«Lebensgefährdend»
Aargauer Arzt kommt nicht zu Prozess – wegen Corona-Angst!

Zwei Ärzte sollen im Aargau einen dritten Mediziner verleumdet haben. Bei der Verhandlung erscheint einer der beschuldigten Ärzte nicht vor Gericht – aus Angst vor Corona. Sein Fehlen wird als Einverständnis des Strafbefehls gewertet.
Publiziert: 26.04.2022 um 12:59 Uhr
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Im Bezirksgericht Aarau fand im Januar der Prozess statt, bei dem ein Arzt aus Angst vor Corona einfach fernblieb.
Foto: Philippe Rossier

Ein Arzt-Streit sorgte im Januar am Bezirksgericht Aarau für Wirbel. Darin ging es um zwei Ärzte, die einen dritten verleumdet haben sollen. Die drei Mediziner hatten von 2016 bis 2018 eine gemeinsame Firma, bis einer von ihnen 2018 ausstieg und eine eigene Praxis eröffnete.

Eigentlich keine grosse Sache. Doch seine ehemaligen Kollegen beschuldigen ihn, Urkunden gefälscht und Operationsvideos gelöscht zu haben. Die Vorwürfe verschickten sie in einem anonymen Schreiben an mehrere CEOs von Aargauer Spitälern, wie die «Aargauer Zeitung» berichtet.

Dafür kassierten beide Mediziner einen Strafbefehl, gegen den sie sich wehrten. Also ging es im Januar 2022 vor Gericht. Während einer der Männer die Einsprache im Rahmen der Verhandlung zurückzog und infolgedessen zu einer bedingten Geldstrafe von 35'400 Franken, einer Busse von 7000 Franken plus den Gerichtskosten von 17'600 Franken verurteilt wurde, erschien der zweite Arzt erst gar nicht zu dem Prozess.

Keine Antikörper wegen Krebserkrankung

Und genau das deutete der Gerichtspräsident als Zeichen, dass der Mann ebenfalls seine Einsprache gegen den Strafbefehl, wie eben sein Kollege auch, zurückzieht. Nur: Das war gar nicht der Fall. Der Mediziner beschwerte sich. Denn er sei ganz und gar nicht mit dem Strafbefehl einverstanden.

Dass er nicht beim Prozess erschien, habe einen anderen Grund gehabt. Als Krebspatient habe er trotz drei Impfungen Angst davor, sich mit Corona zu infizieren. Zur Verhandlung zu erscheinen, sei «in Anbetracht der täglich massiv steigenden Ansteckungszahlen im Zuge der Omikron-Welle lebensgefährdend», zitiert die «Aargauer Zeitung» aus der Beschwerde des Arztes. Denn: Er habe keine Antikörper aufbauen können, eben wegen seiner Krebserkrankung.

Nicht sicher genug, vor Aerosolen

Der Präsident des Bezirksgerichts Aarau lehnte es ab, die Verhandlung zu verschieben. Er begründete den Entscheid damit, dass man dem Arzt einen «separaten, desinfizierten Raum» zur Verfügung gestellt habe und die Befragung per Video durchgeführt hätte.

Offenbar war dem Arzt auch diese Option nicht sicher genug. Er habe «in keiner Weise sichergehen können, dass die Durchlüftung sichergestellt beziehungsweise der Raum frei von Aerosolen gewesen sei», hielt er fest.

Die Beschwerdekammer in Strafsachen des Obergerichts wies die Beschwerde des Arztes ab. Dass er trotz der Massnahmen nicht zur Hauptverhandlung erschienen sei, ohne vorher seine Ängste betreffend Aerosole zu äussern oder sich über die konkreten Lüftungsmöglichkeiten zu erkundigen, könne nicht anders denn als «Verzicht auf den weiteren Fortgang des Verfahrens gewertet werden». Der Entscheid ist noch nicht rechtskräftig und kann ans Bundesgericht weitergezogen werden. (gin)


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