Kennyo A.* (23) und seine Kollegin Carolina C.* (22) wollen letzten Samstag nach der Street Parade mit sechs weiteren jungen Menschen zu Hause im Aargau weiterfeiern. Doch in der Wohnung von Kennyo A. wird der Alkohol plötzlich knapp. Deshalb wollen sie mitten in der Nacht alle zusammen in zwei Autos verteilt Nachschub holen.
Da passiert es: Ihr Freund Bernardo S.** (†25) aus dem Kanton Zürich überholt sie, gerät auf eine Grasnarbe und fliegt in einer Kurve oberhalb von Villigen AG von der Strasse. Der Brasilianer und eine Schweizerin (†24) aus dem Kanton Luzern sterben, ein Dominikaner (25) und eine Italienerin (33) werden schwer verletzt.
«Wir hätten alle nicht mehr fahren sollen»
Kennyo A., der am Steuer des überholten Autos sass, und Carolina C. kommen mit einem Schock davon – wie auch ein befreundetes Pärchen (26 und 27), das aus Brasilien zu Besuch ist und im überholten Auto auf dem Rücksitz sass.
«Wir können es immer noch nicht glauben, dass wir einen unserer besten Freunde verloren haben», sagt Kennyo A. daheim im Gespräch mit Blick. Carolina C. kämpft mit den Tränen: «Wir haben noch gesehen, wie sie von der Strasse flogen.» Beide wissen heute: «Wir hätten alle nicht mehr fahren sollen.»
Sie wollten «Alkohol kaufen» gehen
Dabei hatte der Abend in Zürich «so schön begonnen», wie Kennyo A. und Carolina C. erzählen. Sie hätten sich an der Street Parade alle spontan getroffen. «Wir kannten nur das Paar aus Brasilien und natürlich Bernardo so richtig gut», so Carolina C. Sie hätten bis in die Nacht hinein in Zürich gefeiert. Kennyo A.: «Danach gingen wir alle mit einem Auto und einem gemieteten Wagen zu mir nach Hause.» Er gibt zu: «Einige haben Alkohol getrunken oder teils auch gekifft. Was viele junge Leute halt einfach tun.»
Kurz vor 3.30 Uhr hätten sie entschlossen, «in der Region Würenlos Alkohol kaufen zu gehen», so Kennyo A. «Da wir alles gemeinsam machen, sind auch alle mitgekommen.» Er habe den Ford seiner Freundin genommen. Bernardo S. seinen eigenen weissen VW Polo. Dann fahren die beiden Autos los über den Rotberg. Kennyo A. hält fest: «Wir fuhren teils schon nebeneinander. Wir hätten in der Dunkelheit aber gesehen, wenn Autolichter vor uns aufgetaucht wären. Es war auf jeden Fall kein Rennen!»
Es folgen die schlimmsten Minuten ihres Lebens
Gegen 3.35 Uhr kommen die beiden Wagen auf eine enge Rechtskurve zu. «Ich habe den Scheinwerfer von Bernardos Auto noch hinter mir gesehen», sagt Kennyo A. «Auf einmal tauchte er in der Kurve links von mir auf. Ich sagte noch: Oh shit, der Bernardo!» Es sei keine Sekunde vergangen, da sei der VW von Bernardo S. aus der Kurve geflogen. «Wir haben sofort kurz angehalten», sagt Carolina C. «Ich bin dann schon mal ausgestiegen, Kennyo hat etwa 50 Meter weiter auf einem Weg angehalten.»
Für Kennyo A., Carolina C. und das Pärchen aus Brasilien folgen die schlimmsten Minuten ihres Lebens. «Wir sind sofort alle zum Unfallwagen hingegangen, der einen Baum gestreift hatte und auf einem Weg auf dem Dach liegengeblieben war», sagt Carolina C. «Es war schrecklich. Die Italienerin kroch selbstständig aus dem Auto.»
Opfer sollen angegurtet gewesen sein
Bernardo S., die Schweizerin aus dem Kanton Luzern hinter dem Fahrersitz und der Dominikaner auf dem Rücksitz hinten rechts seien alle noch im Auto in ihren Gurten gehangen. «Es hatten alle vor allem Kopfverletzungen», sagt Kennyo A. Bernardo sei bewusstlos gewesen, die Frau hinter ihm habe man gar nicht richtig gesehen, und der Dominikaner sei ansprechbar gewesen.
«Ich habe Bernardo noch ein Tuch über einen Schnitt im Arm gelegt, ihm die Hand gehalten und ihm immer wieder gesagt, dass er stark sei», sagt Kennyo A. «Und ich habe mich um den Dominikaner gekümmert», sagt Carolina C. Das Paar aus Brasilien schaut derweil zur Italienerin.
Schwerverletzte ausser Lebensgefahr
Als die Rettungskräfte eintreffen, können sie für Bernardo und die Schweizerin nichts mehr tun. Die Italienerin und der Dominikaner werden ins Spital gebracht – sie sind inzwischen ausser Lebensgefahr. «Wir wurden befragt und betreut», sagen Kennyo A. und Carolina C. Er gibt zu: «Ich hatte 0,41 Promille. Es war ein Fehler, dass ich noch gefahren bin.»
Zu möglichen Alkohol- oder Drogen-Rückständen im Blut der beiden Autolenker oder einem möglichen Rennen sagt die Aargauer Staatsanwaltschaft auf Anfrage nichts. Nur so viel: «Der eigentliche Unfallhergang ist Gegenstand der aktuell laufenden Ermittlungen durch die Kantonspolizei und die Staatsanwaltschaft Brugg-Zurzach», so Sprecher Adrian Schuler. Und: «Abklärungen zu einer möglichen Beeinträchtigung der Fahrfähigkeit der am Unfall beteiligten Fahrzeuglenker ist ebenfalls Teil dieser Untersuchung.»
Zurück bleiben die «tollen Erinnerungen»
Laut Blick-Informationen sollen sie sich kein Rennen geliefert haben. Und weil der Unfallverursacher verstorben ist, dürfte das Verfahren zum Unfall eingestellt werden.
Zurück bleiben die trauernden Angehörigen und Freunde. Wie Kennyo A. und Carolina C. «Wir vermissen Bernardo so sehr», sagen sie. «Er war immer voller Energie und guter Stimmung.» Sie seien mit seiner Familie in Kontakt und seien in Gedanken bei ihnen. Carolina C.: «Uns bleiben nur noch die tollen Erinnerungen an ihn und die fröhlichen Bilder mit ihm. Für immer.»
* Name bekannt ** Name geändert