In der christlichen Schule Linth in Kaltbrunn SG wurden Kinder über Jahre hinweg Opfer von sexuellen Übergriffen. Dies geht aus dem Untersuchungsbericht einer damit beauftragten Anwaltskanzlei hervor, der im Sommer veröffentlicht wurde und über den nun die «Sonntagszeitung» berichtet hat.
Die Gräueltaten sollen kurz nach dem Bau der Bildungsstätte 1995 durch das Missionswerk Kwasizabantu (KSB), der Vorgängerinstitution der heutigen Schule, begonnen haben. Eine Schülerin der ersten Stunde offenbart im Bericht, dass sie von einem Prediger der Gemeinde, einem Gast sowie zwei Seelsorger der südafrikanischen Mission belästigt wurde. «Die Penetrationen und andere sexuelle Handlungen wurden religiös interpretiert und wiesen eine sadistische und zugleich pädophile Komponente auf», heisst es im Bericht dazu.
Im Jahr 2000 verliess sie die Bildungsstätte in Kaltbrunn. Aufgrund der Geschehnisse befindet sie sich noch heute in Behandlung. Ein ehemaliger Schüler gibt gegenüber dem «St. Galler Tagblatt» weitere Details preis. Er habe sich jeweils mit dem Gesicht nach unten und mit heruntergezogener Hose aufs Bett legen müssen. Dann sei er mit Ledergürtel, oft mit Schnalle, manchmal auch mit einem Holzstock mit einem Metallstück am Ende geschlagen worden. «Danach konnte ich oft wochenlang nicht richtig laufen und sitzen.»
Die Gefahr nicht erkannt
Diese Praktiken waren den St. Galler Behörden bereits 1999 bekannt, wie aus einem Protokoll hervorgeht. Ein Jahr später eröffnete diese eine Untersuchung und konfrontierten die Schulleitung und den damaligen Leiter der Gemeinde mit den Vorwürfen. Diese stritten jegliche Gesetzesüberschreitungen ab. 2001 entschied der St. Galler Erziehungsrat, keine Massnahmen zu ergreifen. Der Grund? Es bestehe «keine unmittelbare Gefährdung».
Rückblickend erklären die Behörden in einer Stellungnahme, dass die Hürden für eine staatliche Intervention sehr hoch seien. Die Mauer des Schweigens in der Gemeinde zu durchbrechen, sei sehr schwierig gewesen. Dass die Gräueltaten doch noch ans Tageslicht kamen, ist südafrikanischen Zeitungsberichten aus dem Jahr 2019 zu verdanken.
Wo sind die Täter?
Dem Missionswerk Kwasizabantu (KSB) wurde vorgeworfen, dort ihre Mitarbeiter auszubeuten und Gelder zu veruntreuen. Das brachte auch die Zentrale des Missionswerk in der Schweiz in Aufruhr. Diese wechselte deshalb kurzerhand ihren Namen. Inzwischen heisst sie Evangelische Gemeinde Hof Oberkirch (EGHO). Auch die Schule in Kaltbrunn taufte man um. Sie nennt sich nicht mehr Domino Servite (Dienet dem Herrn), sondern Christliche Schule Linth (CSL).
Der Name änderte sich. Die bösen Geister der Vergangenheit blieben. Darum wagte die Schulleitung im September 2021 die Flucht nach vorne. Ein Anwaltsbüro wurde beauftragt, die Geschehnisse zu untersuchen. Man setzte zwei Psychologen als unabhängige Meldestelle ein. 58 Schüler und Schülerinnen sowie Mitglieder der Gemeinde nutzen die Möglichkeit. Der Bericht kam zum Schluss, dass bis ins Jahr 2010 Belästigungen stattfanden. Man habe mit «Scham und Entsetzen» den Bericht durchgelesen, heisst es in der Stellungnahme der Schule.
Das Aufspüren der Täter gestaltet sich für die Staatsanwaltschaft als schwierig. Zum einen, weil die Taten verjährt sind, und zum anderen, weil die Ermittler die Namen der Täter nicht ausfindig machen konnten, wie das «St. Galler Tagblatt» schreibt. Stefan Hess von der Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen sagt: «Wir werden das Verfahren wieder aufnehmen, sollten sich Opfer melden, nachträglich verlässliche Hinweise auf eine mögliche Täterschaft eingehen oder die Täterschaft bekannt werden.» Die Schule bleibt weiterhin geöffnet. (nab)
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