Bestell-Terror und Drohungen gegen Thurgauer Shop
«Wir waren dem Ganzen ausgeliefert»

Ein Sammelkarten-Laden in Romanshorn TG wird während eines Livestreams mit massiven Drohungen eingedeckt. 17 Mal klingelt der Essenslieferant an der Tür – ohne, dass Mitarbeitende eine Bestellung aufgeben.
Publiziert: 12:48 Uhr
|
Aktualisiert: 13:38 Uhr
1/4
Luca Stöckli (links) und sein Arbeitskollege Ahsen Redzematovic hoffen, dass es nicht noch einmal zu solch unangenehmen Zwischenfällen kommt.
Foto: zVg

Auf einen Blick

  • Drohungen, Beleidigungen und unerwünschte Essenslieferungen während Livestream
  • Shopbetreiber fühlen sich anonymen Usern ausgeliefert
  • Polizei empfiehlt Anzeige, Ermittlungen aufgenommen
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
RMS_Portrait_AUTOR_821.JPG
Sandra MeierJournalistin News

Über einen Livestream können Fans von Pokémon, Yu-Gi-Oh und Co. jeden Freitagabend Sammelkarten kaufen. Aufgeschaltet wird dieser vom Thurgauer Unternehmen «The Uncommon Shop» in Romanshorn auf dem Videoportal Twitch. Sie seien keine grosse Community, sagt Luca Stöckli (28), stv. Geschäftsführer, zu Blick. Pro Stream nehmen im Schnitt 20 bis 30 Personen teil. Doch an diesem Freitagabend am 15. November ist die Stimmung anders. Gehässig. 

Im Chat hagelt es diverse Beleidigungen. Einer oder mehrere anonyme User sprechen Drohungen gegen die Betreiber aus. «Ich schlage euch die Zähne aus» oder «Ich werde eure Grossmütter vergewaltigen», erscheint in der Kommentarspalte. Stöckli sagt: «Zunächst fanden wir es noch irgendwie witzig, weil es so absurd war, aber dann wurde uns weiter gedroht wie etwa: ‹Mal schauen, ob ihr es später immer noch lustig findet›.»

17 Mal wird Essen geliefert

Doch damit nicht genug: Plötzlich klingelt ein Pizzalieferant an der Tür. «Ein Mitarbeiter kam und fragte, ob jemand Pizza bestellt habe», schildert Stöckli. Sie hätten sich gewundert, weil die Pizzen nicht bezahlt waren und niemand sie bestellt habe. «Wir haben dem Fahrer gesagt, hier müsse ein Missverständnis vorliegen.» Dass es sich nicht um ein Versehen handelt, wird aber schnell klar. «Es stand dann ein zweiter und irgendwann ein dritter Lieferant vor der Tür.»

Im Verlaufe des Abends wird insgesamt 17 Mal Essen an die Adresse geliefert. Auch ein Anruf bei der Plattform «Just Eat» hilft nicht: «Ich habe ihnen gesagt, sie sollen aufhören, uns Essen zu liefern und sie sagten, sie können hier aktiv nichts machen.» Immerhin: Bezahlen müssen sie die gelieferte Ware nicht. Für den Jungunternehmer dennoch stossend: «Was bleibt, ist ein riesiger Food Waste, das ist doch einfach eine Sauerei!»

Auf Anfrage von Blick heisst es bei «Just Eat»: «Die betroffenen Restaurants haben sich – wie auch Luca Stöckli – beim Kundendienst gemeldet. Den Restaurants haben wir die Produktionskosten zurückerstattet.» Solche Fälle seien bekannt, sie würden jedoch nur «äusserst selten» auftreten. Tauchen Fake-Accounts auf, würden diese «umgehend gesperrt». 

«Schicke euch noch Feuerwehr vorbei, ihr Arschlöcher»

Als die anonymen User den Shopbetreibern auch noch drohen, ihnen die Feuerwehr auf den Hals zu hetzen, wird es ihnen zu bunt. Sie informieren die Polizei. Diese bestätigt den Eingang der Meldung gegenüber Blick. «Falls Drohungen ausgesprochen werden oder andere strafrechtlich relevante Handlungen vermutet werden, empfehlen wir, die Vorfälle unverzüglich der Polizei zu melden und Beweise wie Screenshots oder Aufzeichnungen zu sichern», schreibt der Mediensprecher der Kantonspolizei Thurgau. Auch die Bestellungen auf fremden Namen seien ein strafbares Verhalten, genauer Identitätsmissbrauch, und können gemäss Polizei zur Anzeige gebracht werden. 

Die Shopbetreiber wissen weder, wer hinter den Drohungen steckt, noch, wie sie künftig einen weiteren Vorfall verhindern könnten. Stöckli zu Blick: «Wir waren dem Ganzen ausgeliefert.» Die einzige Möglichkeit, die ihnen zur Verfügung stehe, sei, die anonymen Nutzer zu sperren. Was der Moderator gemacht habe. Das hindert Störenfriede aber nicht daran, einen neuen Account zu erstellen.

Man habe sich gar schon überlegt, alle Restaurants der Umgebung vorgängig zu informieren, keine Essensbestellungen an sie auszuliefern. «Wir wollen mit unserem Fall aufzeigen, wie digitale Belästigung reale Auswirkungen auf Menschen, Betriebe und Institutionen haben kann.» Selber können sie nur hoffen, dass die Attacke von Mitte November ein Einzelfall bleibt. 

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?