Nicht schon wieder! Das denkt sich Lotti Schöpfer (70) vor einem Jahr, als sie plötzlich ein Rumpeln und einen Schrei unten im Garten ihres Hauses in Merishausen SH hört. Ihr Lebenspartner, Alois Hartmann (79), ist böse gestürzt, schlägt sich den Kopf auf und quetscht sich mehrere Rippen. Der Senior bleibt benommen liegen.
Bei Lotti Schöpfer kommen Erinnerungen hoch. Im Mai 2019 hat ihr Partner zu Hause einen schlimmen Schlaganfall erlitten, von dem er sich seither nur langsam erholt. Hat er nun eine erneute Attacke? Sofort alarmiert Schöpfer den Notarzt des Kantonsspitals Schaffhausen. «Ich hatte Panik und wahnsinnig Angst um ihn, denn seit seinem Schlaganfall ging es ihm nicht mehr gut», erinnert sie sich. Noch heute kann Hartmann kaum sprechen.
Hartmann wird direkt nach Zürich geflogen
Die Notärzte treffen schnell ein, stabilisieren Hartmann und nehmen Kontakt mit der Notaufnahme im Kantonsspital auf. «Dort hatten sie aber keine Kapazität mehr – sie mussten meinen Lebenspartner darum direkt ins Universitätsspital Zürich einweisen lassen», erinnert sich Schöpfer.
Dafür bieten die Notärzte vor Ort einen Helikopter der Air Alpine Ambulance (AAA) auf. Im Unispital schliesslich stellt man fest, dass Hartmann einen Schock erlitten hat, es aber ausser den Blessuren keine ernsten Probleme mit ihm gibt. Er darf einen Tag später nach Hause. «Wir hatten Glück, ich war sehr erleichtert», sagt Schöpfer.
Die Erleichterung währt aber nicht lange. Denn bald schon trudeln drei Rechnungen ein. Jene für den Rettungsdienst und für den Notarzt vom Kantonsspital Schaffhausen. Kostenpunkt: 2000 Franken – 1100 Franken davon muss Hartmann selber zahlen. Und jene für die Helikopter-Rettung durch die AAA. Die kostet weitere 5000 Franken – Hartmanns Anteil hier: 3000 Franken.
«Wie sollen wir das nur bezahlen?»
«Mich traf fast der Schlag, als wir die Rechnungen gesehen haben. Für uns ist das eine Menge Geld. Mein Partner hat nur eine ganz kleine AHV-Rente, und ich habe auch nicht viel zum Leben, diese Rechnungen können wir nicht einfach so zahlen», sagt Schöpfer. Ihr Partner sagt still: «Die Rettung hat uns ruiniert.»
Wer mit der Ambulanz wegen eines Notfalls ins Spital gebracht wird, muss danach unter Umständen tief in die Tasche greifen. Ein Transport im Krankenauto kann je nach Region bis zu 2000 Franken kosten. Dabei zahlt die Krankenkasse nur die Hälfte der Kosten. Helikopter-Rettungen sind noch teurer, wie der Fall von Alois Hartmann zeigt. Die Alpine Air Ambulance (AAA) will für den Flug nach Zürich 5060 Franken haben.
Eine Rega-Gönnerschaft verhindert nur dann die Kosten für den Helikopter-Einsatz, wenn die Rega die Rettung selbst organisiert oder fliegt. Kommt die AAA zum Einsatz, sitzt man trotzdem auf der Rechnung für den Einsatz. Die Kosten für Einsätze der Air Zermatt oder Air Glacier hingegen können von der Rega übernommen werden.
Allerdings: Krankenkassen bieten Zusatzversicherungen an, bei denen je nach Angebot die gesamten Transportkosten gedeckt sind. Flavio Razzino
Wer mit der Ambulanz wegen eines Notfalls ins Spital gebracht wird, muss danach unter Umständen tief in die Tasche greifen. Ein Transport im Krankenauto kann je nach Region bis zu 2000 Franken kosten. Dabei zahlt die Krankenkasse nur die Hälfte der Kosten. Helikopter-Rettungen sind noch teurer, wie der Fall von Alois Hartmann zeigt. Die Alpine Air Ambulance (AAA) will für den Flug nach Zürich 5060 Franken haben.
Eine Rega-Gönnerschaft verhindert nur dann die Kosten für den Helikopter-Einsatz, wenn die Rega die Rettung selbst organisiert oder fliegt. Kommt die AAA zum Einsatz, sitzt man trotzdem auf der Rechnung für den Einsatz. Die Kosten für Einsätze der Air Zermatt oder Air Glacier hingegen können von der Rega übernommen werden.
Allerdings: Krankenkassen bieten Zusatzversicherungen an, bei denen je nach Angebot die gesamten Transportkosten gedeckt sind. Flavio Razzino
Bitter: Anders als Ambulanzfahrten sind die Kosten für Verlegungen, angeordnet durch Spitäler, voll durch die Grundversicherung gedeckt. Hätten die Notärzte Hartmann also zuerst ganz normal ins acht Kilometer entfernte Kantonsspital Schaffhausen gebracht – und wäre er erst dort wegen Überlastung mit dem Helikopter nach Zürich überstellt worden, hätte Hartmann nur die 1100 Franken für Notarzt und die Ambulanz bezahlen müssen.
«Medizinische Gründe» machten Unispital nötig
Doch das Spital Schaffhausen bleibt hart – allem Flehen und Fordern von Schöpfer zum Trotz, den Transport wegen Überlastung als Verlegung zu deklarieren. Zwar räumt der Rechtsdienst in einem Brief an Schöpfer ein, dass die Intensivstation damals tatsächlich ausgelastet gewesen sei. Doch man habe Hartmann nicht nur deswegen direkt nach Zürich bringen lassen. Das sei vielmehr wegen «neurologischen Auffälligkeiten» sowie der «medizinischen Vorgeschichte» geschehen. In solchen Fällen dürfen finanzielle Fragen keine Rolle spielen.
Gegenüber BLICK will das Spital allerdings nicht erklären, welche gesundheitlichen Notfälle genau im Spital Schaffhausen nicht behandelt werden können.
Hartmann hat unterdessen die Rechnung für den Rettungsdienst und den Notarzt beglichen. Und die ersten 1000 Franken bei der AAA-Rechnung abgestottert. Doch dort hat man das Eintreiben des Rechnungsbetrags längst dem Inkassounternehmen Intrum übergeben. Und dieses hat bereits 400 Franken Verzugsschaden und Zinsen draufgeschlagen. Schöpfer sagt verzweifelt: «Keine Ahnung, wie wir aus diesen Schulden wieder rauskommen sollen.»