Den Schock hat Bauer Christian Albrecht (53) noch immer nicht richtig verdaut. Zusammen mit seiner Frau Jasmin (45) erhielt der Landwirt Anfang Dezember 2020 Besuch von der Gemeinde Bubikon ZH. Im Gepäck: ein dickes Dossier der SBB. Das Papier hat es in sich! «Die SBB bedrohen unsere Existenz», sagt der Bauer zu BLICK.
Wo bislang Kühe weiden, Obst und Gemüse angebaut werden und seltene Tiere leben, sollen bald die Bagger auffahren. Für die geplante Verdoppelung des S-Bahn-Netzes brauchen die SBB und der Zürcher Verkehrsverbund ZVV ab 2030 zusätzliche Abstellgleise.
«Gebiet wird praktisch unbewohnbar»
Drei zusätzliche Anlagen sind geplant, eine davon in Bubikon. Auf 80'000 Quadratmetern (umgerechnet rund 20 Fussballfelder) soll hier ein Projekt gigantischen Ausmasses entstehen: Abstellgleise, Reinigungs- und Entsorgungsanlagen sowie eine Reparaturhalle – mitten in der Landwirtschaftszone.
«Für die Natur und auch für uns Einwohner ist das ein brutaler Eingriff», sagt Reto Frey (39). Er ist im Weiler aufgewachsen, lebt mit seiner Familie nur wenige Meter von der geplanten Überbauung entfernt. «Eine solche Anlage ist ein 24-Stunden-Betrieb. Das Gebiet wird dadurch praktisch unbewohnbar.»
Frey deutet auf den Plan der SBB: «Die bestehenden Hügel werden weggesprengt, um die Anlage ebenerdig bauen zu können. Von den Wiesen und Bäumen bleibt nichts mehr übrig, die Züge fahren unmittelbar an den Häusern vorbei – rund um die Uhr, das ganze Jahr.»
SBB verteidigen Vorgehen
Die SBB hätten neun Standorte in der Region evaluiert, Bubikon sei als einziger übrig geblieben. Frey zweifelt: «Bei der Evaluation wurden entscheidende Kriterien nicht beachtet. Hier in der Region gibt es viele Wildtiere, etwa Fledermäuse oder Rehe. Ihr Lebensraum würde durch die Überbauung zerstört.» Zudem sei die Trinkwasserversorgung der Gemeinde gefährdet. Denn: «Die Anlage verläuft mitten durch die höchste Gewässerschutzzone.»
Die SBB verteidigen ihre Pläne. «Der Standort Bubikon ist der einzige Standort in der geforderten Grösse, der aus betrieblicher Sicht und unter Berücksichtigung der Umweltkriterien infrage kommt», sagt SBB-Sprecher Reto Schärli zu BLICK. Die Anlagen müssten am Ende der Linien liegen, «damit der Weg in die Anlage entsprechend kurz ist und Züge schnell verlängert und verkürzt werden können».
Um das Megaprojekt zu verhindern, haben die Anwohner die IG Pro Brach Fuchsbühl gegründet. Dass die Anlage mitten in einer Landwirtschaftszone gebaut werden soll, sei kein Zufall, erklärt IG-Sprecherin Nicole Fritschi. «Die SBB können solche Baugesuche mit einfachen Begründungen durchsetzen, denn am Ende geht es vermeintlich um den öffentlichen Verkehr.»
Kein Verständnis in der Bevölkerung
Fritschi kann nicht verstehen, dass für die Anlage zusätzliches Kulturland vernichtet werden soll. «Die SBB haben in der Stadt riesige Bahnareale, die die Verantwortlichen für Geschäfts- und Wohnbauten umnutzen wollen. Als Ersatz dafür soll fruchtbarer Boden beansprucht werden, dabei erfüllen die alten Anlagen den Zweck bestens.»
Die SBB kontern. «Die Verkürzung und Verlängerung der Züge ist nicht im Raum Hauptbahnhof möglich, da wertvolle Minuten verloren gehen würden. Dadurch würde auch die Kapazität der unterirdischen Durchgangsbahnhöfe massiv vermindert», erklärt der SBB-Sprecher. Die bestehenden Areale würden sich an ungünstigen Orten oder «auf der falschen Seite des Gleisfeldes» befinden.
Gespräche sollen Klarheit bringen
Die Interessengemeinschaft hofft nun, mit den SBB am runden Tisch eine alternative Lösung zu finden. IG-Sprecherin Fritschi: «Für so ein Vorhaben muss es eine vernünftige Lösung geben, welche Ressourcen schont. Mit Nachhaltigkeit hätte so eine Zerstörung nichts zu tun!»
SBB-Sprecher Schärli betont, man befinde sich mit den Anwohnern in Gesprächen. Ein Lichtblick? Vielleicht. Landwirt Christian Albrecht weiss aber auch, dass die SBB ihn enteignen könnten. Freiwillig gebe er sein Land aber nicht her: «Natürlich ist das ein Kampf von David gegen Goliath, aber wir geben nicht auf! Das Projekt darf es nicht geben.»