Ein besseres Szenario hätte sich die Pharmabranche kaum wünschen können: Die Impfung gegen das Coronavirus muss wohl jedes Jahr aufgefrischt werden. Das aus verschiedenen Gründen. So sinkt die Zahl der Antikörper im menschlichen Organismus mit der Zeit. Ausserdem mutiert das Virus kontinuierlich. Die Hersteller passen die Vakzine entsprechend an, damit es auch gegen neue Varianten optimal wirkt.
Die derzeit in der Schweiz verimpften Vakzine von Moderna und Pfizer/Biontech bieten gemäss Herstellerangaben einen Schutz für mindestens sechs Monate nach der zweiten Dosis. Danach steigt die Wahrscheinlichkeit einer Infektion mit schwerem Verlauf rapide.
Für die Menschen weltweit heisst das: Nach der Impfung ist vor der Impfung, so wie dies bereits beim Grippepiks zur jährlichen Routine geworden ist. Um die Abwehrkräfte gegen das Coronavirus zu stärken, kommen nach den Erstimpfungen sogenannte Booster-Vakzine zum Einsatz. Sie frischen die Erstimpfungen auf und bilden gegebenenfalls Antikörper gegen mutierte Varianten.
Vielversprechende Resultate
Bereits vergangene Woche veröffentlichte das US-Biotechunternehmen Moderna erste Zwischenergebnisse aus einer laufenden Phase-II-Studie zu zwei verschiedenen Booster-Dosen. Die Resultate sind vielversprechend. Gerade die in der Schweiz verwendeten mRNA-Impfstoffe von Moderna und Pfizer/Biontech lassen sich relativ schnell modifizieren, damit sie auch gegen neue Varianten wirksam sind. Schon im Herbst sollen die ersten Booster-Vakzine auf dem Markt kommen.
Für die Pharmaindustrie sind die Booster ein lukratives Geschäft. Brancheninsider gehen davon aus, dass die Konzerne für die Auffrischungsimpfung deutlich mehr verlangen werden als für die ersten Vakzine gegen das Virus. In der Branche kursieren Preise von über 100 Dollar pro Booster-Dosis.
Aktuell verlangt Pfizer/Biontech für eine Impfung (zwei Dosen) knapp 40 Dollar. Bei Moderna sind es – konservativ gerechnet – 80 Dollar. Das sind Preise, bei denen die Pharmaunternehmen schon heute traumhafte Margen erzielen. Von den Vektorvakzinen von Astrazeneca und Johnson & Johnson kennt man den Selbstkostenpreis: Dieser bewegt sich zwischen zwei und vier Dollar pro Schuss. Der Selbstkostenpreis pro Dosis für die mRNA-Vakzine von Pfizer/Biontech und Moderna dürfte noch tiefer liegen, da diese Impfstoffe einfacher herzustellen sind.
Staat finanziert, Pharma kassiert
Dass der Rubel ordentlich rollt, zeigen auch die Geschäftszahlen der Hersteller. So erzielte Biontech im ersten Quartal einen Gesamtumsatz von 2,05 Milliarden Euro. Der Nettogewinn belief sich auf satte 1,13 Milliarden Euro. Selbst für die lukrative Pharmabranche fabelhafte Summen. Zur Erinnerung: Letztes Jahr war das Unternehmen mit Sitz in Mainz (D) noch defizitär.
Schon dieses Jahr erwarten die fünf Vakzin-Spitzenreiter Pfizer/Biontech, Novavax, Moderna, Astrazeneca und Johnson & Johnson einen Umsatz von insgesamt über 40 Milliarden Dollar – die Auffrischungsimpfung nicht mit eingerechnet.
Dabei geht oft vergessen, wie viele staatliche Gelder in Forschung und Entwicklung geflossen sind. Eine Studie der europäischen Stiftung Kenup kommt zum Schluss, dass die Unternehmen mit 86,5Milliarden Euro unterstützt wurden.
Allein für Biontech hat das deutsche Wissenschaftsministerium 375 Millionen Euro lockergemacht. In den USA hat Donald Trump rund zehn Milliarden Dollar an Unternehmen verteilt, die sich der Suche nach einem Impfstoff verschrieben haben. Ohne diese Milliarden aus öffentlichen Geldern wäre heute noch kein Mensch geimpft.
Das war erst der Anfang
Und aus Sicht der Hersteller hat das Impfmärchen eben erst begonnen. Die Auftragsbücher sind zum Bersten voll, Hunderte Lieferverträge mit Staaten rund um den Globus sind in trockenen Tüchern. Das Vakzin gegen Covid-19 ist zum Selbstläufer geworden.
Die Hersteller diktieren die Preise und die Länder parieren. Denn angesichts der Angst eines neuerlichen Aufflammens der Pandemie, zögern die Regierungen nicht, tief in die Staatskasse zu greifen, um teure Lockdowns und damit verbundene Wirtschaftskrisen zu verhindern.
Immunologen rechnen, dass die globale Herdenimmunität im besten Fall Ende 2023 erreicht ist. Dann sollen rund 70Prozent der Erdbevölkerung oder 5,6 Milliarden Menschen eine erste Impfung erhalten haben. Dafür braucht es insgesamt zwölf Milliarden Dosen – vier Milliarden jährlich, die der Branche jedes Jahr bis zu 100 Milliarden Dollar Umsatz bescheren sollen.
Keine andere Branche kennt derzeit einen besseren Businessplan.
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