Nicht befördert, weil sie eine Frau ist? Urwyler verklagte Inselspital auf fünf Millionen Franken
Gericht gibt Ärztin in Diskriminierungs-Prozess recht – Spital geht in Berufung

Ärztin Natalie Urwyler hat das Inselspital auf fünf Millionen Franken Schadenersatz verklagt. Der Grund: Sie ist überzeugt davon, dass ihr eine Beförderung aufgrund ihres Geschlechtes verwehrt wurde. Das Regionalgericht Bern-Mittelland gab ihr recht.
Publiziert: 01.03.2024 um 09:14 Uhr
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Aktualisiert: 01.03.2024 um 09:52 Uhr
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Für Natalie Urwyler ist der Entscheid vor dem Regionalgericht ein Erfolg.
Foto: Isabelle Favre

Als Oberärztin engagierte sich Natalie Urwyler (51) am Inselspital Bern über Jahre für besseren Mutterschutz. Während eines unbezahlten Urlaubs im Juni 2014 erhielt sie vom Inselspital dann die Kündigung. Der Grund: «Ein komplett zerrüttetes Vertrauensverhältnis». Sie wehrte sich vor Gericht. Und tatsächlich: Ihr Arbeitgeber musste sie wieder einstellen. Nach ihrer Habilitation wurde sie nicht befördert. Sie ist sich sicher: Es lag an ihrem Geschlecht. Urwyler entschied sich, einen jahrelangen Rechtsstreit auf sich zu nehmen und sich zu wehren. Sie verklagte das Spital auf fünf Millionen Franken und bekam recht. Jetzt hat das Inselspital Berufung eingelegt, wie die «NZZ» berichtet.

Rückblende: 2018 gab das Berner Obergericht Urwyler recht. Der Richter bezog sich damals auf das Gleichstellungsgesetz. Urwyler war sich sicher: Sie hat sich mit ihrem Einsatz für Frauenthemen bei ihren Vorgesetzten unbeliebt gemacht. Die Konsequenz des Urteils: Das Inselspital musste Urwyler wieder einstellen und ihr Lohnausfälle in der Höhe von 465'000 Franken nachzahlen – kurze Zeit später wurde sie wieder freigestellt. Sie begann einen neuen Job im Wallis, das Inselspital musste jeweils die Lohndifferenz zu einer gleichen Anstellung im Inselspital begleichen. Laut Urwyler ist das der Unterschied zwischen dem Einkommen, das sie hätte erzielen können, wenn man ihr damals nicht gekündigt hätte und demjenigen, das sie jetzt bis zu ihrer Pensionierung erhält, schreibt die «NZZ». Diese Zahlungen seien jedoch nur teilweise erfolgt. 2020 verklagte sie das Spital deswegen auf fünf Millionen Franken.

Ende Januar wurde der Prozess vor dem Regionalgericht Bern-Mittelland weitergeführt. Dabei ging es um den Grundsatzentscheid, ob Urwyler die Beförderung verweigert wurde, weil sie eine Frau ist. Die zuständige Richterin gab der Ärztin recht.

Inselspital will Fall weiterziehen

Aus der Sicht des Inselspitals ist dieser Entscheid unverständlich. Der Anwalt des Spitals, Jörg Zumstein, hält es für bedenklich, dass eine bestimmte formale Qualifikation – in diesem Fall Urwylers Habilitation – automatisch zur Beförderung führen sollte, wie er zur «NZZ» sagt. «Hat dieser Entscheid Bestand, könnte praktisch jeder Arzt, der habilitiert worden ist, einen Anspruch erheben, vom Oberarzt zum leitenden Arzt befördert zu werden.» 

Gegenüber der Zeitung nimmt auch die Personalchefin des Inselspitals zum Urteil Stellung: Zum Zeitpunkt, an dem eine Beförderung Thema hätte werden können, sei Urwyler schon freigestellt gewesen. Eine Angestellte in Abwesenheit zu befördern, sei realitätsfremd: «Wir haben lange nicht für alle habilitierten Mediziner eine Stelle als leitender Arzt oder in einer noch höheren Funktion wie Klinikdirektor und Chefarzt, dies wäre in der Führungsstruktur gar nicht umsetzbar.»

Das Inselspital will das Urteil weiterziehen. Dort muss das Inselspital nochmals begründen, warum Urwyler nicht befördert wurde. Urwyler schaut der nächsten Runde im Prozess entspannt entgegen, wie sie laut «NZZ» sagt. Ihr geht es beim Prozess nicht nur um sich selber, sondern auch um zukünftige Generationen. «Ich will, dass verhinderte Frauen-Karrieren ein Preisschild erhalten», sagte sie bereits 2020.

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