Die Stimmen der Corona-Skeptiker werden immer lauter. Selbst den ehemaligen BAG-Mann Daniel Koch haben sie am Montagabend bei einem Anlass angepöbelt.
Doch woher kommt diese Wut? «Der Widerstand richtet sich hauptsächlich gegen die Corona-Massnahmen, nicht gegen die Existenz des Virus selber», sagt August Flammer (82), emeritierter Psychologie-Professor der Uni Bern, zu BLICK.
«Die meisten haben Corona nicht erlebt»
Corona und die Massnahmen seien eine grosse Störung in unserem Leben, so Flammer. «Die meisten von uns kennen niemanden, der an Corona erkrankt ist, aber alle haben die Massnahmen am eigenen Leib erlebt.» Deshalb lehne man sich gegen die Regeln und die Leute auf, die sie beschlossen hätten.
Was geht in diesen Menschen vor, die keine andere Meinung mehr zulassen? «Wenn jemand gestört, frustriert wird, kommt eine Reaktion, die bis zur Aggression reicht», sagt Flammer. Dabei kann es auch sein, dass man sich in der eigenen Überzeugung festfährt: «Wenn ich lange genug für eine Meinung kämpfe, dann kann ich nicht mehr davon abrücken.»
«Koch ist ‹schuld› daran»
Diese Frustration verleite dazu, dass man den Fehler dann bei anderen suche. «Daniel Koch ist ein Repräsentant für diese Menschen – der ihnen Leid antut, der sie einschränkt», so Flammer. «Sie konnten nicht in Stadien gehen, sie konnten nicht an Konzerte oder ins Theater. Koch wird also zu einer Art Sinnbild ihres Leidens. Er ist ‹schuld› daran.»
Bei den Corona-Skeptikern handle es sich um eine heterogene Gruppe. «Beispielsweise Leute, die sich benachteiligt fühlen, mit Behörden Probleme haben. Andere, die sich hervortun möchten. Einige wollen Mut zeigen, indem sie protestieren und keine Maske tragen.»
In einem Punkt gibt August Flammer den Skeptikern aber recht: «Wir wissen nicht, was ohne diese Massnahmen passieren würde. Dafür haben wir den Beweis nicht, weil wir diese Erfahrung nicht gemacht haben.» Deshalb falle es manchen besonders leicht, den Standpunkt von Wissenschaftlern und Medizinern anzuzweifeln. (szm)
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