Jetzt bereuen sie die Aktion
St. Galler SVP wollte Wurmmittel gegen Corona einsetzen

Die USA berichten von Vergiftungen, Zitteranfällen und Halluzinationen bei zu hoher Einnahme. Trotzdem schlug die St. Galler SVP-Fraktion in einer Interpellation das Wurmmittel Ivermectin zur Corona-Behandlung vor. Inzwischen bereut die SVP die Aktion.
Publiziert: 24.11.2021 um 16:20 Uhr
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In einer Interpellation vom 20. September fragte die St. Galler SVP-Fraktion Folgendes: «Wie steht die Regierung zu einer möglichst baldigen Marktzulassung von Ivermectin sowie anderer Covid-Medikamente (nicht Impfungen), und würde sich die Regierung bei Swissmedic, BAG und/oder Bundesrat hierfür einsetzen?»
Foto: keystone-sda.ch

Hilft dieses fragwürdige Mittel etwa gegen Corona? Die St. Galler SVP-Fraktion brachte im Kampf gegen das Virus das Wurmmittel Ivermectin ins Spiel. Das war im September, wie das «St. Galler Tagblatt» berichtet.

Und zwar fragte die Fraktion die St. Galler Kantonsregierung in einer Interpellation vom 20. September Folgendes: «Wie steht die Regierung zu einer möglichst baldigen Marktzulassung von Ivermectin sowie anderer Covid-Medikamente (nicht Impfungen), und würde sich die Regierung bei Swissmedic, BAG und/oder Bundesrat hierfür einsetzen?»

Kein Beweis dafür, dass Ivermectin bei Menschen wirkt

Im Einführungstext der Interpellation schrieb die SVP-Fraktion, dass Ivermectin inzwischen «von Forschern des Pasteur-Instituts als wirksames Medikament in der Prophylaxe und zur Behandlung von Covid-19 wissenschaftlich anerkannt» sei. Die Studien-Ergebnisse seien am 12. Juli 2021 in der Zeitschrift «EMBO Molecular Medicine» veröffentlicht worden.

Das Pasteur-Institut habe tatsächlich beweisen können, dass Ivermectin in der Behandlung von Corona nütze. Jedoch sei der Beweis nur an einem Tiermodell erbracht worden, nicht an einem Menschen, wie das «St. Galler Tagblatt» berichtet.

Die SVP-Fraktion führte in ihrer Interpellation aber noch weiter über das Mittel aus: «Eine Analyse der Ergebnisse anderer im American Journal of Therapeutics veröffentlichter Forschungsergebnisse fordert nachdrücklich, Ivermectin als Behandlungsstandard zuzulassen.»

Anti-Wurmmittel gegen Pferde-Parasiten

Das Problem an Ivermectin: Es handelt sich um ein Entwurmungsmittel, das Pferden, Kühen und Schafen helfen soll, von Würmern und Parasiten befreit zu werden. Und die Heilmittelbehörde Swissmedic warnte kürzlich auch schon vor dem Mittel. Denn die unkontrollierte Einnahme sei gesundheitsgefährdend. Weder in den USA, Deutschland, Österreich noch in der Schweiz ist Ivermectin als Corona-Killer zugelassen. Trotzdem herrscht ein Run auf das Wurmmittel – vor allem von Seiten von Impfverweigerern.

Und auch die US-Gesundheitsbehörde FDA zeichnet ein schreckliches Bild bei Menschen, die zu viel Ivermectin konsumierten: Halluzinationen, Vergiftungen, Zitteranfälle. Und die FDA hatte schon im August auf Twitter geschrieben: «Ihr seid kein Pferd. Ihr seid keine Kuh. Ernsthaft. Hört auf damit.»

Die St. Galler Regierung verpasste der SVP-Anfrage deswegen auch eine Abfuhr und verwies darauf, dass Swissmedic für die Zulassung zuständig sei. Bei der Zulassung und Anwendung stehe die Sicherheit der Patienten im Vordergrund, so die Regierung. Darum sei es auch ein wissenschaftlicher Entscheid, welche medikamentösen Therapien zugelassen würden – und kein politischer.

SVP bereut die Interpellation

Rückblickend betrachtend bereut die SVP die Interpellation. «Aus heutiger Sicht war es eine schlechte Idee, dieses Ivermectin namentlich zu erwähnen. Ich bin weder Wissenschaftler noch Mediziner – sondern Politiker. Stand jetzt würde ich in einer Interpellation Ivermectin nicht mehr erwähnen», sagt SVP-Fraktionspräsident Christoph Gull zu Blick. Gleichzeitig rechtfertigt er aber auch die Aktion.

Schliesslich sei die Informationslage, was Ivermectin betrifft, eine andere gewesen als im September. Was er genau damit meint, erklärt er aber nicht. Und überhaupt sei es ihm und der Partei in erster Linie gar nicht um das Medikament gegangen. «Die Mehrheit in der Fraktionssitzung im September war für diesen Vorstoss, indem es uns nicht primär um dieses Medikament, sondern um Alternativen zu 3G und zur Impfung ging.»

Er selbst habe kein Ivermectin eingenommen. «Und ich habe auch nicht vor, es einzunehmen. Mir ist auch nicht bekannt, ob jemand aus der SVP St. Gallen Ivermectin eingenommen hat oder mit dem Gedanken spielt, es einzunehmen.» Zudem betont Gull, dass er gegen Corona geimpft sei.

St. Galler SVP-Präsident: «Sehe in Ivermectin keinen Sinn»

Walter Gartmann, Präsident der SVP St. Gallen, geht sogar noch weiter als sein Parteikollege. «Ich bin völlig dagegen, dass wir uns da mit der Nennung von angeblichen Wundermitteln einmischten und diese in einer Interpellation der Regierung vorschlugen. So etwas gehört da nicht rein», sagt er zu Blick.

Gartmann sagt, dass seine Partei für Eigenverantwortung und Freiheit kämpfe. «Jeder soll selbst entscheiden, ob er sich impfen will oder ob er nun irgendwelche Mittel zu sich nimmt.» Er sagt klar: «Ich persönlich sehe in diesem Ivermectin keinen Sinn.» (nl)

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