Auf einen Blick
- Syrerin in der Schweiz Opfer einer arrangierten Ehe
- Ehemann misshandelte sie und erpresste sie mit Unterwäschefoto
- Vier Jahre Gefängnis und zehn Jahre Landesverweis für den Täter
Eine junge Syrerin, die mit 17 Jahren in die Schweiz kam, soll hierzulande das Grauen einer arrangierten Ehe erlebt haben. Ihre Eltern verheirateten sie mit einem neun Jahre älteren Landsmann. Die von Gewalt und Drohungen geprägte Ehe führte zu sozialer Isolation und Abhängigkeit. Jetzt hat sich das Bezirksgericht Lenzburg mit dem Fall befasst, wie die «Aargauer Zeitung» berichtet. Er zeigt, wie schwierig es für Betroffene ist, Hilfe zu erhalten. Hinzu kommt, dass das Opfer nicht wollte, dass ihr Mann wegen Vergewaltigung verurteilt wird – aus mehreren Gründen.
Im Gerichtssaal erzählt die Syrerin laut der Zeitung mit zitternder Stimme, dass ihr Mann sie schlecht behandelt habe. «Ich konnte die Sprache nicht und hatte keine Freunde», sagt sie. Der Richter fragt weiter: «Hat er Ihnen gedroht, Ihre Tochter wegzunehmen?» «Ja.» «Hat er Ihnen Handy und Pass abgenommen?» «Ja. Weil ich mich scheiden lassen wollte.» «Hat er Sie geschlagen?» «Mit der Hand und manchmal mit Geschirr.» «Hat er den Sexualakt mit Gewalt erzwungen?»
Hier wird sie still. «Wenn ich alles erzähle, wird er bestraft. Ich will nicht, dass meine Tochter ihren Vater nicht mehr sieht.»
Die Strafanträge wollte sie vor der Verhandlung zurückziehen. Das ist bei Offizialdelikten aber nicht möglich. «Bei der Polizei haben Sie noch ausgesagt», sagt der Richter. «Warum jetzt nicht mehr? Dafür könnten Sie selber bestraft werden.» Es folgt langes Schweigen, dann: «Okay, fragen Sie weiter.»
Erpressung mit Unterwäschefoto
Der Richter fragt, ob sie bei der Polizei gelogen habe, was sie verneint. Laut Anklageschrift soll er gegen ihren Willen in sie eingedrungen sein. «Die Drucksituation war derart gross, dass sie ihn über Monate hinweg den Geschlechtsverkehr an ihr vollziehen liess», stellt die Staatsanwaltschaft fest.
Im September 2021 eskalierte ein Streit. Der Beschuldigte schlug und würgte seine Frau. Anschliessend erpresste er sie mit einem Foto von ihr in Unterwäsche. Im Kantonsspital Aarau alarmierte sie letztlich die Polizei.
Lelia Hunziker, Aargauer SP-Grossrätin und Leiterin der Fachstelle Frauenhandel und Frauenmigration (FIZ), betont gegenüber der «Aargauer Zeitung»: «Ein solcher Fall zeigt, wie schwierig es für die Betroffenen oft ist, sich Hilfe zu holen.» Drohungen seien häufig, besonders wenn Kinder involviert sind. Weitere Hürden seien Sprache, soziale Isolation, finanzielle Abhängigkeit und fehlendes Wissen über Hilfsangebote.
Hunziker kritisiert Paragraf 50 des Ausländerintegrationsgesetzes, der das Aufenthaltsrecht an den Ehepartner knüpft. «Gerade Personen in Gewaltehen haben oft kaum die Möglichkeit, sich zu integrieren», sagt sie. Bei einer Scheidung droht die Ausweisung. Ein Härtefallgesuch wegen häuslicher Gewalt ist möglich, aber eine Garantie auf einen Verbleib in der Schweiz gibt es nicht.
Täter streitet alles ab
Im Juni entschärften National- und Ständerat den umstrittenen Paragrafen. Bald soll gelten: Opfer häuslicher Gewalt können auch im Scheidungsfall leichter ein Härtefallgesuch stellen und in der Schweiz bleiben.
Vier Fälle wurden seit 2012 bisher im Aargau angezeigt, in den letzten fünf Jahren jedoch keiner mehr. Die Kantonspolizei Aargau und die Kantonale Fachstelle häusliche Gewalt vermuten eine hohe Dunkelziffer.
Der mutmassliche Täter hat eine andere Sicht auf die Ehe. Er habe ihre Beziehung als gut empfunden und nie Sex erzwungen. «Alle Vorwürfe stimmen nicht, meine Frau lügt», sagt er. Sein Verteidiger fordert einen Freispruch, da die Staatsanwaltschaft keine konkreten Beweise für die Vergewaltigungen vorlegen könne.
Opfer seiner Herkunft?
Der Richter betont, dass es sich um ein klassisches Vieraugendelikt handelt und die Glaubwürdigkeit der Aussagen entscheidend sei. Die Aussagen des Opfers seien weitgehend widerspruchsfrei, die des mutmasslichen Täters hingegen schwankend. Das Bezirksgericht Lenzburg verurteilt den Mann zu vier Jahren Gefängnis und einem Landesverweis von zehn Jahren. Der Verteidiger will das Urteil anfechten.
«Ich gebe ihm keine Schuld. Er ist in einer Kultur aufgewachsen, in der ein solches Verhalten normal ist», sagt das Opfer im Anschluss. Sie sieht ihren Mann vor allem als Opfer seiner Herkunft.
Blick benutzt künstliche Intelligenz als Helferin bei der Redaktionsarbeit, etwa beim Aufspüren verschiedener Quellen oder beim Erstellen von Zusammenfassungen von Texten. Blick befolgt beim Einsatz von KI strenge Regeln. So hat immer der Mensch das letzte Wort. Mehr Infos gibts hier.
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