Grosseinsatz in Zofingen AG am Mittwoch: Ein Unbekannter attackierte wahllos Menschen mit einer Hieb- und Stichwaffe. Um 18.40 Uhr gab die Polizei Entwarnung, ein Tatverdächtiger wurde festgenommen. Die Attacke kam wie aus heiterem Himmel. Noch sind viele Fragen offen. Was bisher bekannt ist – und was nicht.
Was ist passiert?
Rund um den Bahnhof Zofingen soll der Mann seine Attacke ausgeführt haben. Das Gebiet wurde während des anschliessenden Polizeieinsatzes stundenlang abgesperrt. Die Kantonsschule Zofingen, die nur einen Steinwurf vom Tatort entfernt liegt, wurde vorsorglich evakuiert.
An der Kantonsschule fand am Mittwochnachmittag die «Uusläutete» statt, eine Veranstaltung für Maturanden kurz vor den Prüfungen, wie Rektor Patrick Stössler im Gespräch mit Blick erzählt. Die Evakuierung gehöre bei der Stufe der Eskalation, die der Angriff am Mittwoch erreichte, zum Standardprozedere, so der Schulleiter.
Rund zwei Stunden dauerte es, bis der Tatverdächtige gegen 18.40 Uhr gefunden, überwältigt und festgenommen werden konnte. Der Angreifer hatte sich in einem Einfamilienhaus verschanzt, das von einer Spezialeinheit der Polizei umstellt wurde.
Was ist über den Täter bekannt?
Aktuell befindet sich der 43-jährige Täter im Spital, weil er sich im Blutrausch mutmasslich selbst verletzte. Wie das Sekretariat für Migration (SEM) auf Anfrage von SRF bereits bekannt gab, ist der Mann EU-Bürger. Er habe am vergangenen Montag ein Asylgesuch eingereicht und dieses dann am Dienstag wieder zurückgezogen. Wie «20 Minuten» berichtet, trug der Mann keinen Ausweis bei sich. Gemäss der Aargauer Oberstaatsanwaltschaft handelt es sich um einen spanischen Staatsbürger, wie aus einer Mitteilung vom Donnerstag hervorgeht. Der Mann wird im Spital durch die Polizei bewacht. Er soll allein gehandelt haben. Es gibt keine Hinweise auf einen terroristischen Hintergrund. Die Staatsanwaltschaft Zofingen-Kulm hat eine Strafuntersuchung wegen mehrfacher versuchter Tötung gegen den 43-Jährigen eröffnet.
Der Spanier zeigt der Mitteilung zufolge ein «psychisch auffälliges Verhalten». Er befindet sich in einem stabilen körperlichen Zustand. Die Staatsanwaltschaft wird beim Zwangsmassnahmengericht Antrag auf Untersuchungshaft stellen. Der Mann dürfte erst wenige Tage vor der Tat in die Schweiz eingereist sein, wie es weiter heisst.
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Was weiss man über die Opfer?
Sechs Verletzte, zwei davon schwer: Das ist die Bilanz des Angriffs. Alle Opfer befinden sich laut «Aargauer Zeitung» in Spitalpflege. Zwei Personen wurden in einer Unterführung am Bahnhof angegriffen. Dabei handelt es sich um zwei Lehrerinnen der Kantonsschule Zofingen. Zudem wurde eine schwangere Frau angegriffen, wie ihr Partner Sandro Lombardo bei Tele M1 erzählte.
«Ich war am Telefon mit ihr, sie hat den Mann gesehen. Er hat ihr Hallo gesagt und sie dann von hinten gegriffen und geschlagen.» Zudem habe der Täter ein Messer dabei gehabt, das gemäss seiner Frau «nicht sehr scharf» ausgesehen habe. Lombardos Frau wurde am Kopf verletzt – nicht aber im Bauchbereich. «Sie ist noch im Spital und hat ein geschwollenes Gesicht», sagt der Basler. «Es geht ihr aber soweit ganz gut. Zum Glück ist dem Kind nichts passiert.»
Was sagen Augenzeugen?
Rick Bongaards (18) war im Bildungszentrum BZZ, als eine verletzte Lehrerin hereinkam. «Wir hatten Unterricht, und plötzlich ging die Zimmertür auf und eine Lehrerin kam rein, um uns zu warnen. Sie sagte, dass sie angegriffen wurde. Zuerst dachte sie, dass sie mit einem Messer bedroht worden sei. Sie hatte eine Wunde am Hals», sagt der Schüler zu Blick. Er habe sich Sorgen gemacht und zuerst nicht geglaubt, dass so etwas passieren könne.
Weiter habe die Lehrerin gesagt, dass die Schüler nicht in Panik geraten sollten. «Sie lief durch das Bildungszentrum und warnte alle Schüler, die noch da waren.»
Blick hat mit weiteren Augenzeugen gesprochen. Eine Anwohnerin beobachtete vor ihrem Haus eine Schlägerei zwischen einem Arbeiter und dem Täter. «Ich glaube, der Mann versuchte den Täter zu stellen.». Zuerst habe sie gedacht, es sei nur eine Strassenschlägerei. Sie merkte aber schnell, dass sie falsch lag. «Das Gesicht des Retters war voller Blut», erzählte sie. Die Polizei bestätigte einen Vorfall mit dem Täter und einem Mann, der einschreiten wollte, nachdem eine Frau attackiert worden war.
Anwohnerin Jessica Bogli (38) versetzte der Einsatz in Furcht. «Man hatte Angst, weil es zunächst hiess, man solle drinnen bleiben. Ich war allein und dachte, ich bin einfach froh, wenn es vorbei ist.» Insbesondere die Sondereinheit der Kapo, die den Täter stellte, war eindrücklich. «Die Sondereinheit habe ich noch nie gesehen, das macht einem schon Angst.»
Entlang der Route vom Bahnhof bis zum Haus, wo der Angreifer verhaftet wurde, sind die Anwohner am Tag nach der Attacke noch immer geschockt. In mehreren Geschäften bemerkten Leute den Amokläufer. Sie sahen Blut und Gewalt, vor der Kamera wollen sie nicht darüber reden. Am meisten Betroffene gab es beim Bildungszentrum. Die Maturanden versammelten sich gerade vor dem Gebäude, als im Klassenchat und auf Teams Alarm geschlagen wurde, erzählen die Schüler gegenüber Blick. «Wir wussten nicht, was eigentlich passierte. Die flitzenden Polizeiautos und Ambulanzen sowie die schwer bewaffneten Polizisten machten uns Angst.»
Die Gymnasiastinnen und Gymnasiasten müssen trotzdem stark sein: «Die Matura findet statt. Ich muss morgen für Deutsch antreten», sagt eine Schülerin. «Mir zittern noch immer die Knie.» Der Betrieb geht wie geplant weiter. Einziger Unterschied: «Die zwei verletzten Lehrerinnen werden vermutlich nicht als Aufsicht bei der Prüfung anwesend sein», sagt eine Maturandin. Die Schülerinnen und Schüler machen sich Sorgen: «Wir wissen noch immer nicht, wie es unseren Lehrerinnen geht.»