Obwohl er am Unglückstag gar nicht im Betrieb in Brugg AG war
Ausbildner wegen Unfall eines Lehrlings verurteilt

Anfang 2019 erlitt ein Lehrling in einem Aargauer Industriebetrieb einen schweren Unfall. Für seinen ehemaligen Ausbildner hat die Tragödie ein böses Nachspiel – obwohl er am Unglückstag gar nicht im Betrieb anwesend war.
Publiziert: 10.12.2023 um 14:12 Uhr
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Im Januar 2019 erlitt ein angehender Polymechaniker im ersten Lehrjahr einen schweren Arbeitsunfall an einer Fräsmaschine. (Symbolbild)
Foto: Nathalie Taiana

Es ging blitzschnell: Im Januar 2019 wurde ein angehender Polymechaniker in einem Industriebetrieb in Brugg AG mit Hand und Unterarm in eine Fräsmaschine gezogen. Entgegen der Arbeitsvorschriften hatte der damals 15-Jährige Handschuhe getragen, von denen der Linke vom Fräser erfasst wurde. Der Lehrling hatte keine Chance – es kam zum schweren Unfall.

Wie die «Aargauer Zeitung» berichtet, sei der Teenager danach 17 Monate arbeitsunfähig gewesen. Auch enorme psychische Belastungen habe er davongetragen, sieht er sich doch heute nicht mehr im Stande, einem handwerklichen Beruf nachzugehen. Mittlerweile absolviert er eine Ausbildung im kaufmännischen Bereich.

Lehrling klagte Ausbildner an

Ebenfalls böse Konsequenzen hatte der Fall für den ehemaligen Ausbildner des Lehrlings. Dieser wurde von seinem einstigen Schützling wegen fahrlässiger Körperverletzung angeklagt. Was den Fall auf den ersten Blick kurios erscheinen lässt: Der Ausbildner war am Tag des Unfalls gar nicht im Betrieb vor Ort.

Trotzdem musste er schliesslich vor Gericht erscheinen. Gemäss der Staatsanwaltschaft Brugg-Zurzach ist «der Unfall darauf zurückzuführen, dass der Beschuldigte weder selbst in der Lehrlingswerkstatt anwesend war, noch eine Fachkraft organisiert hatte, die den Privatkläger bei der Arbeit an der besagten Maschine überwachte». Bis zum zweiten Lehrjahr müsse ein Lehrling beim Bedienen einer solchen Maschine permanent überwacht werden. 

Keinen Ersatz für Überwachung organisiert

Im September vergangenen Jahres wurde er vom Bezirksgericht Brugg zu einer bedingten Geldstrafe von 80 Tagessätzen à 180 Franken und einer Busse von 2500 Franken verurteilt. Des Weiteren wurden ihm die Verfahrenskosten aufgebrummt. In Bezug auf einen allfälligen Schadenersatz verwies das Gericht allerdings auf den Zivilweg. Der Ausbildner legte in der Folge Berufung ein und forderte einen Freispruch. 

Genützt hat es dem heute 50-Jährigen nichts. Bei der Verhandlung vor dem Obergericht des Kantons Aargau Anfang November sah dieses den Tatbestand der fahrlässigen schweren Körperverletzung als erfüllt an. Das Gericht kam zum Schluss, dass der Lernende als Folge seines Unfalls zu einem Berufswechsel gezwungen wurde. Wie zuvor schon das Bezirksgericht, hob nun auch das Obergericht hervor, dass der Unfall wohl nicht passiert wäre, hätte der Angeklagte eine ständige Überwachung einer qualifizierten Fachschaft organisiert. 

«Stellvertreter» seit 2015 nicht mehr qualifiziert

Zwar hatte der Ausbildner angegeben, sowohl einen Mitarbeiter, «sozusagen meinen Stellvertreter», als auch die Lehrlinge des vierten Lehrjahrs als «Beobachter» mit dieser Aufgabe betraut zu haben. Es stellte sich dann aber heraus, dass Ersterer laut eigener Aussage seit 2015 gar nicht mehr qualifiziert gewesen sei, um Polymechaniker auszubilden. 

Das Urteil hat für den Ausbildner happige Folgen. Das Gericht auferlegte ihm eine Geldstrafe von 9000 Franken und eine Verbindungsbusse von 1500 Franken. (ced)


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