Christian Reich kehrt der Schweiz den Rücken
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«Ich lasse mich nicht frusten»:Christian Reich kehrt der Schweiz den Rücken

Obwohl er keinen Käufer für seine Beiz hat
Scheinehe-Wirt (85) wandert in die Karibik aus

Nach 85 Jahren in der Schweiz wandert Ochsen-Wirt Christian Reich (85) in die Dominikanische Republik aus. Mit dem Land verbindet ihn einiges – von der wahren Liebe bis zu zwei Scheinehen ist alles mit dabei.
Publiziert: 20.06.2022 um 16:15 Uhr
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Aktualisiert: 07.06.2023 um 17:38 Uhr
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Christian Reich hat genug. Der Ochsen-Wirt aus Rüti ZH wandert in die Dominikanische Republik aus. Nach 35 Jahren gibt er seine Beiz auf.
Foto: Nathalie Taiana
Cédric Hengy

Christian Reich (85) hat genug. Der Ochsen-Wirt aus Rüti ZH wandert in die Dominikanische Republik aus und gibt sein Restaurant nach 35 Jahren auf. «Ich kann nicht mehr. Ich muss jetzt aufhören, zu arbeiten», sagt er zu Blick. Das Problem: Er hat bis heute niemanden gefunden, der den Ochsen weiterführen möchte.

Gemeinsam mit seiner Frau Bienvenida (55), einer Dominikanerin, wollte er sich eigentlich schon 2019 aufmachen. Damals habe er sogar einen Käufer gehabt. Doch dann funkte Corona dazwischen. Der Plan fiel ins Wasser.

«Ich muss mich beeilen, sonst ist es zu spät»

Dieses Mal wird ihn nichts mehr aufhalten. Am Montag sitzt er im Edelweiss-Flieger nach Puerta Plata. «Komme, was wolle», sagt er. Seine Frau sei bereits abgeflogen und warte nun sehnlichst auf ihn.

Der einzige Wermutstropfen für Reich ist, dass seiner Beiz eine ungewisse Zukunft bevorsteht. «Jetzt muss halt mein Sohn schauen», sagt er. Dieser sei aber nicht besonders motiviert, die Angelegenheiten des Vaters zu regeln. Der Beizer versteht seinen Sohn nicht. Denn das Haus sei eine Goldgrube. «Es ist über eine Million wert», so Reich.

Nun sind das aber nicht mehr seine Sorgen. Reich ist gedanklich bereits im Paradies. Als er 2006 das erste Mal in die Dominikanische Republik reiste, sei es Liebe auf den ersten Blick gewesen. «Ich fühlte mich dort sofort wie zu Hause», so der Wirt.

Wegen zwei Scheinehen konnte seine Frau nicht in die Schweiz einreisen

Im Laufe der Jahre hat der Wirt auch die Frauen aus der Dominikanischen Republik lieben gelernt. Bienvenida lernte er in den Ferien kennen. Er wollte sie zu sich in die Schweiz holen.

Doch bei der Einwanderungsbehörde schrillten die Alarmglocken. Denn: Reich war dort kein Unbekannter. Zwei Mal schon hatte er in der Vergangenheit Frauen aus der Dominikanischen Republik geheiratet, mit dem Zweck, ihnen so zu einer Schweizer Aufenthaltsbewilligung zu verhelfen. «Mir ging es nur darum, diesen Frauen zu helfen», rechtfertigt sich Reich heute.

Verlief bei der ersten Frau noch alles reibungslos, ging die zweite «Ehe» dann aber gründlich in die Hose. Schon kurz nach der Hochzeit traten Probleme in der Beziehung auf. «Sie klaute Sachen aus dem Restaurant und vernachlässigte ihre Tochter.»

Schliesslich hatte er genug und zeigte sich selbst wegen Scheinehe an. Die Frau sollte ausgeschafft werden – doch dazu kam es nicht. Sie wehrte sich, worauf es 2012 zum Prozess kam. Reich musste in der Folge aus der gemeinsamen Wohnung ausziehen und wurde vom Gericht zu Unterhaltszahlungen verdonnert.

Rückblickend sagt Reich trotzdem: «Ich habe keinerlei Rachegefühle. Ich muss jetzt für mich schauen.»

Zur Not überlässt er das Haus ukrainischen Flüchtlingen

Einige Wochen vor dem Abflug ist Reich noch eine zündende Idee gekommen. Sollte sich bis zu seinem Abflug niemand finden, der den Betrieb im Restaurant fortführen möchte, würde er den Ochsen notfalls auch ukrainischen Flüchtlingen überlassen. Allerdings nicht gratis. Auf dem Haus liegt noch eine Hypothek von 170'000 Franken. Diese müsste abbezahlt werden.

«Ich denke hier vor allem an Ukrainerinnen und Ukrainer, die in ihrem Heimatland ein Restaurant geführt haben und dieses nun wegen des Kriegs aufgeben mussten», erklärt er seinen Plan.

Die Beiz könnte aber auch als Notunterkunft dienen. So nahm Reich mit mehreren Sozialämtern Kontakt auf, wurde von diesen jedoch stets abgewiesen. Eine positive Rückmeldung hat er bis heute nicht erhalten. Doch auch dieses Projekt kann Reich nun beruhigt zur Seite legen – und sich jetzt ganz auf sein neues Leben in der Dominikanischen Republik konzentrieren.

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