Nach Kinderhandel-Skandal in Sri Lanka
Bund und Kantone helfen Adoptierten bei der Herkunftssuche

Über 800 Kinder wurden bis in die 90er-Jahre in Sri Lanka geraubt und illegal in die Schweiz adoptiert. Bund und Kantone schauten zu. Jetzt unterstützen sie ein Projekt, das den Adoptierten bei der Herkunftssuche hilft.
Publiziert: 16.05.2022 um 18:05 Uhr
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Bis in die 90er-Jahre kamen über 800 Kinder illegal aus Sri Lanka in die Schweiz. Viele von ihnen wissen nicht, wer ihre leiblichen Eltern sind.
Foto: Back to the Roots
Rebecca Wyss

Vor zwei Jahren deckte ein Hochschulbericht auf, dass Schweizer Paare bis in die Neunzigerjahre 881 Kinder aus Sri Lanka adoptierten. Vermittelt durch Kinderhändler, die Müttern ihre Kinder wegnahmen und sogenannte «Babyfarmen» betrieben, auf denen systematisch Kinder gezeugt und Geburtsurkunden gefälscht wurden. Die Schweizer Behörden wussten alles und schauten weg.

Justizministerin Karin Keller-Sutter (58) drückte damals ihr Bedauern aus und versprach, dass Bund und Kantone die Betroffenen bei der Herkunftssuche unterstützen würden. Nun hat sie vor den Medien erklärt, wie dies aussehen soll: Bund und Kantone finanzieren ein dreijähriges Pilotprojekt der Betroffenen-Organisation Back to the Roots (BttR). Mit maximal 250’000 Franken.

Keller-Sutter sprach über die Verfehlungen der Behörden, die bei den Betroffenen «viel Leid verursacht haben, das nicht mehr rückgängig gemacht werden kann», wie sie bereits vor zwei Jahren sagte.

Fredy Fässler (63), Präsident der Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren, fügte hinzu: «Wir stehen in der Verantwortung zu helfen.»

BttR-Präsidentin Sarah Ineichen (41) ist zufrieden: «Wir sind froh, dass die Behörden bereit sind, Verantwortung zu übernehmen und adoptierte Personen aus Sri Lanka in dem, was sie brauchen, zu unterstützen.» Sie gründete den Verein vor vier Jahren zusammen mit anderen Betroffenen. Er hilft Adoptierten, ihre leiblichen Eltern in Sri Lanka zu finden. Bis vor kurzem auf eigene Kosten.

Die Suche nach den leiblichen Eltern ist schwierig

Das Pilotprojekt gliedert sich in mehrere Phasen. Zuerst finden Gespräche zwischen BttR und den Adoptierten statt, um zu schauen, was diese brauchen. Die Organisation hilft ihnen dann, ihr Adoptionsdossier zu organisieren. Damit schauen Leute in Sri Lanka, inwiefern die Angaben in der Geburtsurkunde stimmen, und suchen die Eltern. Finden sie die Mutter, wird ihr ein DNA-Test angeboten – den BttR auch künftig selber bezahlt.

Die Suche ist schwierig. Die allermeisten Geburtsurkunden sind gefälscht, die Namen der Mütter etwa stimmen oft nicht. Von den 250 Adoptierten, die sich bei BttR meldeten, haben nur zwölf mindestens einen Elternteil in Sri Lanka gefunden. Sarah Ineichen sagt: «Die meisten adoptierten Personen werden ihre Eltern nicht finden.» Ziel des Projekts sei daher: Die Adoptierten sollen durch das Projekt lernen, die Verantwortung über ihre Adoptionsgeschichte zurückzugewinnen und mit der schwierigen Geschichte gut leben zu können.

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