«Ich würde nie jemandem empfehlen, zu schiessen»
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Freigesprochener Waffenhändler:«Ich würde nie jemandem empfehlen, zu schiessen»

Waffenhändler Jean-Paul Schild (60) steht in Rheinfelden AG vor Gericht
Nach Schüssen auf Einbrecher – Freispruch!

Ende Oktober 2020 ging es in einem Aargauer Dorf zu und her wie in einem Actionfilm. Als Einbrecher in ein Waffengeschäft eindringen wollen, schiesst Inhaber Jean-Paul Schild (60) auf die Gangster. Die schiessen zurück und hauen ab.
Publiziert: 25.01.2023 um 00:02 Uhr
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Aktualisiert: 25.01.2023 um 20:06 Uhr
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Waffenhändler Jean-Paul Schild auf dem Weg zum Prozess.
Foto: Ralph Donghi
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Ralph DonghiReporter News

Er wehrte sich mit seinem Gewehr gegen Einbrecher. Dafür musste sich am Mittwoch Waffenhändler Jean-Paul Schild* (60) wegen mehrfacher versuchter vorsätzlicher Tötung vor dem Bezirksgericht in Rheinfelden AG verantworten – und wurde freigesprochen.

Der Vorfall geschah am 30. Oktober 2020 in Wallbach AG. Damals wurde der 60-Jährige aus dem Schlaf gerissen, weil mitten in der Nacht sechs teils schwer bewaffnete Personen in sein Geschäft, die Schild Waffen AG, unter seiner Wohnung eindringen wollten.

Als Schild einen der Einbrecher vor seinem Schlafzimmerfenster wahrnahm, schoss er beim Fenster durch eine Wand. Daraufhin eröffneten auch die Kriminellen das Feuer. Schild schoss ebenfalls in ihre Richtung. Dann flüchteten die Täter in ihren Autos in Richtung Frankreich, wo später einer von ihnen (32) festgenommen werden konnte.

«Es ging lange, bis ich mich wieder wohlgefühlt habe»

Beim Prozess wurden die Überwachungsbilder aus der Nacht gezeigt. Schnell war im Gerichtssaal allen klar: Es ist ein Wunder, dass niemand ums Leben kam.

Zuerst sprach vor Gericht Schilds Ehefrau. Sie erzählte, dass nach dem Vorfall alle im Geschäft «nur noch mit Schutzwesten» herumgelaufen seien. Sie arbeite immer noch dort. Aber: «Es ging lange, bis ich mich wieder wohlgefühlt habe.» Ihren Mann nahm sie in Schutz.

Dann wurde Schild befragt. Er sagte: Wenn er ins Gefängnis gehen müsste, drohe ihm ein Patentverlust, und die Waffenhandelsbewilligung könnte eingezogen werden. Weiter erzählte er, dass er vor dem Vorfall schon von ähnlichen Überfällen gehört habe. Er habe deshalb seine Angestellten sensibilisiert.

«Er darf sich wehren»

Dann sprach er von der Situation am Fenster. Er habe Angst um seine Frau und sich gehabt. «Mein Ziel war nie, jemanden zu treffen oder zu töten.» Er habe den ersten Schuss so angebracht, dass er den Angreifer am Fenster nicht treffe. Auch bei den Schüssen auf die Täter-Autos habe er niemanden treffen wollen.

Der Staatsanwalt sprach von einem «filmreifen Vorfall» und bei Schild von einer «versuchten Tatbegehung». Er forderte drei Jahre Freiheitsstrafe, einen Teil davon unbedingt.

Der Anwalt von Schild forderte einen Freispruch. «Er darf sich wehren.» Schild sei «ein guter Schütze». Er habe in die Wand und in den Bereich des Motorblocks geschossen. Laut Anklage hatte Schild vier oder fünf Mal geschossen – die Angreifer gaben circa 20 Schüsse auf das Gebäude ab.

Sein Klient habe auch die Waffen schützen wollen, sagte sein Verteidiger. Damit diese später nicht «für Tötungsdelikte oder sonstige Verbrechen» verwendet worden wären. Fliehen sei keine Möglichkeit gewesen. «Es lag eine Notwehrsituation vor.» Beim letzten Wort sagte Schild, dass er seine Frau, sich und seine Waffen habe schützen wollen. «Damit die Waffen nicht in falsche Hände kommen.»

«Es war eine sehr, sehr schwierige Zeit seit dem Vorfall»

Nach dem Freispruch warnte die Gerichtspräsidentin: Das sei «kein Freibrief» für Waffenhändler zu schiessen, oder für irgendwelche Personen, die sich mit Waffen vermeintlich auskennen würden. Hier seien Leib und Leben gefährdet gewesen. Auch Waffen eines ganzen Polizeikorps hätten behändigt werden können. «Im konkreten Fall» sei die Anwendung der Waffe «das Mittel der Wahl, um Schlimmeres zu verhindern» gewesen.

Jean-Paul Schild ist froh über den Freispruch. «Es war eine sehr, sehr schwierige Zeit seit dem Vorfall.» Er würde niemandem empfehlen, «einfach so zu schiessen». Dies sei «nie, nie, nie eine Lösung» – und er ergänzt: «Macht so etwas nicht. Es ist wirklich die allerletzte Lösung, so etwas selber in die Hand zu nehmen.»

* Blick hatte die Persönlichkeit von Jean-Paul Schild zunächst geschützt. Nach dem Freispruch ist er damit einverstanden, dass man ihn nun mit seinem richtigen Namen nennt und auch sein Gesicht zeigt.

Prozess Aargauer Waffenhändler

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