Preisschlacht in Bern - Pharma gegen Versicherungen
Werden Pillen jetzt billiger?

Dass Generika in der Schweiz doppelt so teuer sind wie anderswo, könnte sich demnächst ändern. Obwohl die Pharmaindustrie dagegen ankämpft.
Publiziert: 11.04.2021 um 17:34 Uhr
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Dass Generika in der Schweiz doppelt so teuer sind wie anderswo, könnte sich demnächst ändern.
Foto: Keystone
Tobias Marti

Lange schien es ein Naturgesetz zu sein: Für viele Dinge bezahlten Schweizer Kunden einfach mehr. Ob Waschmaschinen oder Mobiltelefone, fast immer ist die gleiche Ware im Ausland günstiger.

Bis sich Bundesbern endlich doch noch zur Befürwortung von Parallelimporten durchrang, weil man schliesslich auch dort erkannte: Wenn Waren beschafft werden, wo sie am günstigsten sind, sinken die Preise, gibt es mehr Wettbewerb und den Konsumenten bleibt mehr Geld im Portemonnaie.

Ein Grüppchen aber hörte dennoch nicht auf, in der Wandelhalle gegen Parallelimporte zu lobbyieren: die Pharmabranche. Ihr Ziel wird von Experten «Marktabschottung» genannt, manche reden gar von einer «Festung Schweiz».

In Festungshaft, um im Bild zu bleiben, sitzen demnach Schweizer Kunden, die etwa – wie der Bundesrat nachgerechnet hat – für Generika das Doppelte bezahlen wie Kunden in den Nachbarländern Österreich, Deutschland oder Frankreich. Mit ein Grund, dass die Krankenkassenprämien Jahr für Jahr weiter ansteigen. «Die Krankenversicherung ist nicht dazu da, die Margen der Pharma zu bezahlen», sagt Philippe Nantermod (37), FDP-Nationalrat aus dem Wallis, der Parallelimporte für Generika vereinfachen will.

Wenn Politiker auf ihre Vorstösse hinweisen, kommt das selten von ungefähr – gerade trommelt in Bern mal wieder alles zur Pillenschlacht, dem grossen Verteilkampf um Medikamentengelder.

Automatische Übernahme von EU-Zulassungen

Der Nationalrat will nämlich jetzt das Heilmittelgesetz und das Bundesgesetz anpassen. In der EU zugelassene Generika sollen ohne zusätzliche eigenständige Zulassung durch Swissmedic auch hierzulande auf den Markt gebracht werden.

Wenn der Ständerat – wohl in der Sommersession – dazu ebenfalls Ja sagt, fällt demnächst die letzte Festung. Der Liberale Nantermod: «500 Millionen Franken können im Jahr einfach so gespart werden.»

Dagegen aber weibelt nun die heimische Pharma. Schon am Dienstag tritt die wegweisende Gesundheitskommission des Ständerats zusammen. Deren Mitglieder werden daher von den Lobbyisten geradezu mit Aufmerksamkeit überhäuft.

Am Donnerstag ging der Kommission ein gewichtiger Brief des Branchenverbands Intergenerika, der Ärzte- (FMH) und Apotheker-Vereinigung (Pharmasuisse) sowie weiterer acht Verbände zu. Sämtliche Schreiben liegen SonntagsBlick vor. Zum Reigen der Lobbyisten gesellt sich auch Interpharma, die mächtige Organisation forschender Pharmafirmen wie Roche oder Novartis. Auch sie telegrafierte ausgewählten Politikern ihre Positionen durch.

Die Industrie fürchtet um die Versorgungssicherheit

Und das alles nur, um die eigenen Pfründe zu sichern? Keineswegs, betont die Pharmaindustrie. Vielmehr gehe es ihr um die Versorgungssicherheit – seit Corona ein beliebter Kampfbegriff für vieles. Im Gegensatz zur heimischen Branche würden «Direktimporteure wieder verschwinden, sobald sich das Geschäft nicht mehr lohnt», warnt Axel Müller, Geschäftsführer von Intergenerika. Müller weiter: «Wir sind gegen den unkontrollierten Import von Medikamenten, weil viele Fälschungen im Umlauf sind.» Im Fall von Reklamationen, Rückrufen oder Nebenwirkungen fehle dann die Anlaufstelle.

Auch finanziell lohne sich das Ganze für Kunden kaum, rechnet Interpharma-Chef René Buholzer vor: «Die Erfahrungen aus der EU zeigen, dass Parallelimporte nur marginal zu tieferen Preisen führen. Der Grund dafür ist, dass Parallelimporteure Gewinne abschöpfen.»

Auf der anderen Seite der Pillenfront stehen die Versicherungen. Deren Lobbyisten (Santésuisse und Curafutura) haben am Freitag reagiert und die Politiker ihrerseits Post geschickt. Auch Konsumentenschützer und Patientenorganisationen unterschrieben.

Beugen sich die Bürgerlichen dem Druck der Pharma-Lobby?

Gemeinsame Stossrichtung: Die Versorgungs- und Patientensicherheit sei auch bei Parallelimporten gewährleistet. Zusätzliche Lieferkanäle gefährdeten die Arzneimittelversorgung in der Schweiz nicht, im Gegenteil. Und nach wie vor habe Swissmedic die Möglichkeit, ein gesundheitlich problematisches Medikament zu verbieten.

Ob Generika demnächst günstiger werden, hängt nun vor allem von den Politikern bürgerlicher Parteien ab, namentlich Vertretern der FDP und von Die Mitte. Es werde spannend zu sehen, ob die Bürgerlichen kippen, wenn die Pharma Druck macht, sagt Felix Schneuwly, Versicherungsexperte beim Vergleichsdienst Comparis. Er sieht darin eine Art Prinzipientest: «Man kann nicht liberale Politik predigen und dann Protektionismus leben!»

Auch FDP-Politiker Nantermod befürchtet, «dass für manche Liberale der Liberalismus manchmal nur für die anderen gilt».

Wie auch immer die Pillenschlacht ausgeht: In Bern behaupten mittlerweile schon viele, die Pharma habe mit ihrer Lobbyarbeit sogar den Versicherungen den Rang abgelaufen.

Die galten bislang als Könige der Wandelhalle.

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