Papst Franziskus (86) hat mal wieder kräftig ausgeteilt. Am Freitag erschien in einem spanischen Onlineportal ein Interview mit dem Pontifex. Angehende Priester sollten Fussball spielen und «nicht dogmatisieren», sagte der Argentinier. Denn: «Hinter Traditionalismus stecken moralische Probleme und schwere Laster.»
Diese Worte dürften Wolfgang Haas (74) nicht gefallen. Der Erzbischof von Vaduz (FL) wirkt selbst für einen katholischen Würdenträger wie aus der Zeit gefallen. Er feiert die Messe am liebsten auf Latein, manchmal sogar mit roten Handschuhen und roten Schuhen. Eine «Kirche in der Welt von heute», wie vom Zweiten Vatikanischen Konzil 1965 beschlossen? Fehlanzeige! Das Frauenkloster in Schellenberg (FL) ist Haas’ Trutzburg. Medien meidet er wie der Teufel das Weihwasser. Vom Reform-Papst Franziskus hält er wenig.
Morgen feiert Erzbischof Wolfgang Haas seinen 75. Geburtstag. Laut Kirchenrecht muss er dann dem Papst seinen Rücktritt anbieten. Beobachter gehen davon aus, dass Haas seinen Rücktritt bereits eingereicht hat und der Vatikan morgen um 12 Uhr über das weitere Vorgehen informiert. Vom sofortigen Ruhestand bis zu einer Übergangslösung ist alles möglich.
Zukunft des Erzbistums ungewiss
Der Liechtensteiner Regierungschef Daniel Risch (45) ärgert sich schon länger über Erzbischof Wolfgang Haas. Im Dezember erfuhr Risch aus den Medien, dass Haas wegen der geplanten Ehe für alle das «Heiliggeistamt» abgesagt hat. So heisst die Messe, mit der Vaduz den Politikbetrieb im Landtag eröffnet. «Ich bin besorgt, dass mit diesem Schritt die Spannungen unnötig weiter zunehmen werden», schrieb Risch damals.
Zur Zukunft des Erzbistums Vaduz äussert sich Risch gegenüber dem SonntagsBlick diplomatisch: «Die Regierung hat keine Wünsche anzubringen, da es sich um eine innerkirchliche Angelegenheit handelt.» Allerdings sei es im Interesse der Regierung, auch mit den Religionsgemeinschaften «so konstruktiv und gut wie möglich» zusammenzuarbeiten. Es liege auf der Hand, «dass das aufeinander Zugehen und eine transparente Kommunikation wichtig sind, um Probleme und Konflikte zu lösen».
Haas’ schärfster Kritiker heisst Günther Boss (54). Der Liechtensteiner Theologe war 28 Jahre alt, als er 1997 erfuhr: Wolfgang Haas wird Erzbischof von Vaduz. «Damals war ich Doktorand in Freiburg. Mir ist beim Essen in der Mensa schlecht geworden, als mich die Hiobsbotschaft erreicht hat.»
Schon damals galt Haas als Reizfigur, denn er hatte aus dem Bistum Chur ein Skandalbistum gemacht. Bis 1997 gehörte Liechtenstein zum Bistum Chur. Der Liechtensteiner Haas verstand sich als Teil eines konservativen Rollback unter Papst Johannes Paul II. (1920–2005): mehr harte Linie, weniger Zeitgeist. Als Wolfgang Haas 1988 Weihbischof wurde, legten sich Menschen aus Protest vor die Churer Kathedrale.
In den 90er-Jahren spitzte sich der Konflikt im Bistum Chur zu. Am Ende intervenierte Bundesrat Flavio Cotti (1939–2020) persönlich in Rom. Um die Causa Haas zu lösen, schuf der Vatikan eigens das Erzbistum Vaduz. «Rom hat ein Problem in der Schweiz gelöst – und wir in Liechtenstein mussten es ausbaden», kritisiert Boss. «Früher war die Kirche in Liechtenstein offen und liberal wie in der Schweiz. Frauen konnten predigen. Doch mit Erzbischof Haas war damit Schluss.»
Priesterweihen am Laufband
1998 gründete Günther Boss den «Verein für eine offene Kirche», eine Art Fundamentalopposition zu Erzbischof Wolfgang Haas und dem «Gott, Fürst und Vaterland»-Mief. «Wir hoffen, dass Papst Franziskus uns nun einen Brückenbauer als Bischof bringt.» Wobei Boss warnt: «Auf Haas’ Nachfolger wartet ein Erzbistum voller Probleme. Der Erzbischof hat überproportional viele Priester geweiht – viel mehr, als Liechtenstein bräuchte.» Die meisten hätten keinen Bezug zum Ländle.
Einer der Problempriester stammt aus Deutschland. Der Bischof von Limburg (D) hatte sich geweigert, ihn zu weihen. In Wolfgang Haas fand der Theologe hingegen einen willigen Oberhirten, der ihn zum Pfarrer von Ruggell (FL) ernannte. 2019 warf ihm eine Ministrantin vor, sie im Brustbereich massiert zu haben. Die Polizei fand bei dem Pfarrer eine Ausgabe von Hitlers «Mein Kampf» und Hinweise auf Kinderpornos. Der Pfarrer wies die Vorwürfe zurück. Das Gericht sprach ihn im März 2023 vom Vorwurf frei, Kinderpornos konsumiert zu haben. Das Verfahren wegen der mutmasslichen Brustmassage ist jedoch noch hängig. «Trotz Warnungen hat Wolfgang Haas problematische Figuren zu Priestern geweiht. Auch damit muss sich Haas’ Nachfolger auseinandersetzen», sagt Boss.
Zum 75. Geburtstag wünscht Boss seinem bischöflichen Widersacher alles Gute: «In der persönlichen Begegnung kann Wolfgang Haas sehr herzlich sein. Aber wenn es um die Kirche geht, hört für ihn der Spass auf – und der Fundamentalismus beginnt.»