China schafft die Freiheit in Hongkong ab. Schritt für Schritt demontiert Peking die Autonomie der Sonderverwaltungszone. Erst wurden die Massenproteste der Bevölkerung mit Gewalt niedergeschlagen, nun festigt China seinen Einfluss mit neuen Gesetzen. Repression statt Demokratie.
SonntagsBlick-Recherchen zeigen: Just in dieser heiklen Phase wollte der Schweizer Rüstungskonzern Ruag die Polizei von Hongkong aufrüsten. Jene Beamten also, die über Monate brutal gegen junge Demokratie-Aktivisten vorgegangen sind – und dabei auch scharf geschossen haben. Demonstrantinnen und Menschenrechtler warfen ihnen wiederholt vor, das Leben der Protestteilnehmer zu gefährden.
Lieferung könne regionalen Frieden gefährden
Trotz allem wollte die Ruag im vergangenen Jahr Munition an die dortigen Ordnungskräfte liefern. Konkret ging es um den Export von Patronen des Kalibers 338. Munition, die vor allem in militärischen Scharfschützengewehren zum Einsatz kommt.
Doch der Bund stoppte den Deal. Im Mai 2020 entschied eine Kontrollgruppe mit Vertretern mehrerer Departemente, dass ein zu grosses Risiko bestehe, dass die Munition gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt werden könnte und dass die Lieferung den Frieden und die regionale Stabilität gefährde.
Der bundeseigene Rüstungskonzern Ruag und das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) bestätigen das Verbot. «Ruag International hatte Ende 2019 beim Seco einen Ausfuhrantrag für eine kleinere Lieferung nach Hongkong eingereicht», sagt Ruag-Sprecher Clemens Gähwiler. Das Gesuch sei im Frühling 2020 «aufgrund der Einschätzung der regionalen Situation» abgelehnt worden.
GSoA fordert Lieferverbot
Das war nicht immer so. Die Schweiz rüstete die Polizei von Hongkong über Jahre auf – mit dem Segen des Bundes. Zwischen 2012 und 2018 bewilligte das Seco Materiallieferungen im Wert von knapp 200 000 Franken. Exportiert wurden Gewehre, Munition und Nachtsichtgeräte, ein Grossteil davon in den Jahren 2012 bis 2014.
Die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) fordert seit längerem ein Lieferverbot für Militär- und Polizeimaterial an Hongkong. Die Lage in der chinesischen Wirtschaftsmetropole sei ein Musterbeispiel dafür, dass der Export von Repressionsgütern grundsätzlich problematisch sei. Der Konflikt zeige auf, wie schnell sich die Situation in einem Land verändern könne.
Hat der Bund nun also auf die Repression in Hongkong reagiert und einen generellen Ausfuhrstopp für Kriegsmaterial erlassen? Das Seco verneint. Man prüfe Exportgesuche weiterhin in jedem einzelnen Fall, so Sprecherin Antje Baertschi.
Rüstungsgüter im Wert von mehr als 901 Millionen Franken geliefert
Welchen Umfang die verhinderte Munitionslieferung gehabt hätte, wollen weder das Seco noch die Ruag verraten. Klar ist aber: 2020 war für die Schweizer Rüstungsindustrie ein Rekordjahr. Nie zuvor exportierten hiesige Waffenfirmen so viel Kriegsmaterial.
Mit Bewilligung des Bundes wurden Rüstungsgüter im Wert von mehr als 901 Millionen Franken in 62 Länder geliefert – 24 Prozent mehr als 2019.
Die drei Hauptabnehmer waren Dänemark, Deutschland und Indonesien. Waffen gingen aber auch an Krieg führende Staaten wie die Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrain, Kuwait oder Saudi-Arabien. Sie alle mischen im Jemenkrieg mit.
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