Eigentlich hätte Claudio Götti (40) aus Flawil SG nach seinem Privatkonkurs ein neues Leben beginnen wollen. «Ich habe früher Fehler gemacht, mich mit 130'000 Franken verschuldet. Aber ich bin dazu gestanden, habe nach Wegen für einen Neuanfang gesucht und bin diese gegangen.» Doch jemand habe ihm dabei Steine in den Weg gelegt, sagt er: seine Krankenkasse Visana.
Götti hatte auch Schulden bei der Visana und stand darum bei der Sozialversicherungsanstalt (SVA) des Kantons St. Gallen auf der schwarzen Liste für säumige Prämienzahlende. Das heisst: Die Krankenkasse hätte ihm nur noch bei Notfällen medizinische Leistungen bezahlt. Mit Abschluss des Privatkonkurses, den das Konkursamt Wil SG im März 2020 vollzog, ist Götti von der schwarzen Liste wieder gestrichen worden. Dennoch habe ihm die Visana danach die Pflichtleistungen nicht vollumfänglich vergütet, sagt Götti.
Leistungen erst wieder nach Schuldentilgung
Gemerkt hat er dies zwei Monate nach dem Konkurs, als die Zähne schmerzten. Die anschliessend nötige Zahnwurzelbehandlung drohte den Ostschweizer wieder in eine finanzielle Schieflage zu bringen. Weil die Visana nicht für Arzt-, Diagnosen und Laborkosten aufkommen wollte.
Götti sagt: «Die Visana beharrte darauf, dass ich erst meine Schulden tilge, ehe ich wieder Leistungen in Anspruch nehmen könne. Aber: Die Schulden sind Konkursmasse, das ist nicht in Ordnung. Dieses Verhalten nahm mir von Anfang an alle Chancen, um wieder auf die Beine zu kommen.» Seit dem Zeitpunkt des Privatkonkurses habe er immer pünktlich seine Krankenkassenprämien bezahlt, erklärt er, zwei Jahre lang monatlich über 400 Franken.
Fatale Folgen
Götti habe immer und immer wieder insistiert, wie er erzählt. Schickte eingeschriebene Unterlagen, führte Telefonate, suchte das Gespräch vor Ort. Vergebens – obwohl die SVA St. Gallen bereits im August 2020 bescheinigte, ihn von der schwarzen Liste gelöscht und seine Versicherung informiert zu haben.
Die Versicherung sagt auf Anfrage: «Die Vorwürfe an Visana treffen nicht zu. Visana selbst hat nie eine solche Liste geführt. Der Kanton St. Gallen hatte uns aufgefordert, bei Herrn Götti ausschliesslich noch Notfallbehandlungen zu vergüten. Visana war gesetzlich dazu verpflichtet, dieser Weisung nachzukommen.» Notfallbehandlungen seien jederzeit möglich gewesen und wären Götti zurückvergütet geworden.
Weil sich Claudio Götti längere Zeit nicht fit fühlte, ging er im Januar 2022 zum Arzt und wollte sich untersuchen lassen. Dieser habe wegen des Zahlungsstopps der Visana eine Untersuchung abgelehnt.
Im Februar wurden die Schmerzen unerträglich, Götti musste notfallmässig ins Spital. Es folgte eine Operation. Schliesslich die Diagnose Morbus Crohn, eine chronische Darmerkrankung, mit der er nun wohl sein restliches Leben auskommen muss. Ein Schock für Götti. Er sagt: «Ich gebe nicht der Visana Schuld an der Krankheit, aber es hätte nicht so kommen müssen, wenn die Krankenkasse ihre Pflichten erfüllt hätte. Die Visana hat meinen Gesundheitszustand fahrlässig gefährdet.»
Letzte Hoffnung
Götti gelangte an die Ombudsstelle. Diese insistierte mehrmals bei der Krankenversicherung. Erst im März 2022 teilte Visana mit, dass die «Rückforderungsbelege von unserem Leistungszentrum irrtümlicherweise zurückgewiesen wurden» und beglich die Kosten rückwirkend.
Claudio Götti überlegt sich, rechtliche Schritte einzuleiten. Dafür sucht er derzeit juristische Unterstützung und sammelt Geld. «Es ist die letzte Hoffnung, die ich habe, um endlich alles klären zu können.»
Die schwarze Liste, auf der säumige Prämienzahler landeten, wurde Anfang Dezember 2021 im Kanton St. Gallen abgeschafft.