Der Papst hat einen Stellvertreter in Bern: einen Botschafter mit Diplomaten-Pass, der Nuntius heisst. Er ist Sprecher des diplomatischen Corps und tritt als solcher regelmässig im Bundeshaus auf.
In der Regel sind Papst-Botschafter katholische Erzbischöfe, die die Schweiz nicht gut kennen. Sie haben mit Schweizer Freiheiten Mühe – etwa, wenn Frauen predigen.
Karl-Josef Rauber (†88) war anders. Der Erzbischof stammte aus Deutschland und hatte grosse Sympathien für die Schweiz. Papst Johannes Paul II. machte ihn 1993 zum Botschafter in Bern, um den Streit im Bistum Chur zu lösen. Die Gläubigen wehrten sich damals gegen den reaktionären Bischof Wolfgang Haas. Rom hatte ihn gegen den Willen der Schweizerinnen und Schweizer durchgedrückt. Vor Wolfgang Haas’ Bischofsweihe legten sich die Menschen in Chur auf die Strasse, um den Zugang zur Kathedrale zu blockieren.
Nach Liechtenstein weggelobt
2021 traf SonntagsBlick Kardinal Rauber in Süddeutschland. Unter der Bedingung, dass von dem Gespräch erst posthum berichtet werde, plauderte der Kardinal aus dem Nähkästchen: «Papst Johannes Paul II. und sein Staatssekretär Angelo Sodano haben sich von Haas blenden lassen. Sie sahen in ihm einen tieffrommen Mann.» Und dann lüftet Karl-Josef Rauber das Geheimnis, das Wolfgang Haas am Ende zu Fall brachte: Interventionen von Chiara Lubich (1920–2008).
Die italienische Katholikin hat die Fokolarbewegung gegründet – eine fromme Gruppe, die bei Papst Johannes Paul II. einen Stein im Brett hatte. Chiara Lubich war öfter im Kloster Einsiedeln zu Gast, wo auch Karl-Josef Rauber häufig war. «Sie hat dem Papst von den Schwierigkeiten im Bistum Chur berichtet. Der Papst hat auf Chiara Lubich gehört, nicht auf mich», sagte Karl-Josef Rauber.
1997 wurde Wolfgang Haas nach Liechtenstein weggelobt, wo eigens für ihn das Erzbistum Vaduz gegründet wurde. Für Chur war die Causa Wolfgang Haas erledigt – Liechtenstein leidet noch heute unter der damaligen Entscheidung. Aber nicht mehr lange: Am 7. August wird Erzbischof Wolfgang Haas 75 Jahre alt und muss dann dem Papst seinen Rücktritt anbieten.
All das wird Karl-Josef Rauber nicht mehr erleben. Er ist letzten Sonntag im Alter von 88 Jahren in Süddeutschland gestorben. Am Freitag wurde er in Rom beigesetzt.