Diese Pferde-Trainingsbahn erhitzt die Gemüter
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«Das ist Beamten-Willkür»:Diese Pferde-Trainingsbahn erhitzt die Gemüter

«Für mich ist das ein Skandal»
Zoff um illegale Pferde-Trainingsbahn in Reinach AG

Seit über 20 Jahren trainieren vor dem Aargauer Dörfchen Reinach Rennpferde. Doch die dafür gebauten Bahnen sind illegal. Der Kanton und das Verwaltungsgericht verlangen den Rückbau – ohne Erfolg. Einen Bauer aus dem Dorf macht das hässig.
Publiziert: 11.04.2022 um 15:48 Uhr
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Aktualisiert: 12.04.2022 um 06:35 Uhr
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Georg Gautschi kämpft gegen eine Pferdetrainingsbahn in Reinach.
Foto: STEFAN BOHRER
Sven Ziegler

Zwei dicke Bahnen mit Holzschnitzeln umziehen das Stück Land, mitten in der idyllischen Naturlandschaft vor den Toren der Gemeinde Reinach AG. Täglich trainieren hier Rennpferde. Die Bahnen wurden vor über 20 Jahren gebaut. Landwirt Georg Gautschi (59) blickt auf die frisch präparierte Bahn, dann auf den angrenzenden Bauernhof, wo die Pferde gepflegt und gezüchtet werden. Langsam schüttelt er den Kopf. Dann sagt er laut und bestimmt: «Ich habe nichts gegen Pferde und gönne jedem seinen Spass. Aber das, was hier passiert, geht gar nicht!»

Was Gautschi meint: Um die beiden Bahnen tobt seit Jahren ein erbitterter Baustreit. Zwar stehen sie seit mehr als 20 Jahren – doch sie wurden illegal gebaut. Das hat auch das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau in einem Urteil aus dem Jahr 2013 bestätigt. Die Bahn verletze «ein Kernanliegen des Raumplanungsgesetzes». Zwei Trainingsbahnen, gesamthaft rund 5000 Quadratmeter gross, mitten in der Landwirtschaftszone, das gehe nicht.

Gemäss Gesetz dürfen in der Landwirtschaftszone nur Bauten errichtet werden, die auch tatsächlich mit Landwirtschaft zu tun haben. Dazu gehört auch die Pferdezucht, sofern diese der Landwirtschaftsproduktion dient. Nicht erlaubt sind allerdings Reitsport-Einrichtungen wie etwa Trainingsbahnen. Da diese nichts mit Landwirtschaft zu tun haben, dürfen sie auch nicht in einer solchen Zone stehen.

Genau das ist aber in Reinach passiert. So beurteilt es das Verwaltungsgericht. Das Urteil ist klar: Sofern die Gemeindeversammlung eine Umzonung nicht bis Ende 2015 beschliesse, seien die Bahnen zurückzubauen.

Bahnen stehen noch immer

2015 reicht die Gemeinde einen entsprechenden Antrag auf eine Spezialzone «Trainingsbahn für Pferde» ein. Die entsprechende Vorprüfung beim Kanton fällt allerdings negativ aus. Die Bahnen befänden sich in einer «Landschaft von kantonaler Bedeutung». Damit innerhalb einer Landwirtschaftszone eine Spezialzone erstellt werden könne, sei zudem das öffentliche Interesse von Bedeutung. Bei der Pferdetrainingsbahn sei dieses nicht erkennbar.

Trotz negativen Prüfberichts und eines Gerichtsurteils: Auch sieben Jahre später ist eine Umzonung noch nicht erfolgt. Die Bahnen stehen noch immer. Landwirt Gautschi macht das wütend: «Hier werden Gerichtsurteile ignoriert. Sie sind das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt wurden. Das ist für mich gelinde gesagt ein Skandal.»

Kanton verlangt Rückbau

Weshalb die Gemeinde den Rückbau nicht durchsetzt, bleibt unklar. Denn das Baudepartement des Kantons Aargau hält fest, dass der Kanton «wiederholt» an den Gemeinderat herangetreten sei und diesen aufgefordert habe, den Entscheid zu vollziehen.

Zwar sei zwischenzeitlich ein weiteres Verfahren für eine Umzonung eingeleitet worden. Es habe sich allerdings gezeigt, dass sich eine dauerhafte Pferderennbahn am konkreten Standort «nicht mit den zwingenden Anforderungen in Einklang» bringen lasse, heisst es beim Aargauer Baudepartement. «Nachdem nun auch ein neuerlicher Versuch gescheitert ist, den rechtlichen Mangel der Pferderennbahn zu heilen, ist der Gemeinderat vom Kanton aufgefordert worden, den Entscheid zeitnah umzusetzen.»

«Nicht die Schweiz, die ich kenne»

Doch die Gemeinde scheint an der Durchsetzung kein Interesse zu haben. Auf Anfrage hält man sich beim zuständigen Amt bedeckt. Von einem gescheiterten Versuch spricht hier niemand. Das Verfahren für die Umzonung laufe weiter, aufgrund eines laufenden Verfahrens könne man sich aber nicht weiter äussern, heisst es. Auch die Besitzerfamilie sagt zu Blick, die Umzonung sei «nach einigen Verzögerungen» wieder im Gang und sollte «bis Ende 2022» abgeschlossen werden. Von der klaren Anordnung des Kantons, die Bahn rückbauen zu lassen, ist nichts zu hören.

Das passive Vorgehen der Gemeinde Reinach weckt Erinnerungen an einen anderen Fall. 2019 berichtete Blick über ein Ehepaar in Eschenbach SG, das eine Villa ohne Bewilligung aufmotzte. Die Gemeinde machte sich damals zur Komplizin und schaute weg.

Das Vorgehen der Reinacher Behörden ist für Landwirt Gautschi mehr als nur unverständlich. Seit Jahren pachtet er bei der Gemeinde Land. Im vergangenen Herbst, so erzählt er, musste er dafür kämpfen, dass er sein Land behalten durfte. Das macht ihn wütend. Noch einmal blickt er auf die Rennbahn und sagt: «Dass sich manche abrackern und am Ende um ihr Land zittern müssen, während andere scheinbar machen können, was sie wollen, geht gar nicht. Das ist nicht die Schweiz, die ich kenne.»

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