Es gilt in manchen Kreisen schon als Fakt, dass die Schweiz im Ukraine-Krieg ihre Neutralität preisgegeben habe. Laut SVP ist die Eidgenossenschaft sogar Kriegspartei.
Was hingegen die Angestellten der Armasuisse erleben, offenbart ein ganz anderes Bild.
Seit Beginn des völkerrechtswidrigen Angriffskriegs gegen die Ukraine gingen beim Bundesamt für Rüstung Dutzende Anfragen nach Schutzmaterial ein. Die Verzweiflung, die Putins brutaler Feldzug auslöst, zeigt sich in den Kontaktaufnahmen mit den Besorgern des Bundes. Helme für die Feuerwehreinheit in einer ukrainischen Stadt, Schutzwesten für die Mitarbeiter eines Schweizer Bluechip-Konzerns, Erste-Hilfe-Güter für Verwandte.
Armasuisse kann nicht weiterhelfen
Sämtliche Anfragen wurden abgelehnt. Grund: das Kriegsmaterialgesetz. Armasuisse-Sprecher Kaj-Gunnar Sievert bestätigt die SonntagsBlick-Informationen. «Bisher sind telefonisch und per Mail rund 50 Anfragen eingetroffen», teilt er mit.
Es seien vor allem «Schutzwesten, ballistische Helme, Schuhwerk und Sanitätsmaterial» angefragt worden. Bei den Interessenten handelt es sich «um Unternehmen, die für ihre Firma respektive Mitarbeiter in der Ukraine um entsprechendes Schutzmaterial angefragt haben oder um Privatpersonen, die wiederum für Privatpersonen (Familie/Verwandte) oder Organisationen (z. B. Feuerwehren) aktiv wurden». Alle Gesuchsteller hätten sich aus der Schweiz gemeldet.
Bleibt die Frage, wie die Verwaltung antwortet. Man habe jeweils an das Staatssekretariat für Migration, die Armeeapotheke sowie private Herstellerfirmen weiterverwiesen. So wurde Interessierten der Kontakt eines deutschen Produzenten von Schutzhelmen vermittelt. Sievert betont, dass Armasuisse kein Zeughaus oder Waffenlager sei, sondern die Materialbeschafferin der Armee. Nach Waffen oder Munition sei im Übrigen nicht gefragt worden.
Überholte Neutralität?
Der Fall wirft ein Schlaglicht auf die nationale Neutralitätsdebatte. Die sicherheitspolitische Zeitenwende, ausgelöst durch Putins Angriffskrieg, erreicht auch Bundesbern. Plötzlich entdecken die Präsidenten von FDP und Mitte ihr Herz für Europa. Die Schweiz müsse «viel enger mit der Nato kooperieren als heute», sagt Thierry Burkart (46) im «Tages-Anzeiger»; und Gerhard Pfister (59) plädierte in den CH-Media-Blättern dafür, die F-35-Kampfjets zur Luftüberwachung auf dem Kontinent einzusetzen.
Die Linken wiederum erinnert Wladimir Putins (69) Massenmord an ihr Pazifismus-Dilemma.
Immerhin kamen die Ukrainerinnen und Ukrainer einmal doch zu Schweizer Sanitätsmaterial – am 1.März vermeldete der Bund die Lieferung von humanitären Hilfsgütern: Matratzen, Schlafsäcke, Wolldecken.
Nur: keine Helme für die Feuerwehr.