Der Ukrainekrieg hält die Welt in Atem. Millionen Menschen sind bereits aus dem Land und damit vor den grausamen Gräueltaten Putins geflohen. Bereits 12'750 Ukrainer haben seit Kriegsbeginn in der Schweiz Zuflucht gefunden und den Schutzstatus S erhalten.
Damit müssen die ukrainischen Flüchtlinge kein Asylverfahren durchlaufen, sondern können direkt in der Schweiz arbeiten oder zur Schule gehen. Und das ist bereits geschehen. An der Sekundarschule Remisberg in Kreuzlingen TG gehen seit dieser Woche acht ukrainische Jugendliche zum Unterricht.
«Seine Eltern sind im Berufsmilitär – und deshalb da geblieben»
Damit sei das Sekundarschulzentrum mit rund 210 Schülern und zwölf Klassen im Vergleich zu anderen früh dran. «Wir sind noch in der Findungsphase, aber bisher sind wir sehr zufrieden mit der Startwoche», sagt Schulleiter Michael Kubli (45), der die Flüchtlinge selber eng begleitet, zu Blick. Vor einer Woche hätten sie bereits ein ukrainisches Mädchen bei sich gehabt, letzten Montag seien dann «auf einen Schlag» acht weitere Jugendliche dazugekommen. Darunter sieben Jungs und ein Mädchen zwischen 12 und 16 Jahren. Sie alle sind derzeit bei Privatpersonen in Kreuzlingen untergebracht.
«Die meisten Jugendlichen sind mit ihren Müttern gekommen, wir haben aber auch Kinder, die alleine hier sind», sagt Kubli. So auch der 13-jährige Yehor aus der Ostukraine. Seine Eltern sind in der Ukraine zurückgeblieben, da sie beide im Berufsmilitär sind. «Er zieht sich sehr zurück», sagt Liana Mancuso (47) zu Blick. Die seit über 20 Jahren in Kreuzlingen lebende Ukrainerin ist mit Yehor (13) verwandt. Derzeit findet er bei ihr Unterschlupf und geht seit Montag im Remisberg zur Schule. «Es ist alles sehr unbürokratisch abgelaufen. Kaum ist er angekommen, konnte er schon zur Schule», so die gebürtige Ukrainerin.
Mit seinen Eltern habe Yehor nur sporadisch Kontakt. «Da sie mitten im Kriegsgebiet sind, kann er sich nur selten bei ihnen melden», sagt Mancuso. Auch ihre Schwester sei mit ihren beiden Kindern aus einer ostukrainischen Stadt nach Kreuzlingen gekommen. Wohnen würden alle zurzeit bei ihr zu Hause. Auf die Frage, wie es ihnen gehe, antwortet Liana Mancuso trocken: «Besser als denen, die in der Ukraine geblieben sind.»
Ohne ukrainische Übersetzung «schwierig»
Das Aufbauen einer Flüchtlingsklasse von heute auf morgen habe einiges an Organisation erfordert, sagt Schulleiter Kubli. «Wir haben einfach die Meldung vom Kanton erhalten, dass ein Car mit Flüchtlingen unterwegs ist.» Mit dem Krisenstab hat man dann alles in die Wege geleitet und «von null an aufgezogen». Unterrichtet werden die acht Jugendlichen derzeit von einer pensionierten Lehrkraft und diversen Klassenassistenzen. «Nach zwei Jahren Corona wollten wir unsere Lehrpersonen so gut wie möglich entlasten», sagt Seraina Perini (53), Schulpräsidentin der Gemeinde Kreuzlingen.
Die Solidarität in dieser Situation sei riesig. «Es melden sich laufend Leute, die mit übersetzen helfen wollen oder sonstige Hilfe anbieten», sagt Kubli. So seien derzeit Ukrainisch oder Russisch sprechende Helferinnen im Einsatz. Die Schule ist für diese Hilfe enorm dankbar. Man könne sich zwar verständigen, aber es sei teilweise schon schwierig. Kubli: «Ohne die direkte ukrainische Übersetzung wäre es sicher eine Herausforderung.»
Nicht alle Flüchtlinge bleiben in Kreuzlingen
Derzeit stehe das Nothilfe-Programm im Fokus. «Wir machen mit den Flüchtlingen derzeit keinen regulären Unterricht. Wenn sie Schule haben, ist es oft Deutsch», so Kubli. Ansonsten mache man mit ihnen Ausflüge. So waren die Jugendlichen bereits mit anderen Schülern der Sek beim Minigolf in Kreuzlingen oder im Jugendtreff. «Es ist wichtig, dass sie mit unseren Schülern in Kontakt kommen», ergänzt Schulpräsidentin Perini.
Wie es mit den ukrainischen Schülern weitergehe, sei derzeit noch unklar. «Nicht alle werden bei uns bleiben – einige werden in anderen Gemeinden angemeldet», sagt Kubli. Dafür erhielten sie bereits kommende Woche mit zwei ukrainischen Jugendlichen Zuwachs. Zudem stünde auch nicht fest, wie lange die Jugendlichen in der Schweiz bleiben. Deshalb müsse man phasenweise planen. Dies wirke sich dann auf den Unterricht aus. «Wenn Jugendliche in der Schweiz bleiben, setzen wir mehr auf Deutsch. Gehen sie aber allenfalls später in ein anderes Land, ist es besser, Englisch zu fördern.»
Klar ist: In Kreuzlingen ziehen alle an einem Strang, um die Flüchtlinge möglichst gut zu empfangen und zu betreuen. «Egal, wer wie lange bleibt und wer noch kommen mag, wir werden das meistern», ist Michael Kubli überzeugt.