Weil Staatsanwalt Fall verschleppte
Sex-Heiler aus Näfels GL konnte nochmals zuschlagen

Eine Frau wird von einem selbsternannten Heiler sexuell missbraucht. Erst fünf Jahre später kommt es zur Anklage – und in der Zwischenzeit wurde der Beschuldigte erneut straffällig.
Publiziert: 31.10.2023 um 21:53 Uhr
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Aktualisiert: 31.10.2023 um 22:01 Uhr
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Die Übergriffe geschahen im beschaulichen Näfels GL.
Foto: Keystone

Justiz-Skandal im Kanton Glarus. Weil die Staatsanwaltschaft einen Fall jahrelang unbearbeitet liess, konnte ein Sexualstraftäter weiterhin sein Unwesen treiben. Wie der «Kassensturz» von SRF berichtet, erstattete eine Frau 2012 Anzeige, weil sie von einem vermeintlichen Heiler im Therapiezimmer in Näfels betäubt und sexuell missbraucht worden war.

Die Betroffene – im Bericht Nicole B. genannt – wollte sich wegen chronischer Schmerzen behandeln lassen. Sie erinnert sich: «An den Wänden hingen mehrere Kruzifixe. Das gab mir eine gewisse Sicherheit, ein gutes Gefühl. Ich nahm dann auf der Couch Platz.» Der Mann habe ihr erklärt, dass sie etwas trinken müsse, die Behandlung würde längere Zeit dauern.

«Ich war bei vollem Bewusstsein»

Der Multivitaminsaft, den sie vom vermeintlichen Heiler bekam, enthielt ein Schlafmittel. «Er begann meine Schultern zu massieren, er schwatzte ununterbrochen, bis mir die Augen zufielen. Ich konnte mich nicht mehr bewegen, nicht schreien, ich war bei vollem Bewusstsein.» Der Täter meinte, sie sei bewusstlos und begann, Nicole B. zu missbrauchen. «Ich habe wirklich alles – und das ist das Grausamste – miterlebt. Ich lag auf dem Schragen, er drehte mich zur Seite, verging sich an mir, von hinten und von vorne, mit Gegenständen, grob und grausam, ich lag da und wollte nur noch sterben, einfach nur sterben.»

Nicole B. zeigte den Mann an, worauf es drei Monate später zu einer Hausdurchsuchung kam. Die Polizei fand dabei mehrere Packungen rezeptpflichtiger Medikamente, die sedierend wirken. Zudem wurde das Handy des selbsternannten Heilers beschlagnahmt. Die Ermittler fanden heraus, dass der Mann wenige Wochen vor der Tat im Internet nach «Ko Tropfen», «Narkotikum» und sedierenden Medikamenten gesucht hatte.

Auch Stieftochter zeigte ihn an

Nach ein paar Tagen Untersuchungshaft kam der Beschuldigte wieder frei – obwohl inzwischen auch eine Anzeige von seiner Stieftochter eingegangen war. Auch ihr verabreichte er Schlafmittel und missbrauchte sie. Die Stieftochter war damals 13 Jahr alt.

Noch 2012 eröffnete die Staatsanwaltschaft Glarus ein Strafverfahren. Dann passierte lange nichts. Der selbsternannte Heiler konnte derweil weiter in Näfels seiner Tätigkeit nachgehen. 2015 kam es zu einem erneuten Übergriff. Das Opfer: eine 17-jährige Patientin.

Erst als die Anwältinnen der Opfer eine Beschwerde gegen den fallführenden Staatsanwalt einreichten, erhob dieser Anklage gegen den angeblichen Heiler – fünf Jahre nach der ersten Anzeige!

2018 verurteilte das Kantonsgericht Glarus den Mann, der in der Folge bis vors Bundesgericht zog. Dieses verurteilte ihn 2021 wegen mehrfacher sexueller Nötigung, mehrfacher sexueller Handlungen mit Kindern und einfacher Körperverletzung zu 27 Monaten Gefängnis. Zudem erhielt er ein Berufsverbot für Heilbehandlungen. Nicole B. sprach das Gericht eine Genugtuung von 12'000 Franken zu. (noo)

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