Der junge Landwirt und Familienvater Adrian Steinmann (41) steht am östlichen Ende des Dorfes Le Cerneux-Péquignot NE. Von hier kann man fast alle seiner 33 Hektaren überschauen. Ihm gehört gut ein Viertel der sichtbaren grünen Weiden auf 1088 Meter über Meer. «Wegen dieser Idylle und dem Klima im La-Brévine-Tal sind wir hierhergezogen», sagt Steinmann. Nun soll genau hier eine Deponie für Aushub und Bauschutt entstehen. «Wenn die Deponie kommt, müssen wir wohl wieder wegziehen», sagt der Landwirt.
Das Problem: Adrian Steinmann produziert mit seinen 20 Milchkühen für die lokale Käserei Milch für AOP-Greyerzer. Die Richtlinien für den Käse sind streng. «70 Prozent des Futters für die Kühe müssen wir selber produzieren», sagt Steinmann. «Wenn wir Staub auf Wiesen und Weiden haben, ist das nicht mehr möglich.»
Problematische Bisenlage
Als Blick das Dorf besucht, weht die Bise. Das heisst, der Wind kommt genau aus der Richtung der angedachten Deponie. «Der Staub würde jetzt direkt ins Dorf getragen», sagt Steinmanns Nachbar Pascal Gauthier (62). Auch dem Versicherungsfachmann ist eine Deponie am Dorfrand ein Dorn im Auge. «Jetzt wohnen wir im Paradies. Mit einer Deponie wäre das vorbei.»
Seine Befürchtung: «Den Tag hindurch hätten wir intensiven Lastwagenverkehr.» Und er sagt weiter: «Die meisten Dorfbewohner leben hier, weil es so ruhig ist und wir in der Natur wohnen.»
Angst um das Grundwasser
Die Dorfbewohner belastet die Ungewissheit am meisten. Sie haben noch gar keine Ahnung, was sie eigentlich erwartet. «Nachdem ich gerüchteweise von der Deponie gehört hatte, überprüfte ich die Dienstbarkeiten auf den Nachbargrundstücken. Was ich sah, schockierte mich. Eine Baufirma hat das Recht, Abfälle der Klasse B zu deponieren. Das heisst sogar leicht kontaminiertes Material. Damit könnte auch das Grundwasser belastet werden.»
Pascal Gauthier hat seit Monaten recherchiert, was denn auf der Deponie landen könnte: «Einiges deutet darauf hin, dass die Hälfte des Aushubs für den Umfahrungstunnel von Le Locle hier deponiert, verkleinert und dann wieder abtransportiert wird. Das wären 1,5 Millionen Tonnen ausgebrochener Kalkfels.»
Gemeinde bestätigt Anfrage
Der Gemeindeleitung kommt die Aufregung der Bürger noch zu früh. Für Gemeindepräsidentin Anne-Laurance Quadranti (57) sind zu viele Gerüchte im Umlauf, die für Unruhe in dem 300-Seelen-Dorf sorgen. «2019 wurden wir nur auf eine Anfrage zur Deponierung von Aushubmaterial aus dem Umfahrungstunnel angesprochen. Danach hörten wir bis November 2021 nichts mehr. Jetzt kommt ein Bauunternehmer mit einem Vorschlag für eine Deponie des Typs B und einen Steinbruch. Wir sind skeptisch, ob eine Realisierung möglich ist», sagt sie zu Blick.
Ein ausgereiftes Projekt existiere noch nicht. Weder vom Kanton noch von privater Seite gebe es eine Eingabe. Es sei daher noch zu früh, um als Gemeinde Stellung zu beziehen.
Und: «Letztendlich werden wir darüber abstimmen, ob eine Deponie und ein Steinbruch kommen oder nicht. Wir werden dazu die Möglichkeit haben, wenn der sektorielle Richtplan des Kantons in die Vernehmlassung geht. Wir sollten generell auch die definitive Bestätigung des Standortes abwarten.»
Die Baufirma nimmt gegenüber Blick nicht Stellung. Auf Anfrage schreibt sie, dass man mit dem Projekt noch ganz am Anfang stehe. Am 12. September veranstaltet die Gemeinde einen Info-Abend zum Thema. Ob zu dem Zeitpunkt bereits mehr zur Deponie gesagt werden kann, ist noch unklar.