Die Anklageschrift gegen Thomas N. enthüllt die Fakten zum Vierfach-Mord von Rupperswil AG
Das Drehbuch des Grauens

Der Vierfach-Killer ergötzte sich während Monaten an seinen Mordfantasien. Bereits 2015 wusste er, dass er zum Mörder werden will.
Publiziert: 12.03.2018 um 23:57 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2018 um 01:51 Uhr
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Wurden in ihrem eigenen Haus ermordet: Carla Schauer (Mitte, †48) mit ihren beiden Söhnen Davin (l., †13) und Dion (r., †19).
Foto: ZVG
Nicole Bruhin, Michael Sahli

Seit der Verhaftung des Vierfach-Killers von Rupperswil AG fragte sich die Schweiz: Wie kann ein Mensch eine ganze Familie dermassen brutal auslöschen? Wie konnte Killer Thomas N.* (34) vier Menschen die Kehle aufschlitzen und weiterleben, als wäre nichts gewesen? Und vor allem: Warum?

Die gestern veröffentlichte Anklageschrift enthält schockierende Fakten. Sie zeichnet das Bild eines manipulativen, eiskalten, pädophilen Killers. Eines Mannes in den Dreissigern, der bei seiner Mutter wohnte und sich von ihr seinen aufwendigen Lebensstil finanzieren liess. Der es schaffte, der eigenen Mutter und Mitbewohnerin eine erfolgreiche akademische Karriere vorzu­gaukeln, obwohl er zahlreiche Studiengänge abbrach und arbeitslos war.

Und: Eines Mannes, der sich während Monaten an seinen blutigen Fantasien ergötzte, bevor er sie in die Tat umsetzte.

Konkretere Mordfantasien

Mehr als ein halbes Jahr vor der Bluttat am 21. Dezember 2015 wusste Thomas N. bereits, dass er zum Mörder werden will. Schon im Frühling 2015 beschloss er, «von anderen Leuten auf deliktische Art und Weise Geld zu erhalten und diese zu töten», heisst es in der Anklageschrift, die grösstenteils auf den Aussagen des Killers beruhen dürfte.

N. erging sich fortan an immer konkreteren Mordfantasien. Bis es im Sommer zu einer fatalen Zufallsbegegnung kommt: Thomas N., der schon lange um seine pädophile Neigung weiss, trifft sein späteres Opfer Davin Schauer (†13) auf der Strasse. «Da ihm Davin Schauer gefiel, nahm er ihn in sein Gedankenspiel auf», so die Anklage. Es dürfte der Moment gewesen sein, in dem Thomas N. entscheidet, Familie Schauer auszulöschen.

In den folgenden Monaten tastet sich N. langsam an seine Opfer heran. Immer wieder begegnet er dem 13-jährigen Davin – scheinbar zufällig – im Dorf, geniesst den «Kick».

Im Sommer beginnt N. Tatwerkzeug einzukaufen. Kabelbinder und Fackelöl in einem Baugeschäft. In einem Erotikmarkt diverses Sexspielzeug. Am Schluss, nur Wochen vor der Tat, kauft er ein Küchenmesser bei einem Detailhändler. 30 Zentimeter lang. Glatter Schliff. Schwarzer Griff. Kurz vor dem Tattag komplettiert N. seinen Plan. Er beschliesst, sich als Schulpsychologe auszugeben. Der Killer druckt sich eine Visitenkarte, die ihn als «Dr. Sebastian Meier» ausweist. Seine Story: An der Schule von Davin habe es einen Suizid gegeben, den er aufklären müsse.

Am 21. Dezember 2015 klingelt Thomas N. schliesslich beim Haus der Familie. Carla Schauer (†48) ist fassungslos ob des vermeintlichen Suizids eines Schülers, lässt den «Schulpsychologen» ins Haus – der Beginn eines unvorstellbaren Martyriums.

Es gehe nur ums Geld

Nach einem Gespräch mit N. weckt Carla Schauer ihren Sohn Davin und bittet ihn in die Küche, während sie selber ins Bad geht. Einmal mit dem jüngsten Sohn alleine, fällt die Maske von Thomas N. Er packt Davin von hinten, hält ihm das Messer an die Kehle, fesselt ihn mit Kabelbindern. Anschliessend zwingt er Carla Schauer, ihren anderen Sohn Dion (†19) und dessen Freundin Simona F. (†21) in ihrem Zimmer zu fesseln und mit dem Klebeband zu knebeln.

Thomas N. will Geld. Schickt Carla Schauer zur Bank. Sie solle durchatmen und gelassen wirken, sagte er ihr. Es gehe nur ums Geld, versichert er ihr. Als die Mutter zurückkehrt, übergibt sie ihrem späteren Mörder knapp 11'000 Franken.

Der Killer vergeht sich sexuell an Davin. Während rund 30 Minuten, in denen er den 13-Jährigen mit dem Messer bedroht. Und seine Tat in Video und Foto dokumentiert. Wegen der menschenverachtenden Brutalität des Vorgehens von Thomas N. wird hier auf weitere Schilderungen des Missbrauchs verzichtet.

Nach dem Missbrauch geht Thomas N. von Zimmer zu Zimmer. Dreht seine gefesselten Opfer auf den Bauch und schneidet ihnen von hinten die Kehlen durch. Alle Familienmitglieder verbluten. Dann zündet N. das Haus an. Geht heim zum Duschen. Und mit seiner Mutter spazieren.

Thomas N. lebt sein Leben normal weiter, verprasst das Geld seiner Opfer für Markenkleider, zahlt damit diverse Rechnungen und lädt seine ­Mutter zum 60. Geburtstag nach Paris ein.

* Namen bekannt

Der Fall

Die Feuerwehrmänner sind die Ersten, die das Grauen zu Gesicht bekommen. Vier verkohlte Leichen. Es handelt sich um Carla Schauer (†48), Sohn Davin (†13), Sohn Dion (†19) und seine Freundin Simona (†21). Es ist der 21. Dezember 2015, ein Montag. Der Tag geht in die Schweizer Kriminalgeschichte ein. Der Mörder ist Thomas Nick (heute 35). Schweizer, Junggeselle, unscheinbar. Er wohnte 500 Meter vom Tatort entfernt. Mit einer List schlich er sich ins Haus. Während er die übrigen Fami­lienmitglieder gefangen hält und bedroht, liess er Carla Schauer Bargeld besorgen. Dabei plante er die Tötung aller Anwesenden von Anfang an. Den jüngeren Sohn missbraucht er. Alle waren gefesselt und geknebelt worden, bevor er ihnen die Kehle durchschnitt. Die Leichen übergoss er mit Brandbeschleuniger und steckte sie in Brand. Rund ein halbes Jahr nach dem Verbrechen wird Nick in einem Café verhaftet. Er legt ein Geständnis ab. Wie man ihm auf die Schliche kam, sagt die ­Polizei nicht. Technische Mittel spielten eine Rolle, die Fahnder werteten Daten von 30000 Handynutzern aus. – Nick hatte wohl weitere Taten geplant.

Die Feuerwehrmänner sind die Ersten, die das Grauen zu Gesicht bekommen. Vier verkohlte Leichen. Es handelt sich um Carla Schauer (†48), Sohn Davin (†13), Sohn Dion (†19) und seine Freundin Simona (†21). Es ist der 21. Dezember 2015, ein Montag. Der Tag geht in die Schweizer Kriminalgeschichte ein. Der Mörder ist Thomas Nick (heute 35). Schweizer, Junggeselle, unscheinbar. Er wohnte 500 Meter vom Tatort entfernt. Mit einer List schlich er sich ins Haus. Während er die übrigen Fami­lienmitglieder gefangen hält und bedroht, liess er Carla Schauer Bargeld besorgen. Dabei plante er die Tötung aller Anwesenden von Anfang an. Den jüngeren Sohn missbraucht er. Alle waren gefesselt und geknebelt worden, bevor er ihnen die Kehle durchschnitt. Die Leichen übergoss er mit Brandbeschleuniger und steckte sie in Brand. Rund ein halbes Jahr nach dem Verbrechen wird Nick in einem Café verhaftet. Er legt ein Geständnis ab. Wie man ihm auf die Schliche kam, sagt die ­Polizei nicht. Technische Mittel spielten eine Rolle, die Fahnder werteten Daten von 30000 Handynutzern aus. – Nick hatte wohl weitere Taten geplant.

Das ist bekannt, das ist unklar

Das ist im Fall bekannt: 

  • Zu Hause bei Thomas N. wurde ein Rucksack mit Fesselutensilien und einer Pistole gefunden.
  • Er hatte bereits die nächste Tat geplant. Der pure Zufall soll weitere Morde verhindert haben.
  • Auf elektronischen Geräten entdeckten die Ermittler umfangreiches kinderpornografisches Material.
  • Das Küchenmesser, mit dem er die Morde begangen hat, soll er nach den Taten in einem öffentlichen Abfalleimer in Aarau entsorgt haben – eingewickelt in Geschenkpapier. Es wurde bis heute nicht gefunden.
  • Die Anklage gegen Thomas N. umfasst zahlreiche Vergehen: mehrfacher Mord, mehrfache räuberische Erpressung, mehrfache Freiheitsberaubung, mehrfache Geiselnahme, mehrfache sexuelle Handlungen mit einem Kind, mehrfache sexuelle Nötigung, Brandstiftung, mehrfache Pornografie, mehrfache Urkundenfälschung – und mehrfache strafbare Vorbereitungshandlungen.

Das ist noch unklar:

  • Wie kamen die Ermittler Thomas N. auf die Schliche?
  • Wurden im Tathaus Haare der beiden Huskies von Thomas N. gefunden?
  • Warum ging N. am Tatmorgen erst ins Haus, nachdem der Lebenspartner von Carla Schauer das Haus verlassen hatte und zur Arbeit ging?
  • Weshalb hatte er ausgerechnet Familie Schauer bzw. Sohn Davin ins Visier genommen? Welche Rolle spielt der Fussballverein?
  • Hat er im Gefängnis einen Suizidversuch hinter sich, wie lebt er hinter Gittern?
  • Bereut der Killer seine Taten?

Das ist im Fall bekannt: 

  • Zu Hause bei Thomas N. wurde ein Rucksack mit Fesselutensilien und einer Pistole gefunden.
  • Er hatte bereits die nächste Tat geplant. Der pure Zufall soll weitere Morde verhindert haben.
  • Auf elektronischen Geräten entdeckten die Ermittler umfangreiches kinderpornografisches Material.
  • Das Küchenmesser, mit dem er die Morde begangen hat, soll er nach den Taten in einem öffentlichen Abfalleimer in Aarau entsorgt haben – eingewickelt in Geschenkpapier. Es wurde bis heute nicht gefunden.
  • Die Anklage gegen Thomas N. umfasst zahlreiche Vergehen: mehrfacher Mord, mehrfache räuberische Erpressung, mehrfache Freiheitsberaubung, mehrfache Geiselnahme, mehrfache sexuelle Handlungen mit einem Kind, mehrfache sexuelle Nötigung, Brandstiftung, mehrfache Pornografie, mehrfache Urkundenfälschung – und mehrfache strafbare Vorbereitungshandlungen.

Das ist noch unklar:

  • Wie kamen die Ermittler Thomas N. auf die Schliche?
  • Wurden im Tathaus Haare der beiden Huskies von Thomas N. gefunden?
  • Warum ging N. am Tatmorgen erst ins Haus, nachdem der Lebenspartner von Carla Schauer das Haus verlassen hatte und zur Arbeit ging?
  • Weshalb hatte er ausgerechnet Familie Schauer bzw. Sohn Davin ins Visier genommen? Welche Rolle spielt der Fussballverein?
  • Hat er im Gefängnis einen Suizidversuch hinter sich, wie lebt er hinter Gittern?
  • Bereut der Killer seine Taten?
Die Chronologie der Ereignisse
  • 21. Dezember 2015: Der Vierfachmord von Rupperswil AG erschüttert die Schweiz.
     
  • 24. Dezember 2015: Die Polizei fahndet nach dem Vierfachmörder – unter anderem mit Flugblättern.
     
  • Januar 2016: Für die vier Opfer finden die Trauerfeiern statt.
     
  • 18. Februar 2016: Die Behörden setzen an einer Medienkonferenz eine Belohnung von 100'000 Franken für den entscheidenden Hinweis aus.
     
  • April 2016: Der Fall wird als Beitrag für ZDF-Sendung «Aktenzeichen XY...ungelöst» geplant.
     
  • 12. Mai 2016: Thomas N.* wird im Starbucks in Aarau verhaftet.
     
  • 13. Mai 2016: Die Behörden informieren mit einer Pressekonferenz über die Verhaftung.
     
  • 16. Mai 2016: Es wird bekannt, dass Renate Senn die Pflichtverteidigerin von Thomas N. wird.
     
  • Später: Thomas N. sitzt in der Justizvollzugsanstalt Lenzburg AG in Haft und wird für mehrere 10'000 Franken pro Monat rund um die Uhr überwacht – wegen Suizidgefahr!
     
  • Februar 2017: Thomas N. wird versetzt. Er kommt in die Justizvollzugsanstalt Pöschwies nach Regensdorf ZH.
     
  • 11. Mai 2017: Die Gutachten der beiden unabhängigen Gutachter liegen vor. Diese braucht es, damit das Gericht eine allfällige lebenslange Verwahrung anordnen könnte.
     
  • 7. September 2017: Die Aargauer Staatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen den Vierfach-Killer.
     
  • 13. März 2018: Der Prozess gegen Thomas N. beginnt. Er ist für vier Tage anberaumt.
     
  • 16. März 2018: Das Urteil gegen Thomas N. soll verkündet werden.

*Name der Redaktion bekannt

  • 21. Dezember 2015: Der Vierfachmord von Rupperswil AG erschüttert die Schweiz.
     
  • 24. Dezember 2015: Die Polizei fahndet nach dem Vierfachmörder – unter anderem mit Flugblättern.
     
  • Januar 2016: Für die vier Opfer finden die Trauerfeiern statt.
     
  • 18. Februar 2016: Die Behörden setzen an einer Medienkonferenz eine Belohnung von 100'000 Franken für den entscheidenden Hinweis aus.
     
  • April 2016: Der Fall wird als Beitrag für ZDF-Sendung «Aktenzeichen XY...ungelöst» geplant.
     
  • 12. Mai 2016: Thomas N.* wird im Starbucks in Aarau verhaftet.
     
  • 13. Mai 2016: Die Behörden informieren mit einer Pressekonferenz über die Verhaftung.
     
  • 16. Mai 2016: Es wird bekannt, dass Renate Senn die Pflichtverteidigerin von Thomas N. wird.
     
  • Später: Thomas N. sitzt in der Justizvollzugsanstalt Lenzburg AG in Haft und wird für mehrere 10'000 Franken pro Monat rund um die Uhr überwacht – wegen Suizidgefahr!
     
  • Februar 2017: Thomas N. wird versetzt. Er kommt in die Justizvollzugsanstalt Pöschwies nach Regensdorf ZH.
     
  • 11. Mai 2017: Die Gutachten der beiden unabhängigen Gutachter liegen vor. Diese braucht es, damit das Gericht eine allfällige lebenslange Verwahrung anordnen könnte.
     
  • 7. September 2017: Die Aargauer Staatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen den Vierfach-Killer.
     
  • 13. März 2018: Der Prozess gegen Thomas N. beginnt. Er ist für vier Tage anberaumt.
     
  • 16. März 2018: Das Urteil gegen Thomas N. soll verkündet werden.

*Name der Redaktion bekannt

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