Illegales Millionen-Geschäft mit Alphütten!
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Aussen Heidi, innen High End:Das Millionengeschäft mit illegal ausgebauten Alphütten

Millionengeschäft mit illegalen Maiensäss – so läuft der Bschiss
Luxus-Hütten werden als Scheunen gemeldet!

In vielen Gemeinden im Berner Oberland werden Alphütten illegal als Ferienwohnungen vermietet. Das hat grossen Einfluss auf die Zweitwohnungsquote. Die Gemeinde Grindelwald hält diese mit kreativen Mitteln tief.
Publiziert: 16.03.2021 um 01:11 Uhr
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Aktualisiert: 09.06.2023 um 14:34 Uhr
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In Grindelwald werden bewohnte Alphütten als Scheunen oder Stall gemeldet – damit wird das Zweitwohnungsregister verfälscht. Gemeindepräsident Beat Bucher will sich dazu nicht äussern und geht auf Tauchstation.
Foto: zVg
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Flavio Paolo RazzinoNachrichtenchef

Das Berner Oberland hat ein Problem mit illegal genutzten Alphütten. Etliche von ihnen wurden ausgebaut und werden seither ganzjährig an Touristen vermietet. Obwohl ihnen dafür eine Ausnahmebewilligung des Kantons fehlt. Erst als BLICK Fragen stellt, werden in den Gemeinden Grindelwald, Lütschental, Brienz und Gündlischwand plötzlich baupolizeiliche Verfahren gestartet.

Doch BLICK-Recherchen zeigen: Die Tricksereien gehen noch weiter. So vertuscht die Gemeinde Grindelwald gegenüber dem Bundesamt für Statistik (BfS) die Existenz von mindestens sieben Alphütten, die ganzjährig vermietet werden. Es dürften weit mehr sein. Ein Trick, mit dem die Zweitwohnungsquote in Grindelwald bewusst verfälscht wird.

Nach der Annahme der Zweitwohnungsinitiative dürfen seit 2016 von allen Wohnungen in einer Gemeinde maximal 20 Prozent Zweitwohnungen sein. Als Wohnung gelten Räume ab fünf Quadratmeter Grösse mit Küche. In Gemeinden, in denen dieser Wert höher liegt, darf der Bau neuer Zweitwohnungen nicht mehr bewilligt werden. Und: In Grindelwald liegt der Anteil der Zweitwohnungen aktuell bei über 60 Prozent.

Ferienhaus wird zu Stall für Tiere

Die «Alp Grindelwald» von Beat Hutmacher etwa wird aktuell ganzjährig an Touristen vermietet. Während die Hütte innen mit schönem Kamin, modernem Bad, Betten und Küche ausgestattet ist, meldet die Gemeinde dem Eidgenössischen Bau- und Wohnungsregister (GWR) aber, dass es sich bei dem Gebäude nur um eine Scheune handelt, also ein «Gebäude ohne Wohnnutzung». Folglich wird sie auch nicht als Zweitwohnung gezählt, wie das BfS auf BLICK-Nachfrage bestätigt.

Dasselbe Bild bei Hutmachers «Alp Ischboden». Die umgebaute Wohnung mit Küche, Schlafzimmern und Dusche bezeichnet die Gemeinde im GWR gar als «Gebäude für die Tierhaltung», ganz ohne Wohnnutzung – obschon die Hütte ganzjährig von Menschen gemietet wird. Irrwitzig: Ausgerechnet die Haltung von Haustieren ist in dieser Hütte verboten.

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«Grindelwald? Keine Überraschung!»

Und so geht es weiter. Auch bei der «Hütte Weidli», der «Hütte Blatti», der «Alphütte Habkern», dem «Chalet zen Boimen» und weiteren privat genutzten Alphütten mit Küche und Zimmern fälscht die Gemeinde seit Jahren die GWR-Einträge. Und missachtet damit den Willen der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger, die 2012 Ja zur Zweitwohnungsinitiative gesagt haben.

Kein Wunder, sagt Peter Roth. Der ehemalige Skilehrer weiss aus eigener Erfahrung, wie kreativ die Gemeinde Grindelwald im Umgang mit den Zweitwohnungen ist. Der gebürtige Grindelwalder hat in den letzten Jahren schon mehrfach aufgedeckt, dass die Gemeinde bei der Angabe von Erstwohnungen in Mehrfamilienhäusern systematisch falsche Angaben macht – um neue Zweitwohnungen bewilligen zu können. «Es ist darum keine Überraschung, dass sie das auch bei den Alphütten so macht», sagt er. Dabei verweist er darauf, dass er schon Strafanzeigen gegen den Gemeindepräsidenten eingereicht habe, weil dieser bei diesem Thema seiner Amtspflicht nicht nachkomme.

Regierungsstatthalter nimmt sich der Sache an

Von BLICK auf die falsch weitergegebenen GWR-Einträge angesprochen, begibt sich Beat Bucher (parteilos), Grindelwalder Gemeindepräsident, allerdings auf Tauchstation. E-Mails ignoriert er, telefonisch ist er nicht mehr erreichbar.

Näheres will nun der kantonale Regierungsstatthalter Martin Künzi wissen. «Falls Gemeinden ihren entsprechenden Pflichten nicht korrekt nachkommen sollten, kann der Regierungsstatthalter angehalten sein, aufsichtsrechtlich zu intervenieren», sagt Künzi zu BLICK. Er werde sich betreffend die falsch gemeldeten Alphütten in Grindelwald nun bei der Gemeinde erkundigen.

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