Auf einen Blick
- Rangerin schützt Kastanienweg vor übermässigem Besucheransturm
- Ursina Wüst patrouilliert im Kastanienhain am Walensee
- Kastanienrindenkrebs bedroht Bäume durch aufgerissene Rinde
- Mehr als 80 Prozent der Besucher kommen mit dem Auto
- Eine Besucherbeschränkung wird diskutiert
Ursina Wüsts (49) Schritte sind schnell, ihr Ziel hat sie fest im Blick: Eine Familie mit zwei kleinen Kindern. Sie steht unter einem Kastanienbaum, einer der Buben hat soeben mit seinem Stock gegen einen Ast geschlagen. Ein Vergehen, das, so beiläufig es scheint, von Wüst getadelt wird.
Sie ist Rangerin und mit ihrem Team den ganzen Oktober im Kastanienhain am Walensee im Kanton St. Gallen im Einsatz. Hier liegt der Kastanienweg Murg, mit seinen teilweise Hunderte Jahre alten Bäumen in der Schweiz der grösste Kastanienhain nördlich der Alpen.
Immer dieselben Ausreden
Die Marroni, die auf dem 2,5 Kilometer langen Weg zu Boden fallen, dürfen kostenlos gesammelt werden. Entsprechend beliebt ist die Idylle vor allem bei Familien – zu beliebt, wenn es nach den Verantwortlichen geht. Spätestens seit der Covid-Pandemie wird der Kastanienweg im Oktober jeweils überrannt.
Aufgrund des Andrangs können längst nicht alle Marroni-Begeisterten, die an den Walensee fahren, die Taschen mit der edlen Frucht füllen. Wer zu spät kommt, stochert vergeblich in Laub und Gras. Wer trotzdem nicht mit leeren Händen heimkehren will, greift dann gerne zu Stock oder Stein, um die noch unreifen Früchte selbst vom Baum zu holen.
Hier kommt Ursina Wüst ins Spiel. Sie erklärt den gierigen Ausflüglern geduldig, wieso die Folgen ihres Verhaltens verheerend sein können: Aufgerissene Rinde oder abgeknickte Äste nutzt der Kastanienrindenkrebs, um sich auszubreiten. Der parasitäre Schlauchpilz tötet den Baum im schlimmsten Fall ab. Erhält der Kastanienrindenkrebs zu viel Angriffsfläche, ist der gesamte Kastanienhain in Gefahr.
Wüst sorgt dafür, dass es nicht so weit kommt. Bei der Familie mit den zwei Buben stösst sie mit ihren Erklärungen aber auf wenig Interesse. Ihr Sohn habe den Stecken nur als Spazierstock dabei, beteuert die Mutter. Der beobachtete Schlag gegen den Baum? Ein Ausrutscher. Eine Erklärung, die sie in diesen Tagen erstaunlich oft zu hören bekomme, sagt Wüst und schmunzelt.
An einem schönen Oktoberwochenende muss sie alle paar Minuten wegen eines «schweren Verstosses» eingreifen. Dabei strahlt Wüst mit ihrer Rangerinnen-Uniform eine gewisse Autorität aus. Büssen kann sie das Fehlverhalten aber nicht.
Rangerin hat Erfolg
Sie verstehe sich auch nicht als Marroni-Polizistin, sagt die ausgebildete Rangerin. «Die Leute sollen die Regeln verstehen und sich deshalb daran halten.» Acht von zehn Personen seien einsichtig, sagt Wüst. «Und die grosse Mehrheit, die sich korrekt verhält, ist dankbar, wenn ich interveniere.»
Mit den Patrouillen beauftragt wurde Ursina Wüst erstmals 2023 vom Verein Pro Kastanie Murg. Präsident Josef «Sepp» Kühne ist zufrieden: Die Verstösse hätten in diesem Jahr auch dank der Arbeit der Rangerinnen abgenommen, sagt er.
Kühne hat sich mit den regionalen Tourismusorganisationen, der politischen Gemeinde und der Ortsgemeinde zusammengesetzt. Der Kastanienweg sei in den letzten Jahren zu offensiv beworben worden, sagt er. Der Ansturm belaste nicht nur die edlen Marronibäume, sondern auch die Einheimischen. Diese seien teilweise «entsetzt» über die Blechlawine: Mehr als 80 Prozent der Besucher reisen mit dem Auto an, obschon der Kastanienweg direkt am Bahnhof startet.
Um für Entlastung zu sorgen, sei bereits über eine mögliche Beschränkung der täglichen Besucherzahl und der Besuchszeit debattiert worden, sagt Kühne. Doch dafür brauche es vor allem politischen Willen. Vorerst sorgt deshalb weiterhin Rangerin Ursina Wüst dafür, dass der Stock im Marroni-Paradies tatsächlich nur als Gehhilfe dient.
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