Auch drei Tage nach dem schrecklichen Unfall in Villigen AG ist die Trauer um die beiden Todesopfer riesig. Bernardo S.** (†25) hatte mit seinem weissen VW Polo ein Auto mit Freunden überholt, geriet auf eine Grasnarbe, streifte einen Baum und knallte in einem Wald aufs Dach. Nebst ihm starb auch eine Schweizerin (†24) aus dem Kanton Luzern. Eine Italienerin (33) und ein Dominikaner (25) wurden schwer verletzt.
Im überholten Wagen sassen Kennyo A.* (23), Carolina C.* (22) und ein Paar aus Brasilien (26 und 27). Bei Kennyo A. hatten vor dem Unfall alle gefeiert, wie er Blick erzählte. Carolina C. und er gaben zu, dass Alkohol getrunken wurde und sie Nachschub holen wollten. Und dass sie alle «nicht mehr hätten fahren sollen».
Jetzt spricht erstmals die Freundin von Bernardo S.
Dieser Meinung ist auch Gabrielly B.* (24), die Freundin von Bernardo S. Doch sie beschäftigt nun auch etwas anderes: «So wie die Unfallbilder aussehen, ging der Fahrer-Airbag im Auto meines Freundes nicht auf. Wäre er ausgelöst worden, wäre Bernardo vielleicht noch am Leben!» Es sehe so aus, als wären nur die Seiten-Airbags aufgegangen. Bernardo S. habe den Wagen letzten Oktober gekauft und «alle Airbags hätten doch funktionieren müssen».
Adrian Schuler von der Aargauer Staatsanwaltschaft sagt auf Anfrage nicht, ob und welche Airbags sich beim Unfallwagen geöffnet haben oder eben nicht – aus Gründen der Beweisführung. Nur so viel: «Die technischen Voraussetzungen und deren Funktionalität sind Teil der Untersuchung bei Unfallfahrzeugen.» Gerade die sicherheitstechnischen Elemente der Fahrzeuge würden für eine korrekte Klärung eines Strassenverkehrsunfalls eingehend betrachtet werden müssen. Schuler weiter: «Im Einzelfall würde untersucht, warum ein Airbag nicht ausgelöst wurde.»
Crash-Experte schätzt ein
Blick hat die Wrack-Bilder dem DTC Dynamic Test Center in Vauffelin BE geschickt. Und gefragt: Kann es sein, dass bei diesem heftigen Unfall nur der Seiten-Airbag aufging? «Ja, das ist gut möglich», sagt Heinz Reber (55), Bereichsleiter Unfallanalyse. «Je nach Richtung des Anstosses und des Verzögerungsniveaus werden die Front-Airbags nicht aktiviert, weil technisch keine Notwendigkeit besteht und sie keine zusätzliche Schutzwirkung bieten würden.»
Ausserdem müsse bedacht werden, dass ein Airbag nur einmal gezündet werden könne. Reber: «Hat er bei der Streifkollision bereits gezündet, steht er bei härteren Folgekollisionen nicht mehr zur Verfügung.» Die Front-Airbags würden vor allem bei längs gerichteten Verzögerungen aufgehen, wenn eine gewisse Belastungsschwelle auf das Fahrzeug überschritten sei. «Fällt nun ein Fahrzeug senkrecht auf das Dach, ist diese so gering, dass die Front-Airbags nicht auslösen.»
«Wir hatten noch so viele Pläne»
Ob Bernardo S. den Unfall mit einem allenfalls geöffneten Airbag überlebt hätte, kann Reber nicht sagen. Doch er hält fest: «Im Vordergrund steht meistens nicht ein technischer Defekt.» Und: «Grundsätzlich bieten alle modernen Personenwagen ein hohes Schutzniveau.»
Gabrielly B. weiss nicht, bei wem Bernardo S. den VW Polo gekauft hatte. «Ich und seine Familie wollen einfach, dass das mit den Airbags richtig untersucht wird», sagt sie. «Wir waren seit fünfeinhalb Jahren zusammen und hatten noch so viele Pläne.» Jetzt musste sie von Bernardo Abschied nehmen. «Das war sehr, sehr schmerzhaft. Auch für seine Familie.»
*Name bekannt **Name geändert