Erika M. kommt beim Gerichtsgebäude an
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Am Montagmorgen:Erika M. kommt beim Gerichtsgebäude an

Prozess um ermordete Lisa (†8)
Mutter Erika M. zu 18 Jahren Haft verurteilt

Im Fall der getöteten Lisa (†8) im Könizbergwald fand am Montag die Berufungsverhandlung in Bern statt. Die Mutter, Erika M., kämpfte gegen ihre lebenslange Haftstrafe, verstrickte sich aber in Ungereimtheiten. Nun hat das Obergericht sie des Mordes schuldig gesprochen.
Publiziert: 16.03.2025 um 19:27 Uhr
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Aktualisiert: 24.03.2025 um 18:13 Uhr
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Am Montag steht Erika M. erneut vor Gericht. Die erste Instanz verurteilte sie wegen Mordes an ihrer Tochter Lisa (†8). Hier wird die Mutter am Montagmorgen ins Gerichtsgebäude geführt.

Darum gehts

  • Mutter von Lisa M. vor dem Obergericht schuldig gesprochen
  • Erika M. beteuerte Unschuld, doch Richter glaubten ihr nicht
  • Sie hatte sich zuvor in Ungereimtheiten verstrickt
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Beat MichelReporter
24.03.2025, 18:27 Uhr

«Prüfen, ob wir das Urteil ans Bundesgericht weiterziehen»

Die Staatsanwältin erklärt, dass auch das Obergericht die Angeklagte wegen Mordes verurteilt habe und das Urteil vor diesem Hintergrund ein Erfolg sei. Zwar liegt das Strafmass unter dem der Vorinstanz. «Die Kammer hat das Urteil aber nachvollziehbar begründet», so die Staatsanwältin weiter. «In dem Sinne werden wir die schriftlichen Urteilserwägungen abwarten und prüfen, ob wir das Urteil allenfalls ans Bundesgericht weiterziehen.»

«Prüfen, ob wir es ans Bundesgericht weiterziehen»
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Staatsanwältin zum Urteil:«Prüfen, ob wir es ans Bundesgericht weiterziehen»
24.03.2025, 18:11 Uhr

Verteidiger will in Berufung gehen

Der Verteidiger von Erika M. erklärt nach dem Urteil: «Von einem Teilerfolg kann man nicht reden.» Er spricht von einem grossen Unterschied zwischen seinem Antrag und dem Urteil. «Den Schuldspruch können wir so nicht akzeptieren.» Man werde das Urteil weiterziehen. Das heisst, dass der Fall vor dem Bundesgericht landen wird.

«Man hat versucht, ein Motiv zu konstruieren»
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Verteidiger zum Urteil:«Man hat versucht, ein Motiv zu konstruieren»
24.03.2025, 17:34 Uhr

Planung und Motiv unklar

«Tat ist besonders skrupellos, darum ist Mord das angemessene Urteil. Das bedeutet eine Freiheitsstrafe von 18 Jahren», sagt der Richter. «Es konnte nicht geklärt werden, warum sie die Tochter umgebracht hatte, und die Planung konnte nicht bewiesen werden, darum lautet das Urteil nicht lebenslänglich», begründet der Richter. Danach ist die Urteilsverkündung zu Ende.

24.03.2025, 17:26 Uhr

Missbrauchtes Vertrauen

«Wir sehen es als erstellt, dass Mutter und Tochter 1645 Uhr das Haus gemeinsam verliessen. Die Äusserungen und das Verhalten kurz nach der Tat lassen auf eine Täterschaft schliessen. Die breiten Ermittlungen liessen nicht auf eine Dritttäterschaft schiessen», sagt der Richter. Und weiter: «Beweggründe oder Motiv, die die Tat nachvollziehbar machen, fehlen. Auch die Planung der Tat konnte man nicht nachvollziehen. So postete die Beschuldigte am 24. Februar Fotos der Tochter im Waldversteck. Und sie streichelte auf dem Weg in den Wald den Hund des Augenzeugen. Darum muss irgendetwas spontan sie zur Tötung verleitet haben», sagt der Richter. «Eine Planung lässt sich nicht erhärten.» Die Skrupellosigkeit aber sei gegeben. Auch die Heimtücke. «Die Tochter konnte nicht ahnen, dass sie von ihrer Mutter getötet würde. Sie war ahnungslos. Sie hat das Vertrauen skrupellos missbraucht.» Zudem habe sie ihre Mutter einem traumatischen Erlebnis ausgesetzt, indem sie sie an den Tatort führte. 

24.03.2025, 17:14 Uhr

Keine Beweise für Dritttäter

Der Oberrichter weist darauf hin, dass die Polizei aufwändige Abklärungen zu allfälligen Dritttätern geführt hatte. Es konnte kein Verdacht erhärtet werden. Der eine Ex versuchte am Tag nach der Tat einen Brief abzugeben. Sein Verhalten kann aber nicht auf eine Täterschaft hinweisen», sagt der Richter. Er begründet: «Seine Gefühle richteten sich höchstens gegen die Beschuldigte, und nicht gegen ihre Tochter.» Der Oberrichter fasst zusammen: «Es gibt keine konkreten Hinweise auf Dritttäter.»

24.03.2025, 17:03 Uhr

Ex-Freund

Die Beschuldigte habe mehrmals angegeben, dass sie das Kind als Trennungsgrund von einem Partner empfindet, so der Oberrichter. « Sie litt aber an keiner schweren psychischen Störung, nur an einer akzentuierten Persönlichkeit. Ihre Lebenssituation, mit der Trennung von ihrem Partner, die sie auf die Belastung durch das Kind zurückführte, veranlasste sie schliesslich zu der Tat», sagt der Richter.

24.03.2025, 16:56 Uhr

Wechselnde Aussagen

«Sie sagte aus, sie habe das Mobiltelefon immer dabei gehabt. Das kann eine taktische Angabe sein», sagt der Oberrichter. Und weiter: «Sie sprach zuerst von täglichen Besuchen beim Versteck, später von ein bis zwei Besuchen. Das ist ein auffälliger Unterschied in den Aussagen.»

24.03.2025, 16:49 Uhr

Verdächtiges Verhalten beim Auffinden des Opfers

«Sie berührte nur die Kapuze. Danach fühlte sie den Puls auf Aufforderung der Rettungsdienste am Telefon. Gleichzeitig hatte sie weder Blut noch Schmutz an den Händen, als die Polizei vor Ort kam. Sie nahm ihr Kind weder in die Arme, noch drehte sie die Tochter um. Die Erklärung warum, lässt aufhorchen», sagt der Richter. «Allenfalls wurde das Blut abgewaschen.», sagt der Richter. Das sei ein Indiz, das auf eine Täterschaft hinweise.

24.03.2025, 16:41 Uhr

Alibi funktioniert nicht

«Es wurde ununterbrochen Musik vom Handy über Spotify abgespielt. Das Mobiltelefon wurde aber länger nicht bedient. Das entspricht aber nicht dem üblichen Verhalten der Beschuldigten», sagt der Oberrichter. «Die Daten erlauben kein Alibi, die Musik spielt auch, wenn niemand anwesend ist.» Gleichzeitig passe die Zeit auf die Beobachtung des Augenzeugen, dass die Beschuldigte mit dem Opfer in den Wald gegangen ist.»

24.03.2025, 16:34 Uhr

Oberflächlichkeit der Angaben

«Die Angaben zum Stein werten wir als Schutzbehauptungen», sagt der Oberrichter. «Wie die Spuren auf den Stein kamen, hat die Beschuldigte in verschiedenen Varianten geschildert», sagt der Richter. «Die Oberflächlichkeit der Angaben deutet darauf hin, dass es erfundene Geschichten sind.» 

Dann spricht der Richter über den 12-jährigen Augenzeugen, der die Mutter mit Tochter am Abend auf dem Weg in den Wald gesehen hatte. «Seine Erzählungen stimmen mit den Handydaten überein. Er erzählte spontan und konsistent. Er wurde dreimal befragt, sämtliche Erzählungen stimmten überein, nur kleine nebensächliche Details wichen ab. Es gibt eine eindeutige Konstanz in den Erzählungen», sagt der Oberrichter. 

Der Mord an der achtjährigen Lisa* M. im Könizbergwald bei Niederwangen BE im Februar 2022 versetzte eine ganze Region in einen Schockzustand. Jetzt, drei Jahre später, kam das schreckliche Delikt gestern erneut vor Gericht.

Die Mutter Erika M.* (33) akzeptiert das Urteil zu lebenslanger Haft nicht. Sie will vor dem Obergericht Bern einen Freispruch erreichen. Sie beteuert weiter ihre Unschuld. Die Staatsanwältin, die für die zweite Instanz die Anklage vertritt, zückte den juristischen Zweihänder. Ihre Vorwürfe sind noch deutlich heftiger, als die der Vorinstanz.

Ungereimtheiten kamen ans Licht

Die schreckliche Tat geschah am Dienstag, dem 1. Februar 2022. Lisa starb bei einem selbstgebastelten Baumhaus unweit ihres Wohnorts. Die Polizei fand das Kind mit schwersten Kopfverletzungen. Sanitäter versuchten sie zu reanimieren, doch sie hatten keine Chance. Am nächsten Tag wurde die Mutter Erika M. verhaftet. Seither befindet sie sich hinter Gittern.

Vor dem Dreiergremium von zwei Oberrichterinnen und einem Oberrichter wirkte die Beschuldigte abgeklärt und konzentriert. Doch bei der Befragung kamen bald Ungereimtheiten ans Licht.

Der vorsitzende Richter quetschte die Beschuldigte knallhart zu der Baumhütte aus, wo Lisa ermordet worden war. Sie sei höchstens zweimal mit der Tochter dort gewesen. Einmal, als sie das Hüttli aus ein paar Ästen gebaut hatten, und einmal, als sie das Mädchen mit einem Stein umgebracht haben soll. Die Beschuldigte beharrte darauf, zusammen mit der Tochter die selbstgebaute Hütte immer und immer wieder besucht zu haben.

Als der Richter sie anhand von Handydaten und Zeugenaussagen der Lüge überführt hatte, brachte sie eine neue Erklärung: «Ich hatte wohl vor, öfter zu gehen», sagte sie unsicher. Der Richter machte sie darauf aufmerksam, dass diese Aussage deutlich von ihren Vernehmungsprotokollen abweicht.

Verteidiger forderte Freispruch und sofortige Freilassung

Die Staatsanwältin legte im Plädoyer dar, dass die Planung der Tat vermutlich schon früher geschehen sei, als die Vorinstanz das angeführt hatte. Sie spricht über die Aussage eines Zeugen, dem sich Lisa wenige Tage vor dem Tod anvertraut hatte.«Die Tochter fühlte, dass sie für die Mutter ein Hindernis war. Die Aussagen deuten auf eine plötzliche Verhaltensänderung bereits vor dem ersten Februar hin», sagte die Anklägerin. «Sie sagte der Lehrerin, dass etwas Schlimmes passiert sei. Vermutlich hatte die Beschuldigte bereits am 26. Januar versucht, ihre Tochter umzubringen. Lisa hatte da bereits eine solch heftige Kopfverletzung, dass sie nicht in die Schule konnte.»

Der Verteidiger von Erika M. hingegen verlangte einen Freispruch und eine sofortige Freilassung seiner Mandantin, sowie eine angemessene Entschädigung. «Es wurde von Anfang an nur gegen meine Mandantin ermittelt. Allfällige Dritttäter wurden nicht angegangen», sagt er.

Im Schlusswort beteuerte Erika M. erneut ihre Unschuld. Sie sagte: «Ich hoffe, dass der Richter die Augen offen hat und sieht, dass ich unschuldig bin.» Am 24. März um 16 Uhr wird das Obergericht das Urteil verkünden.

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