Am Ende eines langen, düsteren Jahres überraschte die Zulassungsstelle für Arzneimittel Swissmedic gestern Samstag mit einer frohen Botschaft: Die Impfungen gegen Covid-19 in der Schweiz können beginnen.
Der erste Wirkstoff, hergestellt von Pfizer/Biontech, ist zugelassen. Postwendend twitterte Alain Berset (48, SP): «Das ist eine sehr gute Nachricht!» Die Impfungen sollen zügig beginnen, seien gratis und – so betont der Gesundheitsminister – nicht obligatorisch.
In den nächsten Tagen kommt die erste Tranche von 107'000 Impfdosen ins Land. Sie wird auf die Kantone verteilt. Weil es pro Person zwei Injektionen im Abstand von drei Wochen braucht, reicht die Lieferung für 53 500 Personen. Ab Januar sollen monatlich 250'000 Dosen eintreffen, insgesamt hat der Bund drei Millionen Fläschchen des Vakzins bestellt.
Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) hält fest, dass sich in einem ersten Schritt die Risikogruppen impfen lassen dürfen, also ältere und Menschen mit Vorerkrankungen. Allein sie zählen in der Schweiz rund zwei Millionen. In einer zweiten Phase kommt das Gesundheitspersonal zum Zuge, gesunde Personen sollen spätestens bis Sommer geimpft sein.
Voraussgesetzt, alles läuft nach Plan.
Gewaltiger Aufwand
Doch der logistische Aufwand hinter der landesweiten Immunisierungsaktion ist gewaltig. Es braucht frisches Fachpersonal, das rekrutiert und geschult werden muss. Vorgesehen ist, dass jede einzelne Impfung in einer Datenbank erfasst wird. Auch das ist neu.
Und: Der Impfstoff von Pfizer/Biontech muss bei minus 70 Grad gelagert, für die Feinverteilung umgepackt und dann bei geringer Kühlung in wenigen Tagen verbraucht werden.
Die Hersteller sind ebenfalls gefordert. Millionen von Vakzindosen braucht das Land. Noch sind sie nicht produziert. Das geschieht nicht von heute auf morgen. Bis die reservierten Mengen in den Kühllagern eintreffen, dürften Monate vergehen. Die Hoffnung ruht auf weiteren Zulassungen. Swissmedic-Zulassungschef Claus Bolte(58) liess gestern durchblicken, dass eine zweite Zulassung, zum Beispiel von Moderna, kurz bevorstehe.
Kantone wurden überrumpelt
Die grösste Herausforderung aber wartet auf die Kantone. «Wir wurden von der frühen Zulassung überrascht», sagt Lukas Engelberger(45), Basler Regierungsrat und oberster Gesundheitsdirektor der Schweiz.
Die kantonalen Impfpläne müssten nun beschleunigt werden. Denn vor nicht allzu langer Zeit habe man noch mit einem Start der Impfungen im Frühjahr gerechnet. Zuletzt gingen die Kantone von Mitte Januar aus. Engelberger: «Darauf waren die Zeitpläne auch ausgerichtet.» Es bedeute grosse Anstrengung für alle Beteiligten, «den Kipphebel herumzustellen – in einer Zeit, in der schon alle im roten Bereich arbeiten».
Indessen zeigt eine Umfrage: zumindest die Verantwortlichen in den fünf grössten Deutschschweizer Kantonen sind mehrheitlich optimistisch. Allerdings gibt es Unterschiede in der Planung des Impfmarathons.
In Luzern zum Beispiel sollen bereits am Mittwoch, 23. Dezember, die ersten Altersheim-Bewohner geimpft werden. «Ausgehend von unserer Impf-Homebase in der Messe Luzern werden unsere mobilen Impfteams die Altersheime ansteuern und deren Bewohner impfen», verspricht Gesundheitsdirektor Guido Graf (62) im Interview mit SonntagsBlick.
Um die Bevölkerung generell zu versorgen, sollen Impfzentren eingerichtet werden, das grösste in der Messe Luzern. Hinzu kommt je ein Zentrum in der Region Willisau-Entlebuch, in Sursee/Nottwil sowie in Hochdorf.
«Wann diese Impfzentren öffnen werden, können wir zum jetzigen Zeitpunkt aber noch nicht sagen», so Graf. Das hänge davon ab, wann und in welcher Menge zusätzliche Impfdosen zur Verfügung stünden.
Ab dem 11. Januar geht es in Bern los
Vielversprechend konkret klingen auch die Pläne aus Bern. Ein grosses kantonales Impfzentrum entsteht im MParc in Bern-Wankdorf. «Wir mieten uns bei der Migros-Klubschule ein. Die kantonale Kapazität ist auf 5000 Impfungen pro Tag ausgerichtet, wenn alle Zentren in Vollbetrieb sind», sagt Gundekar Giebel, Sprecher der Gesundheitsdirektion.
Das Zentrum in Wankdorf soll am 11. Januar in Betrieb gehen. Am gleichen Tag öffnen kleinere Impfzentren auch im Inselspital, in Thun, Interlaken und Tavannes. Am 14. Januar folgen dann Burgdorf, am 18. Langenthal und Biel, am 25. Langnau.
Die Rekrutierung des Personals zum Betreiben der Impfzentren sei ebenfalls auf gutem Weg, sagt der Berner Sprecher Gundekar Giebel: «Pro Zentrum braucht es einen Arzt. Der Rest sind Pflegepersonal und Leute in der Administration.» Da gebe es keine Verzögerungen, auch wenn der Kanton auf einer extra eingerichteten Plattform weiterhin unterschiedliche Kräfte suche.
«Engpässe gibt es heute vor allem bei den Leuten, die auf den Intensivstationen arbeiten können. Beim restlichen Personal gibt es noch beschränkte Kapazitäten, und administratives Personal kann man auch ausserhalb der Gesundheitsbranche rekrutieren.»
St. Gallen setzt auf bereits bestehende Strukturen
Der Kanton St. Gallen verzichtet derweil auf grosse Impfzentren in Messe- oder Turnhallen – jedenfalls zu Beginn. In einer ersten Phase, in der lediglich erste Impfstoff-Lieferungen zur Verfügung stehen, sollen diese an wenigen Standorten wie Spitälern und Impfpraxen verabreicht werden. Bewohner und Mitarbeitende von Altersheimen werden vor Ort geimpft.
In einer zweiten Phase sollen grosse Arztpraxen mit Impfdosen versorgt werden. Und wenn zu einem späteren Zeitpunkt deutlich höhere Mengen verfügbar sind, sollen auch Apotheken eine wichtige Rolle übernehmen. Grössere Impfzentren in Messe- oder Turnhallen kommen nur dann zum Einsatz, wenn die regulären Strukturen nicht ausreichen.
«Hybrider» Lösungsansatz im Aargau
Weniger konkret sind die Pläne im Aargau. «Ein genaues Datum für den Impfbeginn steht noch nicht fest», schreibt Gesundheitsdirektor Jean-Pierre Gallati(54). Der Startzeitpunkt sei abhängig von zeitlichen und logistischen Umsetzungsmöglichkeiten.
Der Kanton verfolge aber einen «hybriden» Lösungsansatz. In einer ersten Phase nehme man im Aargau zwei Impfzentren bei den Kantonsspitälern in Betrieb. «Wichtig werden aber vor allem auch die mobilen Einheiten sein, um besonders gefährdete, immobile Personen zu erreichen», so Gallati. Dafür werde die Spitex miteinbezogen.
Sobald der Impfstoff in ausreichender Menge zur Verfügung stehe, weite der Kanton das Impfangebot aus. «In dieser Phase werden dann die niedergelassenen Ärzte und Apotheker ebenfalls mit Impfstoff beliefert.» Auch diese seien in die Projektorganisation eingebunden.
Zürich hält sich bedeckt
Zürich will sich noch nicht in die Karten blicken lassen. Dort heisst es nur: Gesundheitsdirektorin Nathalie Rickli(44) wird am Montag darüber informieren, wie der grösste Kanton der Schweiz seine Bewohner gegen Covid-19 immunisieren will.