Er hat als DJ im gleichen Lokal wie Pink Floyd Musik gemacht, seine Karate-Künste in einer eigenen Schule weitergegeben, aber vor allem eines: Neonazis und Rechtsextreme gejagt. Doch jetzt hat sein erfülltes Leben einen jähen Dämpfer erhalten. «Ich bin schwer an Krebs erkrankt», sagt Heinz Kaiser (73). «Ob ich ihn überlebe, ist mehr als fraglich.»
Kaiser hat Blick bei sich zu Hause empfangen. Er wohnt mit seiner Freundin Yvonne (68) und Hund Faruk (10) in einem älteren Einfamilienhaus in Frick AG. «Heinz kommt gleich», sagt die Freundin leise. «Es steht gar nicht gut um ihn.»
«Ich bin nur noch 44 Kilo schwer»
Dann kommt Kaiser in die Stube. Gemächlich. Den Kopf gesenkt. Er stellt das Sauerstoffgerät in eine Ecke. «Ich bin nur noch 44 Kilo schwer», sagt er seufzend. Dann setzt er sich an den Stubentisch. Dieser ist überfüllt mit Fotos, Flyern, Zeitungsartikeln.
Kaiser beginnt von seinem Leben zu erzählen. Er sei in Olten SO geboren und habe dort Bauspengler gelernt, aber: «Ich habe nach der Lehre gleich wieder damit aufgehört.» Denn schon da sei für ihn festgestanden: «Ich wollte Profi-DJ werden.»
Kaiser machte für Pink Floyd das Licht
Schon bald bekommt Kaiser einen Job als Allrounder in der damals berühmten Oltner Kultstätte Hammer. «Ich weiss es noch genau», sagt er – seine Augen werden feucht. «Es war der 16. November 1968, als Pink Floyd dort auftraten und ich für die Band das Licht machen durfte!»
Später organisiert Kaiser Jugend-Discos. Und: Sein Traum geht in Erfüllung. «Ich wurde der erste Profi-DJ der Schweiz», sagt er. Unter dem Namen DJ Tscheisi macht er sich in den 60er- und 70er-Jahren nicht nur im Hammer und später in der Disco Engel in Frick einen Namen. Und er gibt zu: «Ich war mit meiner speziellen Frisur schon ein kleiner Frauenschwarm.»
Nach Karateschule folgt Neonazi-Jagd
Als Kaiser 1978 Freundin Yvonne im Gastgewerbe kennenlernt und 1983 ihre Tochter zur Welt kommt, verändert er sich. «Es kamen Video-Produktionen und eine weitere Passion dazu», sagt er. «Die Karate-Kampfkunst.» Dies, weil er sich und seine Liebsten habe beschützen wollen. Er habe gar den sechsten schwarzen Gürtel im Shotokan-Karate gemacht und eine Karateschule geführt.
In der Karateschule kommt Kaiser dann erstmals in Kontakt mit Neonazis. «Einer hatte sich als Schüler bei mir reingeschlichen, um Karate-Kämpfer abzuwerben», erinnert er sich. «Ich habe es gemerkt und ihn rausgeworfen.» Dies sei der Zeitpunkt gewesen, als er vermehrt Jagd auf Rechtsextreme gemacht und seine Karateschule nach elf Jahren aufgegeben habe.
Zwei Neonazis in Olten spitalreif geprügelt
Es folgen Jahre, in denen Kaiser sich voll auf die Jagd nach Neonazis macht. «Der Gesellschaft zuliebe! Ich war überall dort, wo sie auch waren.» Bei Demos, Anlässen oder im Internet auf Recherche. «Immer wenn mir etwas auffiel, das gegen das Gesetz verstiess, habe ich Anzeige eingereicht.» Mit Erfolg: «Es kam zu sicher zehn Verurteilungen von Rechtsextremen.»
Doch es gab auch negative Folgen. «Die kannten mich in der Szene natürlich inzwischen», sagt Kaiser. Angriffe gegen ihn seien keine Seltenheit gewesen. «In Olten wollten mich mal zwei Nazis verprügeln. Doch mit denen machte ich kurzen Prozess.» Am Ende seien beide im Spital gelandet.
Drohvideo von Unbekannten
Nicht mehr viel zu lachen hatte Kaiser, als Unbekannte 2007 ein Video ins Internet stellten, auf dem er mit dem Tod bedroht wurde. «Da war es mir nicht mehr wohl.» Es habe auch mal jemand sein Auto mit Ketten festgebunden sowie jemand sein Haus anzünden wollen. «Meine Tochter musste eine Zeit lang gar mit Polizeischutz zur Schule.»
Er habe nie Angst gehabt, lediglich Respekt, so Kaiser. Und daheim habe er nach wie vor drei registrierte Waffen. «Wenn einer reinkommt und mich angreift, dann schiesse ich in die Luft oder in seine Beine.»
Asyl für Whistleblower Meili
Schlagzeilen hatte Kaiser auch mit Ex-UBS-Wachmann und Whistleblower Christoph Meili (heute 54) gemacht. Als Meili 2009 in die Schweiz zurückkehrte, gab ihm Kaiser bei sich daheim kurz Asyl. Er organisierte ihm ein Handy, ein Zimmer und einen Job. «Ich bin eben sehr sozial», so Kaiser. Meili soll danach in die Ostschweiz gegangen sein.
Kaiser hatte während seiner Neonazi-Jagd auch noch als Pflegehelfer und im Sicherheitsdienst gejobbt – und nebenbei kurzerhand den «Schweizer Weltbürger-Preis» gewonnen. Heute ist es ruhig um ihn geworden. «Ich bin in den letzten Monaten immer schlapper geworden», sagt er. «Ich dachte an Corona oder eine Grippe.»
Diagnose: Kleinzellenkrebs
Am 18. März sei es dann «ganz schlimm» gewesen. «Ich hatte grosse Atemprobleme», sagt er. «Hätte mein Schatz mich nicht sofort zum Hausarzt geschickt, wäre ich nicht mehr hier.»
Im Spital in Rheinfelden AG hätten sie ihm gesagt: «Wenn Sie nicht gekommen wären, hätten Sie die Nacht nicht überlebt.» Das sei ein Schock gewesen, sagt Kaiser. Da sie in Rheinfelden nicht die notwendigen Geräte gehabt hätten, sei er ins Spital nach Aarau gefahren worden. Dort habe er die Diagnose Kleinzellenkrebs erhalten. «Ich habe einen etwa vier Zentimeter grossen Tumor zwischen Lunge und Herz.» Diesen könne man nicht rausoperieren. «Zudem habe ich bereits Ableger von der Hüfte bis zum Hinterkopf.»
Inzwischen hat Kaiser drei Chemotherapien hinter sich. «Da werden einem in drei Tagen sieben Flaschen Gift reingelassen», sagt er. «Logisch kommen dann auch noch Nebenwirkungen dazu.» Zudem habe er seine Haarpracht verloren.
«Mein Schatz ist meine beste Medizin»
Aber Kaiser kämpft. «Ich will mein Leben zurück», sagt er. Ob er wieder gesund wird, kann er nicht sagen. «Das weiss ich nach der vierten Chemo Anfang Juli. Entweder kann ich dann eine kleine Party machen oder dann halt nicht.» So oder so, sagt er: «Mein Schatz ist meine beste Medizin.»
Bereuen tut Kaiser nichts in seinem Leben. «Nur dass sich jetzt so ein ausserirdisches Monster in meinen Körper geschlichen hat. Ich habe nicht erwartet, dass es mich so trifft.»
Treffen möchte Kaiser mal den Bassisten Roger Glover (76) von Deep Purple – und sich somit einen grossen Wunsch im Leben erfüllen. Er sei schon immer ein Fan von ihm gewesen. «Er wohnt im Aargau, und ich würde so gerne mal etwas mit ihm trinken gehen», sagt Kaiser. «Dann wäre mein Leben perfekt gewesen.»