Auf einen Blick
- Samichlaus-Mangel in Schweizer Städten: Nachfrage übersteigt Angebot
- Nachwuchsprobleme und Überalterung bei St.-Nikolaus-Gesellschaften
- Zürcher St.-Nikolaus-Gesellschaft hat 10 Chläuse weniger als vor 10 Jahren
Väter und Mütter, die in der Stadt Zürich jetzt noch einen Samichlaus engagieren wollen, haben ein Problem: «Samichlaus und Schmutzli sind für den 5., 6., 7. und 8. Dezember vollständig ausgebucht», heisst es auf der Homepage der St.-Nikolaus-Gesellschaft. Mit etwas Glück könne man vielleicht noch einen der wenigen freien Termine an anderen Tagen bekommen. «Rufen Sie während der Bürozeiten an – wir wünschen eine frohe Adventszeit.»
Irgendetwas läuft hier also gehörig schief: Während in Kaufhaus-Schaufenstern gerade massenhaft Weihnachtsmänner auftauchen, muss man immer lauter in den Wald rufen, um einen lebendigen Samichlaus aufzutreiben. Fast scheint es, als ob sich nicht die Kinder – wie im berühmten «Versli» – hinter dem Ofen verstecken, sondern die Chläuse.
Zehn Bärte weniger
Phil Rellstab, Presseverantwortlicher der Zürcher St.-Nikolaus-Gesellschaft, spricht auf Nachfrage von Blick von «gravierenden» Zuständen. Man habe ein Nachwuchsproblem, leide an Überalterung.
In diesem Jahr wird die Gesellschaft mit rund 30 Chläusen in Zürich unterwegs sein. Das sind zehn Bärtige weniger als 2014. Im gleichen Jahrzehnt wuchs die Stadtbevölkerung um knapp 50'000 Bürgerinnen und Bürger. Klar, dass das nicht aufgehen kann: Mit einem Eintrag auf der Warteliste bringt man Kinderaugen nicht zum Leuchten.
Ein ähnlich dramatisches Bild zeigt sich in Bern. Bei der dortigen Samichlous-Zunft muss man ein Jahr im Voraus buchen, um für den 6. Dezember einen Samichlaus ergattern zu können.
Die Saison dauert in der Bundesstadt 14 Tage. In dieser Zeit sind 15 Chlaus-Schmutzli-Teams unterwegs und richten rund 400 Besuche aus. Für alle, die nicht auf den Samichlaustag festgelegt sind, gibt es laut Berner «Medienchlous» noch freie Slots, so etwa am 9. oder am 10. Dezember.
Dank der Kooperation mit einem Jobportal im letzten Jahr konnte man für diesen Advent in Bern fünf Praktikanten anheuern, die nun als Schmutzli erste Erfahrungen sammeln werden. Er sei gespannt, so der «Medienchlous», wer von ihnen im nächsten Jahr sogar den roten Mantel tragen werde.
Nicht jeder sei zum Samichlaus geboren. Man müsse einen guten Draht zu Kindern haben, Gelassenheit und Präsenz ausstrahlen. «Zappelige, hyperaktive Typen kommen nicht richtig rüber.» Man nehme das Metier sehr ernst, veranstalte etwa Kurse, in denen man lerne, wie man bei Besuchen in Altersheimen mit Menschen interagiere, die an Demenz leiden würden. «Wir Samichläuse verkleiden uns nicht, wir ziehen uns an!»
Agglo-Chläuse sind flexibler
Der Mangel an Chläusen ist ein gesamtschweizerisches Phänomen. Bei der Chlauszunft Aarau-West heisst es ebenfalls: «Aufgrund der hohen Anmeldungszahl ist der 6. Dezember bereits ausgebucht.» Und auch vom Basler Santiglaus Bruder Klaus ist für den 6. Dezember nur zu hören: «Ausgebucht.»
Einen Überblick übers Chlaus-Wesen hat Martin Kempf, Betreiber der Website chlaus.ch. Dort finden sich um die 620 Einträge von Vereinen, Gesellschaften und Privaten, die ihre Dienste als Samichlaus anbieten. «Die grossen Städte haben inzwischen alle Anmeldeschlüsse», teilt Kempf mit. Da sei bereits gegen Ende November fast nichts mehr zu holen. Kleinere Gruppen in der Agglomeration seien oft flexibler. Bloss bringe es wenig, so Kempf, als Stadtzürcher einen Zuger Chlaus zu ordern. Die Bräuche und das Erscheinungsbild des Samichlaus unterscheiden sich vielfach von Gemeinde zu Gemeinde. Der Zuger komme als Bischof daher, der Zürcher als Weihnachtsmann.
Könnten interessierte Samichläusinnen den Fachkräftemangel abfedern? Sowohl in Zürich als auch in Bern winkt man ab. «Unsere St.-Nikolaus-Gesellschaft ist noch nicht so weit, dass sie Frauen laufen lässt», sagt der Pressemann Phil Rellstab. Ohne Frauen ginge es trotzdem nicht. Rund 40 Prozent der 215 Mitglieder sind weiblich. Sie ziehen im Hintergrund die Fäden, sind für die Küche verantwortlich, fürs Material, das Büro. Und auch als «Eseli» kommen Frauen zum Einsatz – als Fahrerinnen für Samichlaus und Schmutzli.
Begehrtes Angebot
Gleich tönt es in Bern. «Die Frauen sind bei uns im Hintergrund tätig», sagt der Medienchlous. «Sie helfen uns beim Anziehen und verköstigen uns.» Es seien moderne Frauen, bekräftigt der Medienchlous, die sich sagen: «Ich muss nicht Samichlaus sein.» Bei den Besuchen vermittle man dann weniger starre Rollenbilder. «Kindern gegenüber treten wir liberal auf, wir nehmen alle so, wie sie sind.»
Dass die Nachfrage das Angebot übersteigt, bestätigt auch Karin Diefenbacher, Präsidentin der Zürcher St.-Nikolaus-Gesellschaft: «Der Samichlaus ist nach wie vor sehr begehrt.» Man habe nun wieder Zahlen wie vor der Corona-Zeit; es beeindrucke sie, wie stark diese Tradition in den Familien verankert sei.
«Der Samichlaus entschleunigt, er bringt Wärme in die Stube», sagt Diefenbacher. Den aktuellen Fachkräftemangel führt sie auf die Pandemie zurück. In diesen Jahren konnte man keine neuen Schmutzlis rekrutieren oder zu Samichläusen befördern – dieses Personal fehle nun. Fürs nächste Jahr plant die St.-Nikolaus-Gesellschaft jetzt eine Grossoffensive. Botschaft: «Wir benötigen mehr Schmutzlis!»