Dunkle Rauchschwaden zerstören am 21. Dezember 2015 die Idylle im Spitzbirrli-Quartier in Rupperswil AG. Ein Haus brennt. Um 11.20 Uhr schlägt eine Nachbarin Alarm – fast gleichzeitig mit den Eltern der Hausbewohnerin, die ihrer Tochter und den beiden Enkeln gerade Weihnachtsgeschenke bringen wollen.
Die eintreffenden Feuerwehrmänner machen die grausige Entdeckung. Im Haus hat es vier Leichen. Carla Schauer (†48) liegt im 1. Stock auf dem Bett im Elternschlafzimmer – tot. Auf der gleichen Etage liegt ihr Sohn Davin (†13) in seinem Bett – die Feuerwehrleute tragen ihn noch aus dem Haus. Doch auch er ist tot. Im Dachgeschoss zwei weitere Leichen – ebenfalls im Bett: der ältere Sohn Dion (†19) und seine Freundin Simona (†21).
Der Täter ist nicht weit entfernt
Was zu diesem Zeitpunkt noch niemand ahnt: Der Täter ist Thomas N.* (heute 34). Ein unscheinbarer Junggeselle, der nur 500 Meter entfernt wohnt. Die Ermittler stehen in den Wochen und Monaten nach der Tat vor einem Rätsel. Jede noch so kleine Spur wird verfolgt. Alles versucht. Über ihrer Arbeit schwebt Tag für Tag die gleiche Frage: Wer macht so etwas? Und warum? Auf den gescheiterten Jus-Studenten, der noch bei seiner Mutter wohnt, weist da noch nichts hin. Thomas N. wähnt sich monatelang in Sicherheit.
Allen Beteiligten ist sofort klar: Der grausame Vierfachmord wird als eines der schlimmsten Verbrechen in die Schweizer Kriminalgeschichte eingehen. Vor Prozessbeginn am kommenden Dienstag sind viele Details der Wahnsinnstat bekannt. Die Ermittler wissen schnell: Der Vierfachmord war keine Tat im Affekt, sondern eiskalt geplant. BLICK zeichnet die Abgründe nach.
Schon am frühen Morgen des 21. Dezember 2015 steht Thomas N. vor dem Haus von Carla Schauer. Erst als ihr Lebenspartner Georg Metger (50) zur Arbeit geht, tritt Thomas N. kurz nach 7.15 Uhr zum Haus. Carla Schauer öffnet. Die beiden kennen sich – zumindest vom Sehen. Mit einer List schafft es Thomas N. ins Haus.
Alle in seiner Gewalt
Das Martyrium beginnt. Er bedroht den jüngeren Sohn Davin, zwingt Carla Schauer so dazu, ihren älteren Sohn Dion und dessen Freundin Simona zu knebeln und zu fesseln. Als die Mutter den Anweisungen gefolgt ist, muss sie auch ihren jüngsten Sohn fesseln und knebeln.
Nun verlangt Thomas N. von Carla Schauer, dass sie ihm am Laptop ihre finanziellen Möglichkeiten aufzeigt. Als um 9.30 Uhr eine Nachbarin kommt, um den Familienhund Chilli abzuholen, öffnet Carla Schauer die Türe nur einen Spalt. Die Nachbarin merkt nicht, welcher Horror sich zeitgleich im Haus abspielt.
Danach muss Carla Schauer Geld bei zwei Banken holen. Sie fährt allein in ihrem Audi los. Gegen 9.50 Uhr bezieht sie 1000 Euro am Bankomaten der Hypothekarbank Lenzburg in Rupperswil. Gegen 10.10 Uhr hebt sie rund 10'000 Franken in der Filiale der Aargauischen Kantonalbank in Wildegg AG ab.
Die Ermittlungen starten nach dem Leichenfund
Als Carla Schauer um 10.30 Uhr ins Haus zurückkehrt, wird auch sie geknebelt und gefesselt. Dann vergeht sich Thomas N. an Davin. Schliesslich schneidet er allen vieren die Kehle durch und zündet die Körper mit Brandbeschleuniger an. Thomas N. verlässt das Haus – unbemerkt. Die Feuerwehr ist rasch da und findet gegen 11.30 Uhr die Leichen. Die Ermittlungen starten.
Zuerst werden die sieben engsten Angehörigen einvernommen. Georg Metger, dessen Ex-Frau und ihr gemeinsamer Sohn. R. S., der Vater der beiden getöteten Kinder, und dessen neue Frau sowie die Eltern von Carla Schauer. Sie müssen ihre Fingerabdrücke und DNA abgeben. Von ihnen ist später niemand mehr tatverdächtig.
Unfassbar: Thomas N. geht nach der Tat mit Spielern seines Junioren-Fussballteams ins Steakhouse und ins Casino nach Zürich. Er lebt weiter sein Leben, verschickt Weihnachtsgrüsse an Freunde.
Auch Bekannte und Nachbarn müssen ihre DNA abgeben
Die Schweiz rätselt weiter. Eine 40-köpfige Sonderkommission arbeitet rund um die Uhr. 100 weitere Beamte helfen bei den Ermittlungen. Bald müssen auch Bekannte, Freunde und Leute aus dem Quartier ihre DNA abgeben. Für den entscheidenden Hinweis auf den Täter wird eine Belohnung von 100'000 Franken ausgesetzt. Immer noch kein Treffer.
Die Ermittler setzen auf ein weiteres Mittel: auf die Swisscom mit ihren Handyantennen. Rund 30’000 Daten von Handys, die sich am Tatmorgen rund um den Tatort in die Funkmasten eingeloggt haben, werden überprüft. Eine Sisyphusarbeit. Jede Nummer wird abgeklärt oder angerufen. Auch ein Beitrag für die TV-Sendung «Aktenzeichen XY ... ungelöst» wird vorbereitet.
Der Täter lässt sich eingrenzen
Zusammen mit nationalen und internationalen Profilern kommt man Thomas N. in den Wochen endlich Schritt für Schritt näher. Die Experten können das Täterprofil eingrenzen: Der Mann ist zwischen 30 und 40 Jahre alt, möglicherweise alleinstehend. Und: Weil Dash-Cam-Auswertungen und Hinweise aus der Bevölkerung nichts gebracht haben, wohnt er vermutlich in der Region und fiel deshalb nach der Tat niemandem auf. Vielleicht lebt er zurückgezogen. Ohne festen Job.
Und die Ermittler wissen etwas, das die Öffentlichkeit noch nicht weiss: Der Täter könnte wegen des sexuellen Übergriffs am jüngsten Sohn in einem Verein agieren, mit Kindern zu tun haben. Thomas N. kommt als Junioren-Fussballtrainer schliesslich auf den Radar der Ermittler. Er wird über drei Tage hinweg beschattet.
Thomas N. gibt die Tat zu
Dann, rund fünf Monate nach der Tat, schlagen zivile Beamte zu. Im Starbucks in Aarau wird Thomas N. am Laptop sitzend verhaftet. Die Beamten ziehen ihm eine schwarze Mütze über den Kopf, damit er nicht sieht, wohin er gebracht wird – und damit niemand sieht, wer da abgeführt wird. Thomas N. gibt den Vierfachmord sofort zu. Die Spuren, die man im Mordhaus gefunden hat, stimmen mit seiner DNA überein.
Am nächsten Tag, 146 Tage nach der Schreckenstat, verkündet der leitende Oberstaatsanwalt Philipp Umbricht an einer Pressekonferenz in den Räumlichkeiten der Mobilen Einsatzpolizei in Schafisheim AG die erlösenden Worte: «Die Zeit der Unsicherheit ist vorbei. Der Täter ist gefasst.» Seither hockt der Vierfach-Killer im Gefängnis.
Nächsten Dienstag wird Thomas N. selbst im Saal in Schafisheim sitzen. Bei seinem eigenen Prozess. Ob er dort die alles entscheidende Frage nach dem Warum beantworten wird, ist unklar.
* Namen der Redaktion bekannt
- 21. Dezember 2015: Der Vierfachmord von Rupperswil AG erschüttert die Schweiz.
- 24. Dezember 2015: Die Polizei fahndet nach dem Vierfachmörder – unter anderem mit Flugblättern.
- Januar 2016: Für die vier Opfer finden die Trauerfeiern statt.
- 18. Februar 2016: Die Behörden setzen an einer Medienkonferenz eine Belohnung von 100'000 Franken für den entscheidenden Hinweis aus.
- April 2016: Der Fall wird als Beitrag für ZDF-Sendung «Aktenzeichen XY...ungelöst» geplant.
- 12. Mai 2016: Thomas N.* wird im Starbucks in Aarau verhaftet.
- 13. Mai 2016: Die Behörden informieren mit einer Pressekonferenz über die Verhaftung.
- 16. Mai 2016: Es wird bekannt, dass Renate Senn die Pflichtverteidigerin von Thomas N. wird.
- Später: Thomas N. sitzt in der Justizvollzugsanstalt Lenzburg AG in Haft und wird für mehrere 10'000 Franken pro Monat rund um die Uhr überwacht – wegen Suizidgefahr!
- Februar 2017: Thomas N. wird versetzt. Er kommt in die Justizvollzugsanstalt Pöschwies nach Regensdorf ZH.
- 11. Mai 2017: Die Gutachten der beiden unabhängigen Gutachter liegen vor. Diese braucht es, damit das Gericht eine allfällige lebenslange Verwahrung anordnen könnte.
- 7. September 2017: Die Aargauer Staatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen den Vierfach-Killer.
- 13. März 2018: Der Prozess gegen Thomas N. beginnt. Er ist für vier Tage anberaumt.
- 16. März 2018: Das Urteil gegen Thomas N. soll verkündet werden.
*Name der Redaktion bekannt
- 21. Dezember 2015: Der Vierfachmord von Rupperswil AG erschüttert die Schweiz.
- 24. Dezember 2015: Die Polizei fahndet nach dem Vierfachmörder – unter anderem mit Flugblättern.
- Januar 2016: Für die vier Opfer finden die Trauerfeiern statt.
- 18. Februar 2016: Die Behörden setzen an einer Medienkonferenz eine Belohnung von 100'000 Franken für den entscheidenden Hinweis aus.
- April 2016: Der Fall wird als Beitrag für ZDF-Sendung «Aktenzeichen XY...ungelöst» geplant.
- 12. Mai 2016: Thomas N.* wird im Starbucks in Aarau verhaftet.
- 13. Mai 2016: Die Behörden informieren mit einer Pressekonferenz über die Verhaftung.
- 16. Mai 2016: Es wird bekannt, dass Renate Senn die Pflichtverteidigerin von Thomas N. wird.
- Später: Thomas N. sitzt in der Justizvollzugsanstalt Lenzburg AG in Haft und wird für mehrere 10'000 Franken pro Monat rund um die Uhr überwacht – wegen Suizidgefahr!
- Februar 2017: Thomas N. wird versetzt. Er kommt in die Justizvollzugsanstalt Pöschwies nach Regensdorf ZH.
- 11. Mai 2017: Die Gutachten der beiden unabhängigen Gutachter liegen vor. Diese braucht es, damit das Gericht eine allfällige lebenslange Verwahrung anordnen könnte.
- 7. September 2017: Die Aargauer Staatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen den Vierfach-Killer.
- 13. März 2018: Der Prozess gegen Thomas N. beginnt. Er ist für vier Tage anberaumt.
- 16. März 2018: Das Urteil gegen Thomas N. soll verkündet werden.
*Name der Redaktion bekannt
Das ist im Fall bekannt:
- Zu Hause bei Thomas N. wurde ein Rucksack mit Fesselutensilien und einer Pistole gefunden.
- Er hatte bereits die nächste Tat geplant. Der pure Zufall soll weitere Morde verhindert haben.
- Auf elektronischen Geräten entdeckten die Ermittler umfangreiches kinderpornografisches Material.
- Das Küchenmesser, mit dem er die Morde begangen hat, soll er nach den Taten in einem öffentlichen Abfalleimer in Aarau entsorgt haben – eingewickelt in Geschenkpapier. Es wurde bis heute nicht gefunden.
- Die Anklage gegen Thomas N. umfasst zahlreiche Vergehen: mehrfacher Mord, mehrfache räuberische Erpressung, mehrfache Freiheitsberaubung, mehrfache Geiselnahme, mehrfache sexuelle Handlungen mit einem Kind, mehrfache sexuelle Nötigung, Brandstiftung, mehrfache Pornografie, mehrfache Urkundenfälschung – und mehrfache strafbare Vorbereitungshandlungen.
Das ist noch unklar:
- Wie kamen die Ermittler Thomas N. auf die Schliche?
- Wurden im Tathaus Haare der beiden Huskies von Thomas N. gefunden?
- Warum ging N. am Tatmorgen erst ins Haus, nachdem der Lebenspartner von Carla Schauer das Haus verlassen hatte und zur Arbeit ging?
- Weshalb hatte er ausgerechnet Familie Schauer bzw. Sohn Davin ins Visier genommen? Welche Rolle spielt der Fussballverein?
- Hat er im Gefängnis einen Suizidversuch hinter sich, wie lebt er hinter Gittern?
- Bereut der Killer seine Taten?
Das ist im Fall bekannt:
- Zu Hause bei Thomas N. wurde ein Rucksack mit Fesselutensilien und einer Pistole gefunden.
- Er hatte bereits die nächste Tat geplant. Der pure Zufall soll weitere Morde verhindert haben.
- Auf elektronischen Geräten entdeckten die Ermittler umfangreiches kinderpornografisches Material.
- Das Küchenmesser, mit dem er die Morde begangen hat, soll er nach den Taten in einem öffentlichen Abfalleimer in Aarau entsorgt haben – eingewickelt in Geschenkpapier. Es wurde bis heute nicht gefunden.
- Die Anklage gegen Thomas N. umfasst zahlreiche Vergehen: mehrfacher Mord, mehrfache räuberische Erpressung, mehrfache Freiheitsberaubung, mehrfache Geiselnahme, mehrfache sexuelle Handlungen mit einem Kind, mehrfache sexuelle Nötigung, Brandstiftung, mehrfache Pornografie, mehrfache Urkundenfälschung – und mehrfache strafbare Vorbereitungshandlungen.
Das ist noch unklar:
- Wie kamen die Ermittler Thomas N. auf die Schliche?
- Wurden im Tathaus Haare der beiden Huskies von Thomas N. gefunden?
- Warum ging N. am Tatmorgen erst ins Haus, nachdem der Lebenspartner von Carla Schauer das Haus verlassen hatte und zur Arbeit ging?
- Weshalb hatte er ausgerechnet Familie Schauer bzw. Sohn Davin ins Visier genommen? Welche Rolle spielt der Fussballverein?
- Hat er im Gefängnis einen Suizidversuch hinter sich, wie lebt er hinter Gittern?
- Bereut der Killer seine Taten?