uns nun auch diese abhandenkommt, wird sich noch zeigen. Gewiss ist: Vieles verschwindet. Umso interessanter die Frage: Welche Objekte bleiben? Wir haben bei Renate Menzi nachgehakt. Sie ist Kuratorin der Designsammlung im Museum für Gestaltung in Zürich, das Schweizer Alltagsgegenstände sammelt. Sie sagt: «Ein Objekt muss Charakter haben, vielleicht auch ikonisch sein.» Hätte der Landi-Stuhl keine Löcher, hätte er keinen solchen Wiedererkennungswert, hätte er es kaum 2004 auf die 100er-Briefmarke geschafft. Hinzu kommt: Als Massenprodukt muss ein Objekt günstig in der Produktion und so gut designt sein, dass es den Menschen lange dient. Hier eine Auswahl von Schweizer Klassikern.

Die Stewi-Wäschespinne Ende der 1950er-Jahre.
Foto: Keystone

Der Sparschäler «Rex»

Er lag schon in der Küchenschublade der Urgrossmutter und ist heute noch in der Migros für weniger als zwei Franken zu haben: der Gemüse-Sparschäler «Rex». Sein Erfinder war der Marktfahrer Alfred Neweczerzal (1899–1959), Geburtsort: Davos. 1936 meldete er das Patent für einen Gemüsehobel mit verstellbarem Messer an. Das Design blieb ab 1947 immer das gleiche. Bis 2020 stellte die von ihm gegründete Zena Swiss AG jedes Jahr rund eine Million Schäler her, nun tut dies Victorinox. Mit internationalem Erfolg. Das Objekt aus Aluminium hat es schon in Ausstellungen von Spitzenmuseen wie dem MoMA in New York geschafft. Renate Menzi erklärt dessen Verbreitung auch damit: «Der Sparschäler ist produktionsgerecht entworfen und maschinell einfach zu produzieren.» Fest steht: Gerade die seitlichen Griffmulden sind für ungeschickte Küchenhandwerker ideal – jedenfalls weniger gefährlich als das scharf geschliffene Rüstmesser.

In jedem Haushalt zu Hause: Der Sparschäler.
Foto: Keystone

Die Sigg-Trinkflasche

Es war heiss, es war trocken, es war WM 2010 in Südafrika. Da dachte sich alt Bundesrätin Doris Leuthard (60) wohl: Die müssen trinken. Als sie auf dem Spielfeld vor der Schweizer Nationalmannschaft stand, drückte sie jedem eine Sigg-Trinkflasche in die Hand. Sie erklärte: Die Flasche solle ein Zeichen dafür sein, dass die Schweizer Bevölkerung hinter ihnen steht. Das sagt auch schon alles über das Objekt: Die Sigg-Flasche war lange eins mit der Schweiz. Bis das Unternehmen ins Ausland wanderte, zuletzt nach China. Was viele nicht wissen, sagt Renate Menzi: «Die Flasche hat sich in der Art, wie sie verwendet wurde, immer wieder verändert.» Sie startete als Bettflasche, war im Gegensatz zu den herkömmlichen Modellen aus zusammengelöteten Kupferteilen aus einem Stück, die Flasche war damit dicht. Sigg nahm in den 1920er-Jahren dann Aluminium und formte daraus eine nahtlose Flasche. Daraus wurde eine Trinkflasche. In den 1980ern als Campingartikel verkauft, drängte sie sich immer mehr auch in den Sport. Heute ist sie ein Lifestyleprodukt.

Von der Wärmeflasche zur Trinkflasche: Sigg.
Foto: Keystone

Der Landi-Stuhl

Er ist nur drei Kilogramm schwer, rostfrei und stapelbar: der Landi-Stuhl. Der Schweizer Hans Coray (1906–1991) hat ihn entworfen. Der Stuhl war ein wichtiges Objekt der Landi-Ausstellung von 1939. Wer müde war, konnte sich auf ihm ausruhen. Und ihn nach dem Ende der «Landi» für 15 Franken kaufen. Renate Menzi sagt: «Der Stuhl war wie die Ausstellung Teil der geistigen Landesverteidigung der Schweiz.» Auch weil er aus Aluminium war. In der Schweiz etablierte sich zu jener Zeit eine bedeutende Alu-Industrie – mit eigenem Pavillon an der «Landi». Eine wahnsinnige Erfindung sei der Stuhl gewesen, sagt Menzi. Und die erste Sitzschale, die ohne Nähte in einem Stück geformt wurde. Mit zeitlosem Design. «Es war ein ganz neuer Typ Stuhl.» Dank des Schweizer Möbelunternehmens Vitra, das ihn wieder aufgelegt hat, bleibt er uns erhalten.

Der mit den vielen Löchern: Der Landi-Stuhl.
Foto: Keystone

Der Ochsner-Kübel

Ein zylindrischer Körper, ein Klappdeckel mit gelochter Lasche, ein Henkel und ein Bügel an der Vorderseite – mehr ist da nicht. Renate Menzi klärt auf: «Der Kübel sieht banal aus, das Geniale und Neue daran war: Der Kübel liess sich automatisch leeren.» Anfang des 20. Jahrhunderts türmte sich der Abfall auf den Strassen Zürichs. Es stank an jeder Ecke. Der Zürcher Jakob Ochsner (1858–1926) machte dem mit seinem Eimer und dem ersten standardisierten Abfuhrsystem (Patent Ochsner) ein Ende. Die Müllabfuhr-Männer hängten mehrere Kübel an einem Kehrichtwagen ein, legten einen Hebel um und weg war der ganze Mist. Ab den 1920er-Jahren war der Ochsner-Kübel Pflicht für alle Stadtzürcher Haushalte, verbreitete sich über die ganze Schweiz – und inspirierte in den Neunzigern den Berner Musiker Büne Huber (61) zum Band-Namen.

Das Ochsner-Abfallsystem 1970.
Foto: Blick

Die Zyliss-Knoblauchpresse

«Zysset» und «Lyss» führt zu Zyliss. Damit fing es an. Karl Zysset (1907–1998) war Velomech in Lyss BE. Ein Tüftler. Er erfand erst Gepäckträger. Anfang der 1950er-Jahre schwenkte er auf Küchengeräte um. In seiner Werkstatt entstand die Salatschleuder, die aus jedem noch so nassen Salat das letzte Wassertröpfchen auspresst. Ein Erfolg wurde der Blitzhacker, dessen Haube Zwiebel und scharfe Messer versorgt. Eigentlich kann man sich gar nicht auf ein Gerät festlegen – so viele stehen heute noch in unseren Schränken. Wir tun es trotzdem: die Knoblauchpresse. Sie hat noch am meisten mit Zyssets Beruf zu tun. Renate Menzi sagt: «Die erste Knoblauchpresse mit geschwungenen Aluminiumgriffen lag ähnlich in der Hand wie eine Velobremse.»

Wie eine Velobremse: Die erste Knoblauchpresse von Zyliss aus den 50er-Jahren.
Foto: Museum für Gestaltung Zürich

Das Schweizer Taschenmesser

Okay, das Taschenmesser ist nun wirklich Kult. Vor allem in Übersee, wo Nasa-Astronaut Chris Hadfield (63) einmal den Rat gab: «Verlassen Sie nie den Planeten ohne eines.» So fing das an: 1897 liess der Messerschmied und Victorinox-Vorfahre Karl Elsener (1860–1918) das «Original Offiziers- und Sportmesser» patentieren. Damals gab es zwar bereits andere Messer mit Klinge, Korkenzieher, Feilen und Schraubenzieher. Doch Elsener – dieser Fuchs! – platzierte als Erster auf beiden Seiten des Griffs Werkzeuge. So konnte man mehr davon in einem Messer unterbringen. Durchgesetzt hat es sich laut Renate Menzi wegen seiner Eigenschaften: «Es ist rostfrei, für viele Zwecke gut und extrem langlebig.»

In Übersee Kult: Das Schweizer Sackmesser.
Foto: Keystone
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