Giftquelle tötet Uhu
Zoff um verseuchtes Wasser in Graubünden

Die Bündner Staumauer Punt dal Gall sondert giftige Farbe in den Fluss Spöl ab. Ein Uhu stirbt deshalb einen elenden Tod. Und ein Forscher der Ostschweizer Empa traut seinen Augen kaum.
Publiziert: 20.10.2021 um 18:25 Uhr
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Verstorben im September 2020: Dieser abgemagerte Uhu wog zum Schluss nur noch knapp über 1 Kilogramm.
Foto: Schweizerischer Nationalpark

Im September 2020 findet ein Parkwächter des Nationalparks ein totes Uhu-Weibchen am Ufer des Spöl. Der Vogel liegt direkt neben dem Wanderweg, die Staumauer Punt dal Gall ist nur einen Kilometer entfernt. Knapp über ein Kilogramm bringt das Tier noch auf die Waage. Normalerweise sind es bis zu drei Kilo. Aber der Vogel ist abgemagert, der linke Flügel gebrochen. Es war ein qualvoller Tod, den der Uhu sterben musste.

Das tote Weibchen steht heute als Mahnmal für ökologische Sünden beim Bauen. Und für einen Millionenstreit. Denn das Wasser des Flusses ist vergiftet. Kilometerlange Abschnitte müssen saniert werden. Die Kraftwerksgesellschaft EKW, der Schweizerische Nationalpark und das Umweltamt des Kantons Graubünden sind sich über die Details aber nicht einig.

Das Flüsschen Spöl wird vermutlich bereits seit rund 50 Jahren Jahren mit Giftstoffen belastet, schreibt die Forschungsanstalt Empa in einer Mitteilung. Die Giftstoffe stammen von der Staumauer, die 1970 in Betrieb genommen wurde. Beim Bau wurde PCB-haltige Korrosionsschutzfarbe eingesetzt, die seitdem langsam abgetragen wird und das Wasser am Spöl verunreinigt.

Chronische Vergiftung

Die Abkürzung PCB steht für Polychlorierte Biphenyle. Es handelt sich dabei um einen Giftstoff, der nur sehr langsam abgebaut wird. Wirbellose Kleinwesen nehmen den Stoff aus dem Wasser und dem Sediment auf, werden von Fischen gefressen, die wiederum von anderen Tieren gefressen werden.

So erging es auch dem Uhu, der im September 2020 tot am Ufer des Spöl lag. Der Vogel stand an der Spitze der Nahrungskette – und erlitt so eine chronische Vergiftung. Die hohe PCB-Konzentration hat sich wahrscheinlich negativ auf die Knochendichte ausgewirkt, was zum Bruch des Flügels geführt haben könnte.

Die Eingeweide des Tieres landeten schliessen bei den Spezialisten der Empa, wie die Forschungsanstalt schreibt. «Das Probematerial war schon nicht mehr ganz so frisch», sagt der Chemiker Markus Zennegg. Aber die eigentliche Überraschung war eine andere: Der Vogel überschritt den PCB-Grenzwert um mehr als das Tausendfache.

Uhu als Mahnmal

«Das Gerät zeigte Konzentrationen, die ich nicht für möglich gehalten hätte», sagt der Empa-Chemiker. «Die Belastung an besonders toxischen polychlorierten Biphenylen (PCB) in diesem Vogel lag bei 20 Mikrogramm pro Kilogramm Fett – das ist tausendfach über den normalen Werten für Wildtiere.» Zennegg musste die Proben nochmals verdünnen und ein weiteres Mal durch seine Maschine schicken, um die Konzentration überhaupt korrekt bestimmen zu können. Der tote Vogel mutierte so zum Symbol der Umweltbelastung.

Eine Lösung muss her, darüber sind sich alle einig. Die Kraftwerksgesellschaft EKW, das Umweltamt des Kantons und die Verwaltung des Nationalparks. PCB ist eine Zeitbombe, schreibt auch die Empa. Eine Bombe, die «baldmöglichst entschärft werden sollte». Immerhin gelange das Wasser des Spöl in den Inn, schliesslich in die Donau und ins Schwarze Meer.

Aber die Details der Sanierung bleiben bis heute ungeklärt. Es kommt zum Rechtsstreit. «Es wird unumgänglich sein, dass die eine oder andere Frage durch Gerichte geklärt werden muss», sagt Michael Roth, der Direktor der EKW, im Communiqué der Empa. «Der Fall Spöl ist mit anderen bekannten Umweltbelastungen kaum vergleichbar. Entsprechend können die Behörden nicht auf andere vergleichbare Fälle zurückgreifen.» (ise)

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