«In diesem Dorf herrscht keine Rechtsgleichheit!»
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Andreas Ruef (61):«In diesem Dorf herrscht keine Rechtsgleichheit!»

Bikini-Foto statt Bau-Akten
Irrer Parkplatzstreit in Oberried am Brienzersee

Andreas Ruef sagt, jedesmal wenn er von der Baubehörde eine Bewilligung brauche, gebe es ein «Riesentheater». Dabei hält sich der Gemeindepräsident und Baupolizeichef selber nicht an die Vorgaben der Gemeinde. Eine Dorfposse.
Publiziert: 10.03.2022 um 00:21 Uhr
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Aktualisiert: 10.03.2022 um 08:45 Uhr
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Andreas Ruef (61) hat sich fast ein Jahr lang mit der Gemeinde gestritten.
Foto: STEFAN BOHRER
Tobias Ochsenbein

Andreas Ruef (61) hat endlich Gerechtigkeit erfahren! Er steht am Ufer des Brienzersees, streckt die Daumen in die Luft und lächelt. Kein Wunder, denn nach einem irren Streit mit der Gemeinde, der sich fast ein Jahr lang hinzog, geht er als Gewinner aus dem Disput.

Ruef ist in Oberried am Brienzersee BE aufgewachsen, wohnt dort und besitzt Land. Er sagt zu Blick: «Jedesmal wenn ich von der Baubehörde eine Bewilligung brauche, gibt es ein Riesentheater!» Sein ärgster Gegenspieler: Gemeindepräsident Andreas Oberli (71). Dieser ist gleichzeitig auch Baupolizeichef der Gemeinde.

«Mir hat es den Nuggi rausgejagt»

Andreas Ruef sagt: «In der Gemeinde gibt es eine Zweiklassengesellschaft. Die einen dürfen alles, andere nichts.» Und doppelt nach: «Irgendwann hat es mir den Nuggi rausgejagt!»

Denn Ruef hat einen Kollegen im Dorf, der seinen Parkplatz räumen musste. Die Gemeinde hat interveniert und «mit Schrecken festgestellt», dass dessen Fahrzeug auf einem der Bauordnung nicht entsprechenden Parkplatz abgestellt wurde. Und: Sie könne «diesen Zustand nicht tolerieren». Das zeigt ein Brief, der Blick vorliegt. Gezeichnet wurde das Schreiben von Gemeindepräsident Oberli.

Nun wusste Ruef aber, dass auch Gemeindepräsident und Baupolizeichef Oberli seit Jahren einen Rasenplatz in der Uferschutzzone als Parkplatz benutzt, der nicht der Bauordnung entspricht und für den keine Baubewilligung vorliegt. Eigentümerin des Rasenplatzes ist die Burgergemeinde, von der Oberli seit Dezember 2001 den Platz für jährlich 600 Franken mietet. Die Burgergemeinde wollte den Rasenplatz am Ufer vor rund zwei Jahren renaturieren, erhielt aber von der Gemeinde prompt eine Absage.

«Wie er uns, so wir ihm»

«Ich finde es nicht in Ordnung, dass sich der Gemeindepräsident wie ein König aufführt», sagt Andreas Ruef zu Blick. Deshalb wandte er sich im März vergangenen Jahres schriftlich an das Regierungsstatthalteramt Interlaken. Im Brief, der Blick vorliegt, formulierte er die Bitte, den Rasenplatz unweit des Ufers renaturieren zu lassen. Ganz im Sinne von: «wie er uns, so wir ihm».

Denn beim Rasenplatz in der Uferschutzzone, der von Oberli benutzt wird, sah die Gemeinde keinen Grund, eine Wiederherstellung zu verfügen und ein nachträgliches Baubewilligungsverfahren in die Wege zu leiten. Das ist aus den Akten zu entnehmen. Andreas Ruef gelangte darum im Sommer 2021 nach mühsamer Korrespondenz mit Gemeinde und Regierungsstatthalteramt Interlaken an die Bau- und Verkehrsdirektion des Kantons Bern (BVD).

Mit Bikini-Foto altrechtliche Ordnungsmässigkeit geltend gemacht

Das BVD hat Anfang Dezember 2021 die Beschwerde von Andreas Ruef gutgeheissen. Er hat also erreicht, dass Gemeindepräsident Oberli den Rasenplatz bis Ende April 2022 dem Terrain angleichen und die Stützmauer wegbaggern muss. Und dies, obwohl der Gemeindepräsident statt mit Bauakten unter anderem mit einem Bikini-Foto aus den 70er-Jahren noch versucht hat, eine altrechtliche Ordnungsmässigkeit des Parkplatzes geltend zu machen. Vergeblich.

Gemeindepräsident Andreas Oberli wollte auf Anfrage von Blick keine Auskunft zum Fall geben. Andreas Ruef sagt: «Für mich ist dieser Entscheid eine Genugtuung. Ich habe immer versucht, Frieden zu schliessen – aber es ist sinnlos!» Jetzt muss der Rasenplatz verschwinden. Bleibt zu hoffen, dass zumindest die Kirche im Dorf bleibt.

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