Sie kann bis zu neun Meter weit sehen und jagt ihre Beute aktiv: die tropische Riesenzecke (Hyalomma marginatum). Was wie aus einem Horrorfilm klingt, ist auch in Europa Realität. Immer mehr Exemplare werden in Österreich gesichtet, berichteten österreichische Medien vergangene Woche.
Der Unterschied zu einer hier beheimateten Zecke: Die Hyalomma wartet nicht ab, bis der Wirt kommt – und kann mit Schritttempo mithalten. Sie läuft also schneller als unsere «faulen» Zecken. «Ein absoluter Topsprinter», wie Werner Tischhauser, Vizepräsident der Schweizer Zeckenliga, auf Blick-Anfrage sagt. «Ihre Augen sind zudem viel weiter entwickelt als die der einheimischen Zecken.»
Hyalomma bedeutet übersetzt Glasauge. Der Experte beschreibt die Augen als «richtiges Organ – kein Zellhaufen wie bei anderen Zecken, die nur zwischen hell und dunkel unterscheiden können.» Die Riesenzecke ist zudem bis zu dreimal grösser. Charakteristisch sind ihre gestreiften Beine. Der Parasit kann gefährliche Tropen-Krankheiten wie etwa das Krim-Kongo-Fieber übertragen.
Ausbreitung wird in der Schweiz nicht überwacht
Auch in der Schweiz gibt es seit Jahren Sichtungen. Die exotische Hyalomma-Zecke wird gemäss Tischhauser mit Zugvögeln von Afrika nach Europa «importiert». Überwacht wird die Ausbreitung hierzulande hingegen nicht. «Es findet statt, aber es interessiert hier schlicht niemanden», kritisiert er.
Werner Tischhauser engagiert sich in der Zecken-Prävention. «Wenn man es mit dieser Brille anschaut, müsste man sich einen Überblick verschaffen.» Aktuell handle es sich um Zufallstreffer, wenn in der Natur eine Riesen-Zecke gefunden wird. Es gab laut Experten zwar Anträge beim Schweizerischen Nationalfonds, um Zeckenforschung zu finanzieren. «Aber die hatten keine Chance gegen Biotech, wo Profit rausschaut.»
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Die Riesenzecke suche ihren Wirt selektiv aus. Sie bevorzuge grosse Tiere. «Meines Wissens wurden die Exoten häufig auf Pferden beim Schweif entdeckt», so Tischhauser. «Ein mögliches Monitoring könnte sein, dass Pferdebesitzer nach gestreiften Beinen Ausschau halten, die Parasiten in eine Dose packen und dem Tierarzt zeigen. Im Idealfall würden die Befunde einer übergeordneten Stelle gemeldet.»
Milde Winter verstärken Ausbreitung
In Spanien kam es am 1. Mai zu einem Todesfall. Ein älterer Mann starb am Krim-Kongo-Fieber infolge eines Hyalomma-Stiches. In Mitteleuropa ist Tischhauser aber kein Fall bekannt, bei dem ein Mensch von einer Riesenzecke gestochen wurde. Bis jetzt. Mit dem Klimawandel dürfte sich die Zecke weiter ausbreiten. Je milder die Winter, desto besser können die Parasiten überleben.
Tischhauser sagt: «Kurzfristig besteht noch kein Grund zur Sorge.» Bisher ist in der Schweiz gemäss Bundesamt für Gesundheit (BAG) niemand mit dem Krim-Kongo-Virus infiziert worden. Der Experte spricht aktuell noch von einer «absoluten Randerscheinung». Aber: Mittelfristig könne die Riesenzecke zu einem Problem werden. «Mit zeitlicher Verzögerung wird es zutage treten und wir sahen es nicht kommen.» Auf der Welt gebe es viele «üble» Zeckenarten, die uns bisher nicht betreffen. «Von der Hyalomma nimmt man am meisten an, dass sie lästig und gefährlich wird. Das wird uns in nicht allzu langer Zeit ernsthaft beschäftigen.»
Tischhauser betont aber auch die Gefahr der hiesigen Zecken. Bis Ende April wurden bereits 46 FSME-Infektionen gemeldet. Die Fallzahlen liegen gemäss Experten 2 bis 3,5 mal höher als in den beiden Vorjahren. «Seit über 40 Jahren gibt es die Impfung, aber nur ein Drittel der Bevölkerung ist geimpft!» Das bereite ihm aktuell mehr Sorgen als die Riesenzecke.