Am Wochenende ist High Noon in der 4500-Seelen-Gemeinde Schöftland AG. Weil sich viele Einwohnerinnen und Einwohner von Gemeindeammann Rolf Buchser (57, FDP) nicht vertreten fühlen, muss er sein Amt plötzlich gegen zwei weitere Kandidaten verteidigen. In der Volksseele brodelt es, weil Buchser auf dem Gebiet Hegmatte östlich der Suhre ein Bahndepot für die Aargau Verkehr AG (AVA) bauen will.
Das bedeutet: Rund zwei Hektare unbebautes Landwirtschaftsgebiet würden komplett zubetoniert, insgesamt rund elf Hektare Ackerboden wären davon betroffen, weil sie von Gleisen durchtrennt würden. Das entspricht rund 15 Fussballfeldern. Einige Schöftler haben sich zusammengeschlossen, um die Hegmatte als Gebiet für Landwirtschaft und Natur zu erhalten. Sie haben sich in einem Verein organisiert und sind politisch aktiv geworden. Zuerst lancierten die Gegner des Bahnprojekts eine Petition, dann sogar eine Initiative. Diese wurde bei einem Urnengang im vergangenen November mit 81 Prozent Ja-Stimmen angenommen.
Bauen trotz Schutzzone
Die Forderung war klar: Die Hegmatte soll mit einer Schutzzone überlagert und nicht überbaut werden. Gemeindeammann Buchser, der auch in der Geschäftsleitung eines Ingenieur-Unternehmens sitzt, treibt sein Vorhaben trotz Annahme der Initiative mit Volldampf weiter. Die Hegmätteler wollen sich das nicht gefallen lassen. Um dem Volkswillen Nachdruck zu verleihen, haben sie nun eigene Kandidaten für den Gemeinderat aufgestellt, unter anderem auch für das Amt des Gemeindeammanns.
Für Andres Wälty (55), Schreiner und Präsident des Vereins Pro Landwirtschaftszone Hegmatte, ist klar: «Letztendlich läuft es auf eine komplette Überbauung der Hegmatte hinaus, wenn das Bahndepot gebaut wird.» Eine Schutzzone auf der Hegmatte kam zwar unlängst offiziell durch. Doch das Bahndepot mit dazugehöriger Werkstatt will Gemeindeammann Buchser trotzdem dort hinstellen.
«Landschaftsschutzzone hin oder her. Der Gemeinderat betreibt hier nur eine Salamitaktik», sagt Wälty zu Blick. «Ist die Bahnanlage einmal gebaut, wird das ganze Gebiet derart abgewertet, dass eine Einzonung zu einem späteren Zeitpunkt kaum zu verhindern sein wird.»
Gemeinderat will nichts von Alternativlösung wissen
Was das für die Landwirtschaft in dem Gebiet bedeutet, weiss Bauer Georg Ackermann (62). Er ist Pächter auf der Hegmatte. «Mich als Bauer schmerzt das einfach, wenn ich sehe, dass man hier elf Hektare Land zerschneidet, womit es nicht mehr rationell landwirtschaftlich genutzt werden kann.» Er selber habe dann eine Hektare weniger Land. Ausser ihm seien aber auch noch andere betroffen. «Drei weitere Bauern bewirtschaften hier zum Teil noch grössere Flächen als ich.»
Dabei gäbe es eigentlich mit dem Ausbau der bestehenden Anlagen in Bahnhofsnähe eine Alternativlösung. Für den Gemeinderat ist diese jedoch vom Tisch. Als Grund gibt er die Schützenswürdigkeit der Gebäude auf dem Mühleareal zwischen Bahnhof und Hegmatte an. Dabei handelt es sich um ein hässliches Fabrikgebäude und die dazugehörige Fabrikantenvilla.
«Schöftland ist kein Königreich»
Dass Gemeindeammann Buchser das Bahnprojekt auf der Hegmatte als unumgänglich darstellt, stösst Wälty sauer auf. «Schöftland ist kein Königreich. Das Dorf gehört uns allen. Eine Überbauung der Hegmatte, auch mit Bahnanlagen, ist nicht im Sinn unserer Initiative. Der Gemeindeammann sollte das Resultat der Abstimmung respektieren und den Volkswillen vertreten.»
Weil er dies nicht tut, sägen die Hegmätteler nun an seinem Stuhl: Mit Vorstandsmitglied Mauro Bino (63, die Mitte) haben sie einen eigenen Kandidaten für das Amt des Gemeindeammanns aufgestellt. Andreas Wälty kandidiert als Parteiloser für den Gemeinderat und als Vizeammann. Weil mit Anja Gestmann (57, SP) zusätzlich auch eine bisherige Gemeinderätin für das Amt des Gemeindeammanns kandidiert, besteht die Möglichkeit, dass niemand die nötigen Stimmen bekommt und ein zweiter Wahlgang durchgeführt werden muss.
Gemeindeammann Buchser wollte die Fragen von Blick nicht beantworten und liess ein bereits vereinbartes Treffen kurzfristig platzen.