Was halten Sie davon, wenn junge Klimaaktivistinnen Schulen besetzen?
Dagmar Rösler: Kann der Unterricht nicht weitergeführt werden, finde ich das schwierig. Wenn die Jugendlichen sich aber wie in Basel in der Aula versammeln und über die Themen sprechen, die ihnen wichtig sind, kann man einer solchen Aktion durchaus auch etwas Positives abgewinnen.
Nämlich?
Dass die Jugendlichen politisches Interesse zeigen und aktiv werden. Die Gesellschaft fordert ja immer wieder, dass sich Jugendliche politisch mehr engagieren sollen. Wenn sie es dann tun, kann man nicht einfach alles schlecht finden. Ich würde das also nicht dramatisieren.
Mit den Schulbesetzungen wollen die Aktivistinnen laut eigenen Aussagen Jugendliche politisieren und für ihre Sache gewinnen. Das finden Sie in Ordnung?
Solange die Aktion friedlich über die Bühne geht, kann ich die Symbolik dahinter nachvollziehen: Die Zukunft geht die heutigen Jugendlichen etwas an und sie wollen ihre Meinung nicht nur auf der Strasse, sondern auch in der Schule äussern. Aber das Ganze muss freiwillig bleiben. Es darf niemandem eine Meinung aufgezwungen werden.
Die Aktivisten sagen, sie haben es satt, in Zeiten von multiplen Krisen wie Krieg, Corona und Klimaerwärmung jeden Tag in die Schule zu gehen und zu tun, als wäre alles in Ordnung. Was sagen Sie dazu?
Ich glaube nicht, dass die Schule vollständig ignoriert, was in der Welt passiert. Sie muss aber auch noch zahlreiche andere Themen und Unterrichtsstoff behandeln. Dass Jugendliche aber interessiert sind, was heute in der Welt passiert und auch das Bedürfnis haben, gemeinsam darüber zu diskutieren, das kann ich nachvollziehen. Man kann es als Zeichen ansehen, dass sich die Schule hier mehr bewegen und aktuelle Themen vermehrt in den Unterricht integrieren muss.
Die Schulbesetzer bemängeln, man lerne im Unterricht nichts über die aktuellen Krisen.
Es gibt sicher zahlreiche Schulen, in welchen darauf eingegangen wird. Aber ich kann verstehen, dass Jugendliche in diesem Bereich Lücken feststellen. Nur besteht da bei den Schulen wohl noch eine gewisse Unsicherheit.
Warum?
Man hat Respekt davor, dass den Schulen und Lehrpersonen dann vorgeworfen wird, dass sie die Schülerinnen und Schüler beeinflussen. Fakt ist aber: In der Schule geht es darum, Konflikte, Pro und Kontra aufzuzeigen und offene Debatten zu ermöglichen, – die Meinungsbildung liegt bei den Schülerinnen und Schülern selbst.
Die Schulbesetzer fordern auch mehr psychologische Unterstützung an den Schulen. Weil die aktuellen Krisen mentale Probleme zur Folge hätten, aber auch aufgrund des Leistungsdrucks.
Es gibt an vielen Schulen Schulsozialarbeitende, zu denen Schüler und Schülerinnen gehen können, wenn sie Sorgen haben. Auch Lehrerinnen, Lehrer und Schulleitungen unterstützen die Jugendlichen soweit ihnen das möglich ist. Aber man muss auch klar sagen, dass die Schule alleine nicht jedes persönliche oder gesellschaftliche Problem lösen kann.