Mitte der 90er-Jahre lernt der Basler Pharma-Manager Peter Bachmann (82) die russische Ingenieurin Elena Stekatscheva (56) in Moskau kennen. Sie verlieben sich, heiraten und kaufen 2005 ein grosses Haus im italienischen Cannobio am Lago Maggiore.
Sie stecken ihr gesamtes Vermögen in die Villa mit Seeanstoss. Der Blick übers Wasser ist prächtig, der grosse Garten gedeiht, im Esszimmer thront ein goldener Teekocher – ein Geschenk des russischen Ex-Präsidenten Michail Gorbatschow. Den Bachmanns geht es gut.
2015 wollen sie das Haus verkaufen. Und da fängt ihr Unglück an.
Weil sie sich zu dieser Zeit in den USA aufhalten, beauftragen sie den Treuhänder H. S.* mit dem Hausverkauf. H. S. ist Partner bei einer renommierten Treuhandgesellschaft in Basel. Die Bachmanns kennen ihn seit Jahren. «Wir haben ihm vertraut», sagt Elena Bachmann.
Ihr Haus ist einiges wert: 2015 schätzt der Immobilienmakler Engel & Völkers den Preis auf 1,8 Millionen Euro. H. S. soll die Villa für mindestens 1,5 Millionen verkaufen.
Besonders interessiert zeigt sich der deutsche IT-Unternehmer A. K.* Doch 1,5 Millionen sind ihm zu viel, er versucht den Preis zu drücken – so lange bis Peter Bachmann genug hat. Im Sommer 2017 lässt er dem Unternehmer via E-Mail ausrichten: «Das alles hat mich schliesslich dazu bewogen, das Haus nicht an Sie zu verkaufen. Mein Entschluss ist endgültig.»
Stattdessen planen die Bachmanns nun, ihr Haus aufzustocken und zu erweitern. Deshalb geben sie ihrem Treuhänder H. S. die Order, sämtliche Verkaufsverhandlungen zu sistieren und abzuwarten. Denn mit der erhaltenen Baubewilligung erhöht sich der Verkehrswert des Hauses massiv. Ein Interessent meldet sich denn auch direkt bei Peter Bachmann und bietet 2,8 Millionen Euro. Doch dieser Interessent geht leer aus. Anfang Februar 2018 schickt der Geschäftsmann A. K., an den Peter Bachmann nicht verkaufen will, dem Treuhänder H. S., der nicht verkaufen darf, ein E-Mail. Es liegt SonntagsBlick vor. Darin steht: «Kauf wie gesehen ohne Diskussionen.» Und: «Abwicklung asap, geräuschlos, über Anwälte und Notar.»
Im Frühling 2018 verkauft der Treuhänder dem Geschäftsmann das Haus tatsächlich – heimlich, zu einem Schleuderpreis von 1,25 Millionen Euro. Peter Bachmann erfährt erst ein paar Tage später davon, als er aus den USA zurückkehrt. Und erleidet einen Herzstillstand.
Sogar die Kleider sind weg
Nicht nur das Haus ist den Bachmanns über Nacht abhandengekommen: Möbel, Haushaltgeräte, Gemälde, Gorbatschows Teekocher, sogar die Kleider sind verschwunden. Vom einstigen Hausstand bleiben zwei Kartons und ein Wäschekorb übrig. Gegenüber den Bachmanns erklärt der Treuhänder, er habe das Inventar «entsorgt».
Doch es kommt noch dicker: Treuhänder H. S. hat den Verkaufserlös von 1,25 Millionen Euro laut den Bachmanns auf sein eigenes Konto bei der UBS Basel geleitet – und weigert sich, den Bachmanns das Geld auszuzahlen.
Deshalb erstatten sie im Mai 2019 bei der Staatsanwaltschaft Basel-Stadt Strafanzeige gegen H. S. wegen Veruntreuung und Betrug. Aber der zuständige Staatsanwalt scheint sich nur mässig für die Anzeige zu interessieren. Er überlässt die Befragung einem Polizeikommissär. Den Bachmanns wird das Teilnahmerecht an der Befragung verweigert, ebenso die Aushändigung des Einvernahmeprotokolls. Auch eine Konfrontationsverhandlung, bei der sich die Bachmanns und der Treuhänder direkt gegenüberstehen würden, lehnt der Staatsanwalt ab. Stattdessen stellt er das Verfahren ein: «Weil kein Tatverdacht erhärtet ist, der eine Anklage rechtfertigt.»
Die Bachmanns sind baff. Tatsächlich wirft der Entscheid Fragen auf. SonntagsBlick hat bei der Staatsanwaltschaft Basel-Stadt nachgefragt. Doch die kommentiert den Fall nicht.
Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt winkt 2020 den Entscheid des Staatsanwalts durch, weshalb die Bachmanns schliesslich ans Bundesgericht gelangen. Doch dieses geht mit dem Hinweis auf eine fehlende Begründung nicht auf die Beschwerde ein.
Die Bachmanns gehen in Revision, weil eine solche Begründung sehr wohl vorliege. «Das gab das Gericht schliesslich auch zu», sagt Peter Bachmann. «Doch auf die Beschwerde ging es in insgesamt vier Revisionen trotzdem nicht ein. Wahrscheinlich deshalb, weil jeweils abwechselnd die gleichen Richter auftauchten, die den ersten Fehlentscheid zu verantworten hatten.»
«Ich schäme mich immer noch»
Vor ziemlich genau einem Monat verkündete Wirtschaftsminister Guy Parmelin (63): «Der Rechtsstaat Schweiz ist Gold wert.» Über Elena Bachmanns Gesicht huscht ein bitteres Lächeln, wenn sie solche Sätze hört. «Ich schäme mich immer noch, meinen russischen Verwandten unsere Geschichte zu erzählen», sagt sie.
Die Bachmanns haben alles verloren. Sie leben von der Sozialhilfe. «Unser Treuhänder hat uns Haus und Vermögen gestohlen», sagt Peter Bachmann. «Doch aufgeben wollen wir nicht.»
Jetzt versuchen sie es in Deutschland, mit der Hilfe eines Anwalts, der gratis für sie arbeitet. Die Bachmanns reichen beim Landgericht Freiburg im Breisgau Klage gegen den deutschen Geschäftsmann A. K., den Treuhänder H. S. und dessen Treuhandgesellschaft ein. Sie fordern Schadenersatz in der Höhe von 2,8 Millionen Euro – den Betrag, der ihnen einst für ihr Haus geboten wurde.
Der deutsche Geschäftsmann und der Basler Treuhänder wollen zur Sache nicht Stellung nehmen.
Die Treuhandgesellschaft gegenüber SonntagsBlick: «Der vorliegenden Auseinandersetzung liegt ein Sachverhalt zugrunde, der nichts mit der Tätigkeit von H. S. als Mitarbeiter unserer Gesellschaft zu tun hat.» Sämtliche Handlungen und Vereinbarungen im Zusammenhang mit der Immobilie seien von H. S. als Privatperson vorgenommen worden.
Für H. S., A. K. und die Treuhandgesellschaft gilt die Unschuldsvermutung.