Die Schweiz hat ihre Freiheit wieder. So gut wie alle Massnahmen wurden aufgehoben. Seit Donnerstag ist die Zertifikatspflicht Geschichte. Auch die Maskenpflicht entfällt zum grossen Teil.
Nach zwei Jahren Pandemie ist die Freude bei vielen gross. Doch ausgerechnet die Corona-Skeptiker, die immer wieder gegen die Maske wetterten, sich immer wieder beschwerten, sind weiterhin sauer.
Aber warum eigentlich? Sie müssten doch jetzt am lautesten jubeln. Tun sie aber nicht. Im Gegenteil: Sie gehen erneut auf die Strasse. Heute findet die nächste Demo statt. «Samstag sehen wir uns in Zürich-Oerlikon», hiess es beispielsweise im Telegram-Chat der Freiheitstrychler. Auch das Aktionsbündnis Urkantone mobilisierte in einer Mitteilung für die bewilligte Demonstration am kommenden Samstag in Zürich-Oerlikon.
Rechtsextreme festgenommen
Die Teilnehmenden der bewilligten Demonstration unter dem Titel «Für eine vernünftige Corona-Politik» versammelten sich am Samstag gegen 13.30 Uhr auf dem Marktplatz in Oerlikon. Um 14.00 Uhr setzte sich der Umzug in Bewegung und zog durch den Kreis 11. Rund eine Stunde später kamen die Demonstranten wieder am Ausgangspunkt an. Bei den Reden am Ende der Demonstration fordern die Massnahmengegner unter anderem eine Generalamnestie für Corona-Verstösse – die Forderungen werden mit «Liberté»-Rufen quittiert.
Zu Zwischenfällen kam es nicht. Aber: Vor Beginn der Demonstration wurden drei Personen aus der rechtsextremen Szene zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit vorübergehend in Polizeigewahrsam genommen.
Hunderte Demonstranten vor Ort
Vor Ort waren auch die Trychler, die mit ihren Glocken für Stimmung sorgten. Massvoll-Präsident Nicolas Rimoldi war ebenfalls mit dabei. Die Stimmung war gelöst und locker, auch das Wetter spielte mit. Ein Blick-Reporter der vor Ort war, schätzte die Anzahl Demonstranten auf rund 1500.
Die Polizei war mit einem Grossaufgebot in Oerlikon vor Ort. Rund 20 Kastenwägen wurden gezählt. Im Strassenverkehr und auf mehreren Linien der Zürcher Verkehrsbetriebe kam es zu Behinderungen. Die Polizei empfahl deshalb, die Region Zürich Nord grossräumig zu umfahren.
Angst vor Rückkehr der Massnahmen
Aber warum versammelten sich die Leute? Was ist genau das Problem der Corona-Skeptiker? Ein Blick in die Telegram-Channels zeigt: Das Vertrauen der Skeptiker in die Regierung scheint tief erschüttert. «Auch wenn der Bundesrat Lockerungen beschlossen habe, werden diese von kurzfristiger Natur sein», heisst es im Channel «Mass-Voll».
Deren Anführer Nicolas Rimoldi schrieb dazu: «Es wäre ein Fehler, den Menschen zu vertrauen, die uns zwei Jahre lang angelogen haben.» Gerade jetzt dürfe der Widerstand nicht aufhören. Und so lautet der Appell an die Mitglieder: Weitermachen. Denn: «Niemand garantiert uns, dass die menschenverachtenden Zwangsmassnahmen nicht zurückkehren.»
«Nie wieder eine Gesundheitsdiktatur»
Auch im Channel «Freiheitstrychler» hält sich die Dankbarkeit für die Lockerungen in Grenzen. «Danke? Wofür? Für 2 Jahre Nötigung, Diskriminierung, Freiheitsberaubung, Lug und Trug? Nicht mir mit!».
Die Skeptiker fürchten nicht nur, dass die nächste Pandemie «aus dem Hut gezaubert wird.» Sie fordern auch, dass die letzten zwei Jahre untersucht werden. Denn: «Es darf nie wieder eine Gesundheitsdiktatur geben.» Aus diesem Grund sollen die «Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden».
Wut und der Frust der Skeptiker nach wie vor gross
Unter den Skeptikern gibt es aber auch einige, die nicht ganz nachvollziehen können, warum man jetzt noch auf die Strasse gehen sollte. In einem Channel wird unter der Ankündigung der Corona-Demo am Samstag die Frage gestellt: «Hä, für was noch immer demonstrieren?» In einem anderen Post schreibt jemand, dass man doch jetzt die Freiheit geniessen solle.
Solche Gedanken werden in den Channels aber schnell abgekanzelt. Die Skeptiker wittern schon die nächste Verschwörung, gleichzeitig fordern sie eine lückenlose Aufklärung der Corona-Zeit. Die Wut und der Frust der Skeptiker sind also nach wie vor gross. Zufrieden geben will sich der harte Kern wohl nicht. Die Skeptiker-Demos sind also noch nicht Geschichte – anders als die meisten Corona-Massnahmen. (jmh/vof/bra)