Über 8000 Impfzertifikate musste das St. Galler Gesundheitsdepartement im Dezember löschen, nachdem ein Fälscherring aufgedeckt wurde. Mehrere Personen hatten sie illegal ausgestellt und dafür hohe Geldbeträge gefordert.
Nun veröffentlicht die Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen weitere Details zum Fall. Demnach seien bisher zehn Personen festgenommen worden. Es handelt sich dabei um vier Schweizer, drei Serben, einen Iraker, eine Serbin und eine Kroatin; alle zwischen 20 und 30 Jahren alt. Vereinzelt seien die verhafteten Personen geständig, wie es aus Anfrage von Blick heisst. «Einige der Tatverdächtigen haben zusammengearbeitet, andere handelten alleine», sagt Staatsanwalt Christoph Ill. Eine allumfassende Organisation hinter den Straftaten gäbe es aber nicht.
Gegen sieben Personen hat die Staatsanwaltschaft Antrag auf Untersuchungshaft gestellt, wobei diese durch das zuständige Zwangsmassnahmengericht in allen Fällen bewilligt wurde. Aktuell befinden sich noch drei Personen in Untersuchungshaft. Im Weiteren kam es zu mehr als einem Dutzend Hausdurchsuchungen.
Bis zu 800 Franken für Zertifikat
Bei einzelnen beschuldigten Personen handelt es sich um Mitarbeitende verschiedener Testcenter, die im Privatbereich ihre dienstlichen Accounts für die Erstellung von Zertifikaten missbraucht haben sollen.
Konkret sollen diese Mitarbeitenden gegen Entgelt anderen Beschuldigten Zugang zu ihren Accounts gewährt haben, die damit ihrerseits missbräuchlich Zertifikate generierten. Insgesamt haben die kantonalen Strafverfolgungsbehörden mittlerweile Kenntnis von über 9000 illegal hergestellten Zertifikaten. Darunter sind rund 8000 Impfzertifikate, beim Rest handelt es sich um Genesenen- und vereinzelte Testzertifikate. Die Endabnehmenden bezahlten für die illegalen Impf- und Genesenenzertifikate Beträge zwischen 300 und 800 Franken. Wie viel Geld die Beschuldigten insgesamt mit dem Verkauf der Zertifikate gemacht haben, ist laut Christoph Ill noch unklar. «Es dürften aber mehrere Millionen sein», sagt er. Ob dieses Geld aber in jedem Fall auch geflossen ist, ist derzeit noch nicht bekannt.
Einige Abnehmer haben sich selbst angezeigt
Sämtlichen Beteiligten (Hersteller, Mittäter, Endabnehmer) werden Urkundenfälschung und allenfalls weitere Delikte vorgeworfen. Die Hersteller der illegalen Zertifikate müssen mit einer Anklage beim zuständigen Gericht rechnen.
Kriminell erlangte Gewinne sollen eingezogen werden. Die Abnehmenden der illegalen Zertifikate erwartet eine Verfolgung im Strafbefehlsverfahren. Bislang hat sich eine Handvoll Abnehmerinnen und Abnehmer zu einer Selbstanzeige entschlossen. Sie können gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung mit einer deutlichen Strafreduktion rechnen.
Zertifikate manuell ausstellbar
Der grösste Teil der Impfzertifikate im Kanton St. Gallen wird automatisch generiert. Nachdem eine Impfung im IT-Tool bestätigt ist, werden die nötigen Daten direkt ans Bundesamt für Informatik (BIT) weitergeleitet. Dieses generiert anschliessend das Impfzertifikat. Jedoch können Zertifikate auch manuell über eine Web-Plattform beantragt werden – das machte die Betrugsfälle überhaupt erst möglich. Auf dieses System haben beispielsweise auch Personen in Teststellen Zugriff. Sie können damit Impfzertifikate ausstellen, obwohl sie selbst gar keine Impfungen verabreichen.
Wie die Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen in einer Medienmitteilung schreibt, hatten St. Gallen und weitere Kantone das BIT bereits früh auf diese Berechtigungsproblematik hingewiesen. Gehandelt wurde aber offenbar zu spät.
«Nie vollständig verhindern»
Die Vergabe von Berechtigungen für das Covid-Zertifikats-System liegt in der Verantwortung der Kantone, wie es beim BIT auf Anfrage von Blick heisst. «Um die Sicherheit des Covid-Zertifikats gewährleisten zu können, wurden von Beginn weg sowohl technische wie auch organisatorische Massnahmen umgesetzt. Diese können aber kriminelle Handlungen nie vollständig verhindern», sagt Medienverantwortliche Sonja Uhlmann. Dazu komme, dass die Anforderungen an das Zertifikatssystem mit der Zeit stark zugenommen hätten.
Laut Uhlmann ist das BIT aber seit Beginn der Arbeiten zum Covid-Zertifikat im wöchentlichen Austausch mit den Kantonsvertretern. Derzeit werde mit den Kantonen über eine Anpassung des Berechtigungskonzepts diskutiert. Und: Das BIT stellt klar, dass das Covid-Zertifikat fälschungssicher ist. Es handle sich in diesen Fällen um missbräuchlich ausgestellte Zertifikate. (man/bra)