Illegale Unterstände von Waldkindergarten in Gachnang TG werden wegen Margrit S. (54) abgerissen
«Es geht mir um Gerechtigkeit!»

Margrit S. hat sich an ihrem Wohnort in Gachnang nicht gerade beliebt gemacht, obwohl sie im Recht ist. Nachdem sie selbst ihren Sitzplatz nachträglich versetzen musste, fand sie heraus, dass der Waldkindergarten illegal im Wald gebaut hat.
Publiziert: 20.04.2021 um 17:18 Uhr
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Aktualisiert: 21.04.2021 um 13:52 Uhr
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Wehrte sich gegen die illegalen Bauten des Waldkindergartens: Margrit S. (54) aus Gachnang TG findet, dass Kinder die Natur auch ohne Hütten im Wald erleben können.
Foto: Marco Latzer
Marco Latzer

Ende Mai ist Schluss. Obwohl sie sich grosser Beliebtheit erfreuen, müssen zwei Unterstände, ein Bauwagen und der Grillplatz im Wald von Gachnang TG zurückgebaut werden. Der lokale Waldkindergarten und über 1300 Unterzeichner einer Petition, die sich für den Erhalt der Bauten ausgesprochen hatten, haben das Nachsehen.

Margrit S.* (54) ist die Frau hinter dem Abriss. Sie sagt zu Blick: «Bei den Bürgern beharren die Behörden auf Korrektheit und Bewilligungen. Bei sich selbst sehen sie es lockerer!» Die Unterstände im Wald seien über die Jahre gar noch ausgebaut worden.

Bauten standen seit 2004 illegal im Wald

«Alle wussten von der Illegalität, aber niemand hat etwas dagegen unternommen. Es geht mir um Gerechtigkeit», sagt S., die rund einen halben Kilometer vom betroffenen Wald entfernt wohnt. Ihr Engagement sei keineswegs gegen den Waldkindergarten gerichtet, es gehe ihr lediglich um die Gleichbehandlung von Baugesuchen.

Hintergrund: Margrit S. musste vor Jahren ihren Sitzplatz nachträglich um einige Meter verschieben, weil sich auf ihrem Grundstück Bau- und Landwirtschaftszone miteinander vermischen. Ihr Nachbar, dem auch der Wald gehört, machte die Gemeinde offenbar auf diesen Umstand aufmerksam.

S. stellte in der Folge ihrerseits Nachforschungen beim Thurgauer Forstamt an. Und fand heraus: Die Bauten stehen schon seit mindestens 17 Jahren illegal im Wald! Der Versuch, eine nachträgliche Baubewilligung zu erhalten, scheiterte. Weil neben Margrit S. auch Pro Natura Einsprache gegen das Vorhaben machte und sich der Kanton Thurgau ebenfalls dagegen aussprach.

Margrit S. sieht sich Anfeindungen ausgesetzt

Seither musste sich die Ostschweizerin in ihrem Dorf Beschimpfungen und Drohungen gefallen lassen. Obwohl es ihr nur um die Willkür bei den Bewilligungen gegangen sei, werde sie nun zum Sündenbock abgestempelt, glaubt S.

«Die Kinder können ja genau gleich weiterhin in den Wald gehen. Wer sagt denn, dass die da Hütten brauchen, um die Natur erleben zu können?» Im Wald würden zudem systematisch Fahrverbote missachtet, häufig werde bei den illegalen Unterständen zudem heftig gefeiert.

Jonathan Hedinger (39), der innerhalb einer Woche 1300 Unterschriften zum Erhalt der Unterstände gesammelt hat, bedauert den Abriss. «Rechtlich ist der Entscheid zwar nachvollziehbar und in Stein gemeisselt. Aber hier haben zwei Nachbarn ein Problem miteinander, und alle anderen müssen darunter leiden.»

Kinder verbringen in Zukunft weniger Zeit im Wald

Für Hedinger, dreifacher Vater und selbst Schulleiter, ist klar: «Keine Lehrperson sitzt gerne mit 21 Kindern draussen im Nassen. Die Schule wird für die Zukunft ein neues Konzept entwerfen und einfach seltener in den Wald gehen, da bin ich mir sicher.»

Die Primarschulbehörde von Gachnang, die auch den Kindergarten verantwortet, war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

* Name geändert


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