Die Trauer ist gross. Der Schock sitzt tief. Und immer wieder taucht die Frage auf: Wie kam es zum Drama am Monte Rosa? Am Samstagvormittag nehmen die Tessiner Lehrerin Paola V.* (†28), ihre Freunde Martina S.* (†29) aus Crodo (I) und Valerio Z.* (27) aus Pettenasco (I) die Seilbahn von Gressoney (I) zum Monte-Rosa-Massiv. Sie steigen knapp 800 Höhenmeter zur Spitze Vincent-Pyramide. Das Wetter kippt. Die Gruppe gerät in einen Schneesturm, ist am Gletscherhang blockiert. Hilfe kommt erst Stunden später. Die Frauen erfrieren, der Mann überlebt mit Frostbeulen an den Händen (Blick berichtete).
Jetzt ermittelt die italienische Staatsanwaltschaft. Die Leichen der beiden gebürtigen Italienerinnen bleiben vorerst in der Totenkammer des Friedhofs – bis die genaue Todesursache durch die Rechtsmedizin bestätigt wird. Auch die Justiz will klären, was am Wochenende auf 4200 Metern Höhe passierte. Denn die Alpinisten waren erfahrene Berggänger.
Bergführer warnt und mahnt
Für den Walliser Bergführer Anjan Truffer (46) hätte die Tragödie vermieden werden können. «Nebel, Schneefall, Sturm sind nicht ungewöhnlich in den Bergen, wenn das Wetter umschlägt», sagt der Chef der Bergrettung Zermatt zu Blick. Er weiss: «Die Prognosen der Meteorologen sind heutzutage sehr präzise und über das Smartphone jederzeit abrufbar. Doch hier wurde offenbar der Wetterbericht ignoriert!» Zudem spiele die Ausrüstung eine wichtige Rolle bei Touren in dieser Höhe. «Ein Biwaksack oder Daunenkleidung, auch heisse Getränke in der Thermosflasche können vor plötzlicher eisiger Kälte schützen», so Truffer. Doch der Bergprofi beobachtet auch: «Mit dem Trend des Extremsports muss alles möglichst schnell gehen. Die Ausrüstung wird reduziert und immer leichter. Wenn dann die Berg-Erfahrung fehlt, kann es zu gefährlichen Situationen kommen.»
Die Tour der Gruppe sei technisch nicht besonders anspruchsvoll gewesen, so Robert Bösch (66). «Wenn man in den Bergen mit einem Wetterumschwung rechnen muss, dann ist ein Zeitplan das A und O, um rechtzeitig zurückzukehren», sagt der Zürcher Bergführer und prominente Bergfotograf zu Blick. Denn bei einem Gewitter komme es zu dramatischen Temperaturstürzen. «Im Schnee mit Sturm und Nebel ist alles nur noch weiss», so Bösch. «Du siehst nicht mal mehr, ob es rauf- oder runtergeht.» Auch wenn man bei schönem Wetter startet – im Hochgebirge gehören Kompass, GPS-Gerät und Karte unbedingt dazu. Es sei in den Bergen heimtückisch: «Wenn es schön ist, ist die Vorstellung vom lebensbedrohlichen Inferno immer sehr abstrakt.»
Fehlende Ausrüstung dürfte zum Verhängnis geworden sein
Offenbar fehlte es an dieser elementaren Ausrüstung. Als Valerio Z. am Samstag gegen 14.30 Uhr die Bergwacht alarmierte, machte der Italiener fehlerhafte Angaben zum Standort der Gruppe, so dass die Rettungskräfte Mühe hatten, sie zu finden. «Das Whiteout umgibt dich. Es verwirrt dich. Du musst sofort raus aus dem Sturm», sagt Berglegende Reinhold Messner (76) zu «La Stampa». Dafür brauche es Erfahrung und gute Kenntnisse des Berges. Und eiserne Nerven. Messner weiter: «Panik lähmt. Man darf nie vergessen: Jeder Berg ist wie der Mond. Er hat auch eine Schattenseite – und die ist sehr wild.»
* Namen der Redaktion bekannt