Es ist kurz nach 8 Uhr, als Roli T.* (43) am Dienstag vor dem Bezirksgericht Kulm der Prozess gemacht wird – er findet wegen der Corona-Auflagen im Gemeindesaal von Unterkulm AG statt. Roli T. ist der Mann, der sich 2017 in der Nacht auf Heiligabend einer Polizeikontrolle entzog, davonraste und am Ende in eine Gebäudefassade donnerte. Nur mit viel Glück wurde niemand verletzt.
Vor Gericht ist der gelernte Landschaftsgärtner (geschieden und bei den Eltern wohnhaft) wegen etlicher Delikte angeklagt. Unter anderem wegen grober Verletzung der Verkehrsregeln, Fahren in fahrunfähigem Zustand sowie Gewalt und Drohung gegen Beamte.
Roli T. trank Bier und Jägermeister
Roli T. kann sich vor Gericht «fast nicht erinnern», was in der Nacht auf den 24. Dezember 2017 alles passiert ist. Aber: «Ich müsste lügen, wenn ich sagen würde, dass es nicht so war, wie es in der Anklageschrift steht. Ich und das Auto waren dort, also muss ich es gewesen sein.»
Dafür erinnert sich Roli T., dass er vor dem Unfall noch in einer Bar in Reinach AG war und Alkohol trank. Was, weiss er nicht mehr. Bei der Polizei gab er damals jedoch an, dass er Bier und Jägermeister getrunken habe. Beim Prozess erklärt er, dass er «wegen Problemen mit der Freundin» getrunken habe. Und er behauptet: «Ich trinke fast nichts, nur gelegentlich mal ein Bier.» In jener Nacht sei es «das einzige Mal» gewesen, dass er so viel getrunken habe.
Er hatte 1,71 Promille Alkohol intus
Sicher ist laut Anklage: Es ist kurz nach 2 Uhr, als eine Patrouille der Regionalpolizei Aargau Süd den schwarzen Citroën DS3 von Roli T. in Reinach kontrollieren will. Doch der Gärtner hat 1,71 Promille Alkohol intus, wie später rauskommt – und drückt massiv aufs Gaspedal. Ein Polizist kann gerade noch zur Seite springen.
Roli T. flüchtet in Richtung Oberkulm AG. Die Polizeipatrouille nimmt sofort mit Blaulicht und Horn die Verfolgung auf. Doch es ist schwierig, denn der Flüchtende fährt teils ohne Licht und rast ausserorts mit über 160 km/h davon!
Endstation: Gebäudefassade
Dann passiert es: In Zetzwil AG rast Roli T. innerorts mit 117 km/h, kommt mit seinem Citroën nach einer Rechtskurve links von der Strasse ab, überquert das Trottoir, fährt über ein Steinbeet und knallt mit hohem Tempo in eine Gebäudefassade. Das Autowrack wird zurück auf die Strasse geschleudert und kommt 150 Meter weiter zum Stillstand. Roli T. wird noch vor Ort angehalten. Das Billett ist er an Ort und Stelle los.
Damals schrieb die Kantonspolizei Aargau: «Betrachtet man das Trümmerfeld, welches sich an der Unfallstelle auf über 70 Meter erstreckt, grenzt es an ein Weihnachtswunder, dass weder der Flüchtende noch unbeteiligte Personen verletzt wurden.» Vor Gericht kommt raus: Roli T. trug nicht einmal einen Sicherheitsgurt.
Er möchte Busse in Raten bezahlen
Nur: Das scheint den Crashfahrer beim Prozess nicht zu interessieren. Lieber erzählt er von seinen Schulden und dass es ihm wichtig sei, dass er eine allfällige Busse in Raten bezahlen könne.
Für die Staatsanwaltschaft ist vor allem beim Tempo innerorts klar: «Mit dieser Geschwindigkeitsüberschreitung ging der Beschuldigte das hohe Risiko eines Unfalls mit Schwerverletzten oder Todesopfern ein.»
Gericht zweifelt an seinen Alkohol-Aussagen
Da der Prozess im abgekürzten Verfahren durchgeführt wird und das Strafmass von den Parteien vorgängig besprochen und dem Gericht beantragt wurde, geht es schnell. Urteil: Roli T. wird zu 22 Monaten Gefängnis bedingt verurteilt. Auch eine Geldstrafe von 19'800 Franken wird bedingt ausgesprochen. Beides mit einer Probezeit von drei Jahren. Unbedingt bezahlen muss er eine Busse von 3500 Franken.
Das Gericht gibt Roli T. noch etwas mit auf den Weg. Es zweifelt an seinen Aussagen zum Alkoholkonsum und mahnt: Haltung zum Alkohol überdenken und erforderliche Vorkehrungen treffen!
Laut BLICK-Informationen soll Roli T. seinen Führerausweis inzwischen wieder zurückbekommen haben.
* Name geändert