Auf einen Blick
- Studie zeigt hohe psychische Gewalt in Kindererziehung
- Stressige Alltagssituationen und wirtschaftliche Sorgen fördern Gewalt
- 30 Prozent der Eltern beschimpfen ihre Kinder regelmässig
Eltern sollen ihre Kinder gewaltfrei aufziehen. Auch im Hinblick auf psychische Gewalt. So will es der Bundesrat im Gesetz verankern, gab er im September bekannt. Nun zeigt sich: Sein Vorschlag trifft einen Nerv. Das zeigt eine neue Studie der Universität Freiburg, die auf psychische Gewalt in der Erziehung fokussiert.
Im Auftrag der Stiftung Kinderschutz Schweiz haben die Forschenden 1264 Eltern im ganzen Land dazu befragt. Das Resultat: 30 Prozent tun ihren Kindern mit Worten weh und beschimpfen sie. Ein Viertel droht ihnen mit Schlägen. 16 Prozent praktizieren Liebesentzug. 13 Prozent erniedrigen die Kinder oder machen sie lächerlich. 12 Prozent sagen ihnen, sie müssten zu anderen Eltern oder ins Heim. Geschieht dies alles regelmässig, so die Forschung, kann das später zu Depressionen, Lernstörungen, Bindungsstörungen sowie aggressivem und gewalttätigem Verhalten führen.
Das Bewusstsein fehlt
Die Studie gehört zu einer Kampagne und ist eine von mehreren, die der Kinderschutz Schweiz seit 2017 in Auftrag gibt. Die Geschäftsleiterin Regula Bernhard Hug beobachtet über all die Jahre eine positive Tendenz. «Grundsätzlich erziehen immer mehr Eltern ihre Kinder gewaltfrei», sagt sie. Was ihr aber Sorgen bereitet: Das Vorkommen von psychischer Gewalt bleibt hoch. Über die Gründe sagt sie: «Für viele Eltern ist es schwierig, zu erkennen, was psychische Gewalt ist.»
Die Treiber für Gewalt in der Erziehung sind oft stressige und überfordernde Alltagssituationen und Lebensphasen: Wenn die Eltern wirtschaftliche Sorgen oder gesundheitliche Probleme haben, jung sind und gleichzeitig viele kleine Kinder haben, in Beziehungskonflikte verstrickt sind, oder die Familie auf engem Raum zusammenlebt. Deshalb die Zunahme der Gewalt gegen die Kinder während Corona.
Alternativen zu Gewalt
Frage an Regula Bernhard Hug: Ab wann wird es kritisch? «Wenn die Gewalt massiv ist oder wenn sie zwar leichter, aber dafür häufig vorkommt.» Wer selten einmal heftig schimpft oder nicht für das Kind da ist, kann ihm erklären, wie es dazu kam – und sich entschuldigen. Bernhard Hug sagt: «Das entlastet das Kind.» Zudem kann man als Eltern heikle Situationen entschärfen. Kocht die Wut hoch, kann man in einen anderen Raum gehen, das Fenster öffnen und durchatmen. Oder auf zehn zählen.
Nun hofft der Kinderschutz Schweiz auf das Parlament. Nächstes Jahr stimmen voraussichtlich beide Räte über den Vorschlag des Bundesrats ab. Regula Bernhard Hug sagt: «Ein Gesetz ist ein klares Stoppsignal an alle.» Auf jeden Fall sensibilisiert alleine die Debatte darüber die ganze Bevölkerung.
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